Eric Mozanowski, ehemaliger Vorstand der ESTAVIS AG, führte in Berlin / Leipzig sowie Stuttgart im Rahmen von Seminarveranstaltungen die Vortragsreihe zum Themengebiet Denkmalschutz in Deutschland fort. Aus den Kreisen der Teilnehmer kam der Wunsch, wichtige Wissensmodule auch im Internet zu veröffentlichen. Dies ist Teil 4, welcher sich mit der Restaurierung der Münchner Frauenkirche und der Konservierung der Heidelberger Schlossruine deren Blütezeit viele Jahre betrug.
Die Restaurierung der Münchner Frauenkirche
1852 hatte es beispielsweise in München die erste Petition an den Erzbischof gegeben, „eine Wiederherstellung seiner Domkirche im Geiste der Erbauungszeit zu veranlassen. Alles Fremde, Störende und Baustylwidrige zu entfernen und diesem ehrwürdigen Münster seine frühere schöne Gestalt wieder zu schaffen.“ Die vorhandene mittelalterliche Ausstattung konnte dabei nur stören: Im Zweifelsfall wurde sie dann auch vernichtet, der Schaden betrug erhebliche Summen. Die Fresken, die man fand, schienen den Verantwortlichen nicht mittelalterlich genug und wurden wieder zugekalkt. Die berühmten Glasfenster tauschten ihre Plätze und wurden grün gestrichen, weil sie sonst den neugotischen Hochaltar überstrahlt hätten. Die Zwiebeltürme, längst ein Wahrzeichen der Stadt, sollten durch Helme wie die Kölner ersetzt werden. Die eskalierende Restauration führte noch während der Arbeiten zu Unruhe in der Bevölkerung, sollten doch „Heiligenbilder und andere den Gläubigen als Mittel und zur Förderung der Andacht dienende Gegenstände in einer den frommen Sinn der Anwesenden verletzenden Weise“ aus der Kirche entfernt worden sein. Bei der Wiedereröffnung der Kirche im Jahre 1861 war der Schrecken groß und allgemein. Die Presse klagte über Betrug, es sei ein Widerspruch, dass gleichzeitig im neu gegründeten Nationalmuseum die Zeugnisse der Vergangenheit geborgen und solche Barbarei verübt werden könne.
Widerspruch gegen die Praxis der Restaurierung erhob sich aber auch von offizieller Seite, dies nicht nur in Stuttgart. Bereits 1837 hatte Ferdinand von Quast „Unwissenheit, Halbbildung und Eitelkeit“ gegeißelt sowie den Ehrgeiz, durch Denkmalpflege „etwas Neues zu schaffen, anstatt sich dem Gegebenen unterzuordnen und nur die schonendste Handreichung zu leisten“. 1858 kritisierte Quast die gängige Praxis erneut, denn gleichgültig, wie lieb oder wie unlieb dem Restaurator die Geschichte sei, er dürfe ihr „nicht ins Augenlicht […] schlagen, alle ihre Spuren […] vernichten und so die Fäden […] zerreißen, die uns mit der Vorzeit in organische Verbindung setzen. Welcher Unterschied wäre dann zwischen den wirklich alten Monumenten und deren mehr oder weniger gelungenen modernen Kopien? Unser Geist verlangt in solchen Dingen keine Täuschung sondern Wahrheit: wir wollen die Jahrhunderte, welche uns von den alten Monumenten trennen, an deren zurückgelassenen Spuren erkennen, und durch sie zu jener ältesten Zeit hinauf geleitet werden, um so unseres innigen Zusammenhangs mit ihnen bewusst zu werden.“
Die Konservierung der Heidelberger Schloss-Ruine
Das Heidelberger Schloss war nach der Zerstörung durch die Truppen Ludwigs XIV. in den Jahren 1689 und 1693 nicht wieder aufgebaut worden. Dies sorgte nicht nur im verhältnismäßig nahen Stuttgart für Unbill. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts galt die Ruine im Neckartal vielen Deutschen als ein Denkmal der nationalen Schmach, die durch Wiederaufbau getilgt werden müsse, auch wenn die Wiederherstellung Reichtümer betrug. Die 5. Generalversammlung des Verbandes der Architekten- und Ingenieursvereine sah 1882 in der Wiederherstellung des Schlosses „eine Pflicht des gesammten deutschen Volkes, weil es eine dem gesammten Deutschland in der Zeit seiner tiefsten Ohnmacht zugefügte Schmach war, dass feindlicher Übermuth den kunstgeschmückten Fürstensitz frevelhaft zerstören durfte“. Eine 1891 vom Badischen Finanzministerium einberufene Konferenz von Sachverständigen unterschiedlicher Fachrichtungen stellte allerdings fest, dass eine vollständige oder teilweise Wiederherstellung des Schlosses nicht in Betracht komme: Die vorzunehmenden Arbeiten sollten nur auf die Erhaltung des Bestehenden gerichtet sein. Erneuerungen sollten erst vorgenommen werden, wenn das Bestehende vollständig oder soweit zerstört sei, dass eine Ausbesserung ausgeschlossen sei.
Trotz dieses deutlichen Eintretens für den Erhalt des Bestehenden verhandelte eine aus Architekten und Bildhauern bestehende Kommission 1894 erneut über den Wiederaufbau, denn man sei „allerhöchsten Ortes“ – womit vermutlich auf den Großherzog von Baden angespielt wurde – nicht mit der Ablehnung des Wiederaufbaus einverstanden. Diese Kommission fasste den Entschluss, die Fassade des Friedrichsbaus – des am besten erhaltenen Schlossbaus – zu restaurieren und insbesondere auch dessen reichen Figurenschmuck weitgehend durch Kopien zu ersetzen. Mit der Umsetzung der Maßnahmen wurde der Architekt Carl Schäfer betraut. Dieser verstand es, die Fassadenrestaurierung in eine Komplettrestaurierung des Friedrichsbaus münden zu lassen. Als 1901 bekannt wurde, dass Schäfer den Auftrag hatte, auch eine Gesamtplanung für das übrige Schlossareal vorzulegen, erhob sich heftige öffentliche Kritik, unter anderem auch in Stuttgart. Einer ihrer Wortführer, der Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt, hat dabei die Protestpostkarte erfunden: Er ließ Karten mit dem Satz bedrucken: „Hiermit erkläre ich, dass ich die Erhaltung des Ottheinrichsbaus im Heidelberger Schloss einer Wiederherstellung dieses Baus vorziehe“, und versandte sie an zahlreiche prominente Persönlichkeiten des Reiches.
Mit bemerkenswerten Worten wandte sich auch Georg Dehio, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Straßburg, gegen die Wiederherstellung des gesamten Schlosses. Für ihn war die Denkmalpflege nach schweren Missgriffen „zu dem Grundsatze gelangt, den sie nie mehr verlassen kann: erhalten und nur erhalten! Ergänzen erst dann, wenn die Erhaltung materiell unmöglich geworden ist; Untergegangenes wiederherstellen nur unter ganz bestimmten, beschränkten Bedingungen.“ Denn die Ehrfurcht vor der Vergangenheit gebiete es, Verluste zu akzeptieren. Überdies erläuterte er den Wert, den die authentische Substanz gerade wegen ihres ruinösen Charakters besaß: „Daß Altes auch alt erscheinen soll mit allen Spuren des Erlebten, und wären es Runzeln, Risse und Wunden, ist ein psychologisch tief begründetes Verlangen. Der ästhetische Wert des Heidelberger Schlosses liegt nicht in erster Linie in dieser oder jener Einzelheit, er liegt in dem unvergleichlichen, über alles, was man mit bloß architektonischen Mitteln erreichen könnte, weit hinausgehenden Stimmungsakkord des Ganzen. Verlust und Gewinn im Falle fortgesetzter Verschäferung des Schlosses lassen sich deutlich übersehen. Verlieren würden wir das Echte und gewinnen die Imitation; verlieren das historisch Gewordene und gewinnen das zeitlos Willkürliche; verlieren die Ruine, die altersgraue und doch so lebendig zu uns sprechende, und gewinnen ein Ding, das weder alt noch neu ist, eine tote akademische Abstraktion.“
Eric Mozanowski referierte in Stuttgart darüber hinaus noch kurz über die Parallelen der Schwierigkeiten im Bauablauf zu heutigen Denkmalschutzobjekten, was nicht nur für Stuttgart sondern ebenfalls für die historische Bausubstanz in Leipzig und anderen ostdeutschen Großstädten gelte.
V.i.S.d.P.:
Eric Mozanowski
Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich.
Eric Mozanowski, ehemaliger Vorstand der ESTAVIS AG, führte in Berlin / Leipzig sowie Stuttgart im Rahmen von Seminarveranstaltungen die Vortragsreihe zum Themengebiet Denkmalschutz in Deutschland fort. Aus den Kreisen der Teilnehmer kam der Wunsch, wichtige Wissensmodule auch im Internet zu veröffentlichen. Weitere Informationen unter: www.estavis.de
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