Drohender Pflegenotstand – „Pflege-Riester“ soll kommen

Marburg (22. Juni 2012) Die gesetzliche Pflegeversicherung ist bereits heute für viele Betroffene oftmals nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine staatlich geförderte private Pflegezusatzversicherung soll Abhilfe schaffen.

Zwar dürfen Menschen in Deutschland angesichts der immer besseren medizinischen Versorgung auf ein langes Leben hoffen, gleichzeitig jedoch nimmt das Risiko einer Pflegebedürftigkeit mit dem Alter stark zu. Aufgrund der niedrigen Geburtenraten stehen jedoch immer weniger junge Menschen bereit, die deutschen Sozialversicherungssysteme zu finanzieren. Auch die gesetzliche Pflegeversicherung spürt bereits heute die finanziellen Konsequenzen des demographischen Wandels. So ist bereits zwischen 1999 und 2009 die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland um 16 Prozent auf 2,34 Millionen Menschen gestiegen. Bis 2030 erwarten Gesundheitsexperten sogar einen Anstieg auf 3,4 Millionen.

Um einer drohenden finanziellen Schieflage in Zeiten knapper öffentlicher Mittel und steigender Kosten vorzubeugen, gleichzeitig jedoch die Leistungen zu bewahren, bleiben dem Staat nur wenige Alternativen: Die für alle verbindliche Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung oder eine zusätzliche kapitalgedeckte freiwillige Eigenvorsorge, die durch staatliche Zuschüsse gefördert und damit attraktiver werden soll. Auf den letztgenannten Lösungsweg hat sich die Berliner Regierungskoalition nun geeinigt. Nach Vorbild der Riester-Rente sollen bereits ab Anfang 2013 erste staatlich geförderte private Pflegezusatzversicherungen auf den Markt kommen.

Einer privaten Pflegezusatzversicherung fällt die Aufgabe zu, die regelmäßig vorhandene Deckungslücke zwischen den erbrachten Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen anfallenden Kosten abzumildern. Beispielsweise zahlt die gesetzliche Pflegeversicherung aktuell in der Pflegestufe 3 für die Pflege in Heimen monatlich lediglich 1.550 Euro, während sich die tatsächlichen Kosten auf monatlich rund 3.000 Euro belaufen. Die Differenz ist vom Pflegebedürftigen oder seinen Verwandten aufzubringen. Erspartes Vermögen kann auf diese Weise schnell aufgezehrt werden, im schlimmsten Fall droht der finanzielle Ruin.

Das Konzept des Gesundheitsministeriums sieht vor, dass Bürger, die künftig eine freiwillige private Pflegezusatzversicherung abschließen, unabhängig vom Einkommen bei einem Mindestbeitrag von monatlich 10 Euro einen staatlichen Zuschuss in Höhe von 5 Euro erhalten. Eine steuerliche Bevorteilung dieser Vorsorge analog der Riester-Rente wird es nicht geben. Zulageberechtigt sollen alle Personen über 18 Jahren sein, wenn sie vor Abschluss eines Pflege-Riesters noch keine bestimmten Pflegeleistungen in Anspruch genommen haben. Zudem wird eine Karenzzeit von 5 Jahren geplant, innerhalb derer die Versicherung nicht leisten muss. Versicherungen, die eine staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung anbieten möchten, müssen hinreichende Qualitätskriterien erfüllen, zudem soll ein diskriminierungsfreier Kontrahierungszwang gelten. Das heißt, dass Versicherungen jeden Antragsteller ohne Gesundheitsprüfung und unabhängig vom individuellen Risiko annehmen müssen.

„Die Initiative der Bundesregierung zur Setzung von finanziellen Anreizen zur Eigenvorsorge bei der Absicherung des Pflegerisikos ist grundsätzlich zu begrüßen. Denn qualitativ gute Pflege ist nicht nur sehr wichtig sondern auch kostspielig. Bewusst wird dies vielen Betroffenen leider erst dann, wenn ein Pflegefall in der eigenen Familie vorkommt. Dann kann es jedoch bereits zu spät sein. Nur wer frühzeitig mit einer Pflegezusatzversicherung privat vorsorgt, kann die finanzielle Deckungslücke schließen, die zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung klafft. Die geplante Einführung des Pflege Riesters lässt jedoch noch einige Fragen offen, die es zu klären gilt. So ist zunächst unklar, ob die bereits bestehenden 1,9 Millionen abgeschlossenen Pflegezusatzversicherungen nachträglich von der staatlichen Förderung profitieren. Zudem könnten einige Bedingungen wie der Kontrahierungszwang dazu führen, dass die neuen Tarife deutlich teurer werden als die bisherigen nicht staatlich geförderten. Der Erfolg des „Pflege-Riesters“ wird daher ganz entscheidend davon abhängen, ob die staatliche Förderung die vermutlichen Beitragsanstiege überkompensieren kann. Eine abschließende Bewertung ist aus diesem Grund nicht möglich, zumal sich die detaillierte Ausgestaltung bis zur Verabschiedung des Gesetzes noch ändern kann“, so der Geschäftsführer der JuMaFinanz UG (haftungsbeschränkt), Marco Otterbein.

 

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