ERGO Verbraucherinformation „Wenn Kinder nicht zur Ruhe kommen“

Therapien und liebevolle Zuwendung können ADHS häufig lindern

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Sie sind zappelig, können sich nicht konzentrieren, stören den Unterricht: Was der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann bereits 1845 in seiner Geschichte vom „Zappelphilipp“ beschrieb, führt auch heute noch viele Eltern und Lehrer an ihre Grenzen. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, kurz ADHS, lautet in solchen Fällen immer häufiger die Diagnose. Medikamente können die Symptome lindern, lösen aber in der Regel nicht das Problem. Was Eltern tun können, um ihren Kindern zu helfen, weiß Dr. Wolfgang Reuter, Gesundheitsexperte bei der DKV Deutsche Krankenversicherung.

In Deutschlands Klassenzimmern grassiert das Zappelphilipp-Syndrom: Seitdem die Störung vor rund 30 Jahren ihren Namen erhielt, scheint sich ADHS immer stärker auszubreiten. Allein von 2004 bis 2007 stieg die Zahl der ADHS-Diagnosen um 50 Prozent. Insgesamt leiden rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche unter der psychischen Störung. Doch nicht jede Konzentrationsschwäche ist gleich als Indiz für ADHS zu werten, betont Dr. Wolfgang Reuter, medizinischer Experte bei der DKV: „Einige Kinder sind von Natur aus einfach lebhafter als andere. Eltern sollten allerdings hellhörig werden, wenn die Auffälligkeiten das Kind in der Schule oder in der Familie beeinträchtigen, wenn sie das normale Maß für Kinder des jeweiligen Alters deutlich übersteigen und noch dazu länger als sechs Monate anhalten.“ Zu den Symptomen zählen impulsives Verhalten, Unaufmerksamkeit und Überaktivität. Oft machen die betroffenen Kinder Flüchtigkeitsfehler, können nicht still sitzen und sind nicht in der Lage, den Erklärungen des Lehrers zu folgen oder eine Aufgabe zu Ende zu bringen.

Müssen es denn gleich Medikamente sein?

Die Grenze zwischen normalem Bewegungsdrang bei Kindern und einer psychologischen Störung ist fließend: Feste Werte gibt es nicht, sondern lediglich Richtlinien. ADHS ist daher schwer festzustellen und wird leider immer wieder etwas voreilig diagnostiziert. „Wenn Probleme auftreten, sollten sich die Eltern zuallererst an einen spezialisierten Arzt wenden, also einen Kinder- und Jugendpsychiater“, rät der Experte. Entscheidend für den Verlauf von ADHS ist die richtige Therapie: Die Symptome lassen sich zwar mit dem Wirkstoff Methylphenidat behandeln. Doch Medikamente wie das bekannte Ritalin können gravierende Nebenwirkungen wie etwa Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle, Übelkeit und sogar Depressionen haben. „Wegen dieser Risiken muss der Einsatz von Medikamenten sorgfältig überlegt werden“, sagt Dr. Wolfgang Reuter. „Methylphenidat ist nur zu empfehlen, wenn sich alle anderen Maßnahmen als unzureichend erwiesen haben. Denn längst nicht jedes betroffene Kind braucht Medikamente.“ Häufig helfen liebevolle Zuwendung und gute Schulen ruhelosen Kindergemütern nachhaltiger. Schädlich dagegen sind Über- oder Unterforderung, Stress und ein unregelmäßiger Familienalltag.

Klare Regeln, feste Strukturen, eindeutige Ansagen

Eltern und Lehrer können auch ohne Medikamente eine Menge tun. Schon ein reizarmes Klassenzimmer und ein Platz in der ersten Reihe lenken weniger ab. „Es sollte sichergestellt sein, dass die Kinder sich regelmäßig ‚austoben‘ können, um ihren Bewegungsdrang auszuleben. Zudem sind klare Regeln und feste Strukturen unerlässlich“, sagt der DKV Experte. „Die Eltern müssen klare Ansagen machen: ‚Vielleicht‘ oder ‚ausnahmsweise‘ sind eher kontraproduktiv.“ Verhaltens-, Ergo- und Psychotherapien unterstützen das Kind dabei, besser mit seiner Umwelt zurechtzukommen. Eine Familientherapie kann zusätzlich sinnvoll sein. Vor allem aber sollte viel gelobt werden, um das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken. Für besondere Erfolge können als Ansporn Belohnungen vereinbart werden. Außerdem tut es Kindern gut, Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn sie den Aufgaben zunächst nicht gerecht werden: Wochenpläne zum Beispiel können neben täglichen Zeiten für Essen oder Hausaufgaben auch einfache Pflichten wie das Tischdecken umfassen. „Wichtig ist vor allem, die Geduld zu bewahren“, erklärt Dr. Wolfgang Reuter. „Es muss nicht alles vom ersten Tag an klappen. Schließlich brauchen alle Kinder etwas Zeit, um sich an neue Regeln zu gewöhnen.“

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