Ist die Miete auch dann gemindert, wenn sich später herausstellt, dass keine Gesundheitsgefahr bestand?
Fachanwalt für Miet-und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck
Nach dem Einzug in eine Wohnung bemerkt manch ein Mieter, dass die Wohnung nach chemischen Stoffen riecht. Der Mieter ist natürlich besorgt – besonders, wenn in der Wohnung Kinder wohnen. Sollte gerade ein Neugeborenes zur Welt gekommen sein, ist es nur verständlich, dass sich die Eltern große Sorgen machen.
Zunächst rufen die besorgten Mieter die Hausverwaltung zu Hilfe. Die wiegelt oft erst einmal ab. Die Gerüche seien gar nicht so schlimm. Der Mieter müsse einige Tage ordentlich durchlüften; dann sei der Geruch verflogen und das Problem gelöst.
Der chemische Geruch verfliegt aber nicht und Wochen später, nachdem die Situation sich nicht gebessert hat und noch immer der Verdacht einer Belastung der Raumluft mit toxischen Stoffen besteht, verlassen die Mieter entnervt die Wohnung. Natürlich wollen sie, dass der Vermieter ihnen einen Teil der gezahlten Miete ersetzt. Sie meinen, dass die Miete wegen Geruchsbelästigung und Gesundheitsgefahren gemindert war.
Ein später eingeholtes Raumluftgutachten bestätigt, dass die Konzentration in der Luft mit Schadstoffen zwar erhöht sei, aber zu keinem Zeitpunkt eine akute Gefahr der Mieter bestanden hat. Die Hausverwaltung lehnt einen Anspruch des Mieters auf Rückzahlung von überzahlter Miete und auf Umzugskosten u.a. deshalb ab.
Ein älteres Urteil des Amtsgericht Schöneberg (Az.: 6 C 32/92) hat die Rechte des Mieters in derartigen Fällen gestärkt. Der Mieter durfte allein wegen eines unangenehmen Geruchs chemischer Stoffe 90 % der monatlichen Miete einbehalten. Das Gericht ging von dem begründeten Verdacht des Mieters aus, dass von den Lösungsmitteln und chemischen Gerüchen eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Der Vermieter musste dem Mieter die Gutachterkosten ersetzen.
Andere Gerichtsurteile (etwa das Landgericht Lübeck, Az. 6 S 161/00) setzen deutlich höhere Hürden dafür, dass ein Mieter von einer Gesundheitsgefährdung ausgehen darf.
Insgesamt ist aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage Vorsicht angebracht.
Fachanwaltstipp Mieter: Sollten Sie chemische Gerüche wahrnehmen, müssen Sie dies zunächst bei der Hausverwaltung anzeigen. Sie sollten auch möglichst schnell ein Raumluftgutachten erstellen lassen. Die Voraussetzungen einer Minderung sind relativ schnell erfüllt. Bei starken chemischen Gerüchen dürfte wohl stets ein begründeter Verdacht einer Gesundheitsgefahr bestehen. Sie sollten allerdings nicht eigenmächtig Miete einbehalten, sondern erst einmal die Miete unter Vorbehalt weiterzahlen und die überzahlte Miete später zurückfordern. Sollte eine Gesundheitsgefahr bestehen, sollten Sie die Wohnung lieber früher als später verlassen. Ob dies im Rahmen einer fristlosen Kündigung geschehen soll, muss aber sorgfältig geprüft werden.
Fachanwaltstipp Vermieter: Natürlich ist nicht jede Geruchsbelästigung gleich ein Grund für eine fristlose Kündigung. Dennoch sollten Sie schnell reagieren und die Ursachen für die Geruchsbelästigung zügig ermitteln. Sollte wirklich ein begründeter Verdacht für eine Gesundheitsgefahr bestehen, kann das Mietverhältnis u.U. fristlos gekündigt werden. Sollte Ihr Mieter allerdings ohne begründeten Verdacht fristlos gekündigt haben, ist die Kündigung wohl unwirksam. Sie können dann (soweit kein Minderungsrecht besteht) die Miete bis zum Ablauf der Mietzeit verlangen.
Ein Beitrag von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck und Rechtsanwalt Dr. Attila Fodor Berlin
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