Ein Leben im Dienst der klassischen Reitkunst

79-oben-Schwabl-300x214 Ein Leben im Dienst der klassischen Reitkunst

Sein Leben war die Klassische Reitkunst, seine Welt die Reitbahn. Mit Gert Schwabl von Gordon ist einer der letzten Meister und verfechter der Reinen Lehre verstorben

„Treiben Sie doch einmal! Wofür haben Sie denn sonst Ihre langen Beine!“ So und ähnlich schallte es immer wieder durch die Reithalle in Worzeldorf bei Nürnberg. In seinem Unterricht gab es nur selten sanfte Töne und manch einen seiner Schüler sprach Gert Schwabl schon einmal mit ‚Obergefreiten’ an. Kommandos wie „Zügel aufnehmen, jetzt wird scharf geschossen!“ waren auch keine Seltenheit. Bis zuletzt ging er fast täglich in die Reithalle oder auf den Platz. Ganz traditionell gekleidet in Reithose, Schiebermütze und dem hell-beigen Reitmantel, der zu Gert Schwabl gehörte, wie die hüftlange M-65-Feldjacke zu Tatort-Kommissar Schimanski. Dann folgten die unvergleichlichen Unterrichtsstunden, in den er seine zwei- und vierbeinigen Schülern antrieb. „Mit Geschrei und Getöse, so wie sich das gehört“, antwortete Gert Schwabl selbst einmal auf die Frage, wie er denn seinen Unterricht gestaltet.

Der Unterricht in Worzeldorf war stets streng und fordernd. Vor allem von seinen männlichen Reitschülern verlangte Gert Schwabl militärische Disziplin und Gehorsam. Militärisch geprägt war nahezu alles in seinem reiterlichen Umfeld. Und auch darüber hinaus. Als Sohn des Rittmeisters Walter Schwabl, seines Zeichens Leutnant, Reitlehrer und Bereiter an der berühmten Reichs-Kavallerieschule Hannover wuchs Gert Schwabl in einer familiären Umgebung auf, in der preußische Tugenden, (vor-)gelebt wurden. Diese Tugenden gehörten zu seinen Markenzeichen und haben auch seine Tätigkeit als Reiter und Reitlehrer maßgeblich mit beeinflusst. Gert Schwabl verlangte vor allem von seinen zweibeinigen Schülern Engagement. Der Wille und das Bemühen standen bei ihm im Vordergrund. Wer sich anstrengte und bewies, dass er ‚wollte’, der konnte sich auch der Unterstützung Gert Schwabls sicher sein. Nicht nur in der Praxis, sondern auch und vor allem in der reitlerlichen Theorie.

Beginn eines Reiterlebens

Wie viele andere Jungs interessierte sich Gert Schwabl nicht gerade brennend für Pferde und Reiten. Im Gegenteil: Eher unfreiwillig machte er seine erste Bekanntschaft mit jenem Vierbeiner, für dessen Ausbildung er es später einmal zu Meisterehren bringen sollte. Im zarten Alter von sechs Jahren saß Gert Schwabl zum ersten Mal auf einem Pferd. Bei einem Jahrmarkt auf dem Rummelplatz. Richtig Reiten lernte er etwa drei Jahre später im Nürnberger Tattersall. Von da an ging es auf der Entwicklungstreppe eines Reiters Stufe für Stufe nach oben. Der Einfluss seines Vaters Walter sollte für Gert Schwabl richtungweisend sein. Alles was er übers Reiten und Pferde lernte, basiert maßgeblich auf den Grundsätzen der klassischen Reitlehre gemäß der H. Dv. 12. Sowohl als Reiter, als Ausbilder von Mensch und Tier, in Theorie wie auch in der Praxis.

Sein Studium der Pädagogik schloss Gert Schwabl 1956 erfolgreich ab. Ebenso erfolgreich absolvierte er die Ausbildung zum Reitlehrer bei keinem geringeren, als Rittmeister und Generalmajor a. D. Horst Niemack. Manchmal erzählte Gert Schwabl in einer ruhigen Minute eine kleine Anekdote: Horst Niemack fragte seinen damaligen Prüfling, als dieser in ein Buch vertieft war „Was studieren Sie?“ Der junge Gert Schwabl erhob sich, stand stramm und antwortete: „Seitengänge Herr General!“ Dies ist nur eine der vielen Geschichten aus einem langen Reiterleben. Seine eigentliche Reit-Ausbildung bekam Gert Schwabl von seinem Vater Walter, streng nach der Heeresdienstvorschrift H. Dv. 12, die das Wissen in der Kavallerieausbildung seit dem 18. Jahrhundert zusammenfasst. Ziel war es, die Pferde möglichst lange gesund und fit zu erhalten.

Reiten nach der reinen Lehre

Von 1967 an ritt Gert Schwabl von Grodon Turniere und eröffnete 1976 in Worzeldorf das Reitlehrinstitut Nürnberg. Seine eigene, streng militärisch geprägte Ausbildung prägte natürlich auch sein eigenes Wirken als Reitlehrer und Bereiter. An der Auffassung, dass Reiten eine Kunst sei und dass das Pferd ein Kunstwerk ist, das es bestmöglich zu formen gilt, ließ Gert Schwabl von Gordon  nie Zweifel. Die Vierbeiner und deren Wohl standen bei ihm immer im Vordergrund. Jeder seine unzähligen Schüler aus Nah und fern bekamen das zu spüren. Wenn es mal nicht klappte, was beim Reiten ja keine Seltenheit ist, war das Ziel der Kritik ausschließlich der Reiter. Nie hörte jemand von Gert Schwabl böse Worte über die Pferde. Machten die Fehler, kritisierte er stets den Reiter. Und so wurde aus dem kleinen Stall in Worzeldorf, eines der letzten Oasen der ,reinen Lehre’, die weit über die Grenzen Nürnbergs hinaus bei Insidern und Anhängern der ‚Klassischen Reitkunst’ ein Begriff wurde.

Bis zu seinem 85. Geburtstag steig Gert Schwabl von Gordon täglich für etwa drei bis vier Stunden noch selbst aufs Pferd. Es muss ihm sehr schwergefallen sein, als er sich selbst zum letzten Mal den ‚Befehl zum Absitzen’ gab. Danach widmete sich der Reitmeister nur noch seinen Schülern und verfasste drei Bücher (alle erschienen im Olms-Verlag), in denen er sein Wissen an die Nachwelt weitergibt. Gert Schwabl von Grodon verstarb am 14. Januar 2021 im Alter von 93 Jahren. Mit ihm ging einer der letzten traditionsreichen Zunft, den Repräsentanten der Deutschen Kavallerie. Das Streben nach dem richtigen Reiten war Inhalt seines Lebens.

(Alexander Natter)