Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Landgerichts Berlin, LG Berlin, Urteil vom 25. September 2014 – 67 S 198/14 – juris.
Die Ausgangslage:
Bestreitet der Mieter den Eigenbedarf, muss der Vermieter ihn beweisen. Das ist manchmal nicht so einfach, wenn der Vermieter die Wohnung für sich nutzen will und keine Familienangehörigen hat. Wen soll er als Zeugen benennen? Für solche Fälle sieht die Prozessordnung eine Parteieinvernahme des Vermieters nach § 448 ZPO oder seine Parteianhörung nach § 141 ZPO vor.
Der Fall:
Der Vermieter hatte in der Zwangsversteigerung eine Wohnung erworben und anschließend von seinem Sonderkündigungsrecht nach §§ 57a ZVG, § 573d Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht. Auch ein solches Kündigungsrecht kann gemäß § 573d Abs. 1 BGB nur unter Beachtung der Kündigungsschutzvorschrift des § 573 BGB ausgeübt werden (BGH, Urt. v. 16. Januar 2008 – VIII ZR 254/06, NJW-RR 2008, 86 Tz. 12). Der Vermieter muss also Eigenbedarf darlegen und im Falle des Bestreitens durch den Mieter beweisen.
Die aktuelle Entscheidung des Landgerichts Berlin:
Das Landgericht Berlin:
Will der Vermieter – wie der Kläger – selbst in die Wohnung einziehen, so kann er entweder die zu beweisende Haupttatsache dartun und beweisen oder er hat statt der zu beweisenden Haupttatsache Indizien vortragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, die den Schluss auf die Nutzungsabsicht rechtfertigen (BVerfG, a.a.O.; Blank, a.a.O., Rz. 71 m.w.N.).
Eine Parteieinvernahme des Vermieters nach § 447 ZPO hatte mangels entsprechenden Antrag des Vermieters und mangels Einverständnis nach Auffassung des Landgerichts zu unterbleiben.
Eine Parteieinvernahme des Vermieters nach § 448 ZPO musste ebenfalls unterbleiben, da es an einem so genannten Anbeweis im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für den von dem Kläger behaupteten Eigennutzungswunsch fehlte (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1989 – VIII ZR 334/88, NJW 1989, 3222; LG Berlin, Urt. v. 18. Oktober 2013 – 63 S 87/13, ZMR 2014, 535).
Das Gericht setzen sich dann im Weiteren noch mit der Frage auseinander, ob eine Parteivernehmung des Klägers nach § 448 ZPO oder seine Anhörung nach § 141 ZPO unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit veranlasst sei.
Das Landgericht:
„Zwar kann im Zivilprozess im Falle der Beweisnot einer Partei deren Einvernahme nach § 448 ZPO oder Anhörung nach § 141 ZPO geboten sein (BVerfG, Beschl. v. 21. Februar 2001 – 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531 Tz. 15-16).“
Weiter kommt das Landgericht dann aber zu dem Ergebnis, dass sich der Kläger nicht in Beweisnot befunden habe. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen, Zeugenbeweis durch seine ebenfalls als künftige Nutzerin der Wohnung angegebene Ehefrau anzutreten. Da der Kläger diesen Beweisantritt trotz entsprechenden Hinweises nicht erbracht hatte, war die Klage abzuweisen.
Fachanwaltstipp Vermieter:
Vermieter sollten im Rahmen des Räumungsprozesses grundsätzlich zunächst auf alle möglichen Beweismittel zurückgreifen. Wer seinen Eigenbedarf damit begründet, dass er mit anderen Personen (Ehepartner, Lebensgefährten, Kinder, Haushaltsangehörige) in die Wohnung einziehen wolle, kann die betreffenden Personen ohne weiteres als Zeugen anbieten. Es ist nämlich davon auszugehen, dass diese Personen von den Plänen des Vermieters wissen. Wer darauf verzichtet und vorschnell auf die von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Krücken wie Parteieinvernahme und Parteianhörung zurückgreifen will, läuft Gefahr, am Ende an der Beweislast zu scheitern.
Das Ergebnis war im vorliegenden Fall für den Vermieter besonders tragisch, weil das Amtsgericht die prozessualen Bestimmungen noch zu Gunsten des Vermieters lockerer gehandhabt hatte. Hier war der Vermieter einfach angehört worden. Als dann hatte das Amtsgericht aber diese Anhörung auch nicht protokolliert, so dass sie im Berufungsverfahren allein deswegen nicht verwertbar war.
Dazu das Landgericht Berlin:
„Denn das Amtsgericht hat es unterlassen, die Durchführung und den Inhalt der Parteianhörung, die es wie eine Parteiaussage gewürdigt und als zentralen Beweis zu Lasten der Beklagten verwertet hat, entweder im Sitzungsprotokoll oder im Urteil wiederzugeben (vgl. BGH, Urt. v. 27. November 1968 – IV ZR 675/68, NJW 1969, 428 Tz. 15; Beschl. v. 29. November 2013 – BLw 4/12, NJW-RR 2014, 243 Tz. 10): Während das erstinstanzliche Sitzungsprotokoll weder zur Durchführung noch zum Inhalt der Parteianhörung Angaben enthält, erwähnt der erstinstanzliche Urteilstatbestand in seiner Prozessgeschichte zwar eine Anhörung des Klägers, bei der dieser den behaupteten Eigenbedarf „bekräftigt und bestätigt hat, dass er mit seiner Familie tatsächlich in die Wohnung einziehen wolle.“ Die getroffene Feststellung ist jedoch bereits formal unzureichend, da sich der Inhalt der ohnehin nur verknappt wiedergegebenen Aussage des Klägers nicht deutlich von deren Würdigung abhebt (BGH, Beschl. v. 27. November 1968 – IV ZR 675/68, a.a.O. Tz. 13, 17). Davon abgesehen wohnt der formelhaften tatbestandlichen Feststellung der bloßen mündlichen Wiederholung des bereits schriftsätzlich erfolgten Vortrags durch die beweispflichtige Partei hinsichtlich des streitigen Eigenbedarfs kein substanzieller Beweiswert inne (LG Berlin, Urteil vom 25. September 2014 – 67 S 198/14 -, Rn. 5, juris).“
Fachanwaltstipp Mieter:
Das Urteil zeigt sehr gut, dass auch in vermeintlich aussichtslosen Situation eine Abwehr der Eigenbedarfskündigung möglich ist. Auch wenn der Vermieter hier vermutlich bald eine neue Eigenbedarfskündigung aussprechen wird, ist zumindest eine Menge Zeit gewonnen. Manchmal sind solche Niederlagen des Vermieters für den Mieter auch Gelegenheit, einen günstigen Vergleich (Auszug gegen Abfindung) abzuschließen.
17.3.2015
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