Buchveröffentlichung: Künstler der Darmstädter Sezession im Dritten Reich
Als Max Beckmann 1937 mit zwei Koffern in den Zug nach Amsterdam steigt, sind bereits 590 seiner Bilder von der Gestapo beschlagnahmt. Werke der Moderne werden aus den Museen geraubt und in der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ an den Pranger gestellt. Die Schöpfer erhalten Arbeitsverbote, viele flüchten aus Deutschland, manche werden verhaftet. „Kaum ein anderer Künstlerkreis war während jener unheilvollen Epoche auf unterschiedlichste Weise in vergleichbarem Ausmaß von den perfiden Maßnahmen der seinerzeitigen Machthaber existenziell dermaßen betroffen wie der der Darmstädter Sezessionisten“, so Buchautor Horst Dieter Bürkle. Den Entarteten und Verfemten aus den Reihen der Darmstädter Sezession hat der Fotograf und Filmemacher jetzt ein Buch gewidmet, ihre Schicksale recherchiert und als 17 exemplarische Berichte zusammengefügt: „Unheil“ ist nun im Justus von Liebig Verlag erschienen.
Dem Unheil auf der Spur
Der Autor skizziert schonungslos den „langen Weg zum Galgen“ des Literaten Theodor Haubach und berichtet vom „Proletarischen Rubens“ Paul Kleischmidt, der Frauen in barocker Üppigkeit malt und sein Werk durch einen Wohnungsbrand nur einen Tag vor dem Einmarsch der alliierten Truppen verliert. Künstler jüdischer Herkunft verlassen das Land, wie die Zeichnerin, Naturwissenschaftlerin und Weltreisende Erna Pinner. Sie flüchtet vier Wochen nach dem Erlass des „Gesetzes zum Schutz deutschen Blutes“. Der Maler Ludwig Meidner etwa kehrt zurück und wird nach vielen Jahren im englischen Exil im hohen Alter doch noch mit Auszeichnungen geehrt. Beckmann bleibt in den USA.
Der Phoenix wird 100
„Die Darmstädter Sezession hat als eine der ganz wenigen Künstlervereinigungen das ,Unheil“ des Dritten Reiches überlebt“, sagt Geschäftsführerin Inez Gengelbach. Die Gründung im Jahr 1919 liegt nun 100 Jahre zurück und ist Anlass für Bürkle, sein neues Buch vorzustellen. Der im Feuer des Krieges fast vergangene „Phoenix“ feiert heute sein 100-Jähriges mit dem Kunstfestival „Den Bogen spannen“ 100 Tage lang – vom 8. Juni bis 15. September 2019 in Darmstadt, Frankfurt und Berlin.
Horst Dieter Bürkle
Unheil
Justus von Liebig Verlag, Darmstadt, 2019
ISBN: 978-3-87390-417-0
340 Seiten
24,80 Euro inkl. MwSt.
Über die Darmstädter Sezession
Die Darmstädter Sezession e.V. nimmt seit 1919 die künstlerischen Interessen ihrer Mitglieder wahr und gibt der Öffentlichkeit mit Jahresausstellungen Einblicke in ihre Arbeit. Prominente Sezessionisten der ersten Stunde sind etwa die Maler Max Beckmann und Ludwig Meidner sowie die Schriftsteller Kasimir Edschmid und Carlo Mierendorff. Kunsthistorische Bedeutung bekommt die überregional ausgerichtete Künstlervereinigung durch ihren steten und oft streitbaren Einsatz für die Kunst der Moderne seit dem Spätexpressionismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Vereinigung als Neue Sezession Darmstadt wiedergegründet. 1988 kehrte sie zu ihrem Ursprungsnamen zurück. In der 100-jährigen Geschichte gehörten der Sezession mehr als 300 Künstler an. Heute aktiv sind rund 120 Kunstschaffende verschiedenster Disziplinen und Positionen.
Über das Festival „Den Bogen spannen“
100 Tage Ausstellungen und Austausch, Veranstaltungen und Führungen, Lesungen und Konzerte – das Jubiläumsfestival der Darmstädter Sezession ist eine Feier der Künste. Viele der 23 Ausstellungen sind von den Kunstschaffenden selbst kuratiert. Geschäfte in der Darmstädter Innenstadt stellen ihre Schaufenster für Kunstpräsentationen zur Verfügung. Kunstrouten führen zu Skulpturen und Plastiken im öffentlichen Raum, sind Ausgangspunkte für Spaziergänge und Ausflüge. Die virtuelle Karte auf der Webseite liefert an jeder Station Informationen zu Werk und Ort. Die Darmstädter Sezession spannt den Bogen über 100 Jahre an 100 Tagen mit 100 Programmpunkten und Exponaten von mehr als 150 Künstlern. Das vielseitige, umfangreiche und neuartige Festivalkonzept zeigt geballt die Schaffenskraft der eigenständigen Künstlervereinigung. In Berlin öffnet die Ausstellung „Westbesuch“. Zum Programm: www.denbogenspannen.de
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