Der schwache Staat und die Etablierung des „Postfaktischen“ im Recht
Zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26.08.2016 – 1 Sa 14/16
mit nachfolgender Kritik RA. u. FAfArbR Dr. Jochen Leibold, Nürtingen
Vorwort
„Weil wir den Anfängen nicht gewehrt hatten, waren wir ohnmächtig geworden. Kämpfer um das Recht und für das Recht müssen wir werden und jederzeit sein. Nur dann können wir jederzeit auch Mensch sein, die Augen unbesorgt zu den Sternen und zu den blühenden Bäumen erheben und vor allem: eins sein mit unserem Gewissen“ (Rechtsanwalt Alfons Leibold, geb. am 17.11.1915, in seinem Plädoyer als Offizialverteidiger im sog. Ulmer Einsatzgruppenprozess, gehalten am 13.August 1958).
Der Leitsatz des Urteils (zit. nach juris):
Im Fall einer echten Druck(änderungs)kündigung (hierzu zuletzt BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 ) ist das Ausmaß der Bemühungen des Arbeitgebers, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, auch davon abhängig, in welchem Umfang der Arbeitnehmer zu dem eingetretenen tiefgreifenden Zerwürfnis mit anderen Arbeitnehmer und Dritten einen Verursachungsbeitrag geleistet hat (im Streitfall: Weigerung von Schlachthofbetreibern, Lohnschlachtgruppen und Amtstierärzten, mit einer bestimmten, in der Fleischbeschau eingesetzten Tierärztin weiter zusammenzuarbeiten).
Zur Einführung
Im vorliegenden Fall war die Klägerin als amtliche Tierärztin beim beklagten Landkreis im Veterinäramt in seiner Eigenschaft als Besondere Polizeibehörde des Landes beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten die Schlachttier- und Fleischuntersuchung einschließlich der Hygieneüberwachung. Im Rahmen ihrer Arbeit war die Arbeitnehmerin wiederholt der Ansicht, auf einem bestimmten Schlachthof bestünden erhebliche Missstände, die durch das Veterinäramt toleriert würden. Im weiteren Verlauf erhob die Klägerin, zusammen mit ihrer Kollegin, eine Fachaufsichtsbeschwerde gegen das Veterinäramt. Aufgrund dieser Fachaufsichtsbeschwerde und auch aufgrund erstatteter Strafanzeigen gegen Schlachthofmitarbeiter traten in der Vergangenheit Schwierigkeiten im Umgang zwischen der Klägerin, dem staatlichen Veterinäramt, zwei Schlachthofbetreibern und den dortigen Mitarbeitern auf. Eine ordentliche Kündigung der Klägerin scheiterte, ebenfalls wurde ein Auflösungsantrag des Landkreises vom LAG Stuttgart zurückgewiesen. Nach Rückkehr der Klägerin an ihren Arbeitsplatz war nach Ansicht der übrigen Amtstierärzte eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich, weshalb diese die Zusammenarbeit mit der Klägerin verweigerten. Dies wurde von der Behörde hingenommen, Hinweise auf die Dienstpflichten der Mitarbeiter, auch soweit sie verbeamtet waren, unterblieben. Die Schlachthofbetreiber erteilten der Klägerin Hausverbot, ebenfalls mit dem Ziel, die Weiterbeschäftigung der Klägerin zu verhindern. Auch gegenüber den Schlachthofbetreibern ergriff das Veterinäramt keine Maßnahmen, weil durch die Weigerung der dortigen Mitarbeiter Betriebsstilllegungen drohten und dies nach Ansicht der Behörde zu gravierenden Nachteilen auf dem Markt für Frischfleisch hätte führen können. Angeregt wurden lediglich eine weitere Mediation und eine Supervision. Nach Ablehnung dieser Anregung sprach der Beklagte eine Änderungskündigung aus, die den Einsatz an einem anderen Ort und zu einem geringeren Entgelt vorsieht.
Gegen diese Kündigung wehrte sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Kündigung wirksam. Die weitere Zusammenarbeit sei dem Beklagten zu den bisherigen Konditionen nicht zumutbar, insbesondere da die Klägerin das Zerwürfnis selbst verursacht habe.
Aus den Gründen des Urteils:
Der beklagte Landkreis konnte die Änderungskündigung vom 18. März 2015 aussprechen, nachdem der Personalrat mit Schreiben vom 5. März 2015 (Anlage B 18) seine Zustimmung erteilt hatte.
3. Die ordentliche Änderungskündigung vom 18. März 2015 ist sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Demnach bedarf die Änderungskündigung vom 18. März 2015 der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG. Nach dieser Vorschrift ist eine Änderungskündigung sozial gerechtfertigt, wenn das Änderungsangebot des Arbeitgebers durch Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 10. April 2014 – 2 AZR 812/12 – Rn. 24). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder – wie im Streitfall – unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung der Arbeitsbedingungen billigerweise akzeptieren muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beurteilen. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle vorgesehenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 396/12 – Rn. 17).
b) Der beklagte Landkreis hat die Änderungskündigung vom 18. März 2015 ausdrücklich als „echte“ Druckkündigung ausgesprochen. Er hat sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe bei ihren Arbeitseinsätzen ab dem 7. September 2014 verhaltens- oder personenbedingte Kündigungsgründe veranlasst.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt bei einer derartigen Sachlage eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer solchen „echten“ Druckkündigung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat. Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (zuletzt BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 39; zuvor: BAG 19. Juli 1986 – 2 AZR 536/85 – Rn. 26; BAG 4. Oktober 1990 – 2 AZR 201/90 – Rn. 43; BAG 31. Januar 1996 – 2 AZR 158/95 – Rn. 29; BAG 26. Juni 1997 – 2 AZR 502/96 – Rn. 22; KR-FischerMe. 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 220 ff; APS-Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 336 ff; HaKo-Mestwerdt/Zimmermann 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 796 ff)).
bb) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat auch in neuerer Zeit Zustimmung und Ablehnung gefunden (pro: Bergwitz/Vollstädt DB 2015, 2635; contra: Hamacher NZA 2014, 134). Nach Auffassung von Hamacher lässt sich die echte Druckkündigung nicht in das System der Kündigungsgründe integrieren, weil es an einem vom Gesetz anerkannten Kündigungsgrund fehle. Demgegenüber meinen Bergwitz/Vollstädt, die Druckkündigung sei eine betriebsbedingte Kündigung und als solche zu prüfen. Nach Auffassung der Kammer steht der vorliegende Fall exemplarisch dafür, wie problematisch die echte Druckkündigung ist. Denn kaum war das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 28. August 2014 im Kündigungsrechtsstreit 18 Sa 76/13 verkündet worden, fanden sich die Kolleginnen und Kollegen der Klägerin sowie die Schlachthofbetreiber und das dort beschäftigte Schlachtpersonal zu einer „konzertierten Aktion“ zusammen, um eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin in einem der beiden großen Schlachtbetriebe des Landkreises zu verhindern (ähnlich im Fall des LAG Bremen 17. Juni 2015 – 3 Sa 129/14). Mit der Klägerin ist die Kammer der Auffassung, dass es die Rechtsordnung grundsätzlich nicht hinnehmen darf, wenn Arbeitnehmer und Dritte den Versuch unternehmen, den Arbeitgeber an der Befolgung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen zu hindern. Würde man eine solche Verhaltensweise tolerieren, hätte dies eine bedenkliche Erosion rechtsstaatlicher Grundsätze zur Folge.
Auf der anderen Seite steht die Erkenntnis, dass überall da, wo Menschen zusammenarbeiten, Konflikte eskalieren und unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten auftreten können. In diesen Fällen werden aus den im Arbeitsleben üblichen Konfliktsituationen im Laufe der Zeit tiefgreifende menschliche Zerwürfnisse. Erfahrungsgemäß lassen sich in derartigen Konfliktsituationen die wechselseitig geleisteten Verursachungsbeiträge kaum mehr feststellen, erst recht nicht in Form von gerichtlich verwertbaren Kündigungsgründen. In diesen Fällen sieht sich der Arbeitgeber vor die schwierige Situation gestellt, einerseits für ein geordnetes Zusammenwirken im Betrieb Sorge zu tragen und andererseits die betroffenen Arbeitnehmer vor einer Ausgrenzung zu schützen. Im Ergebnis wird man deshalb vor allem dann, wenn auch der betroffene Arbeitnehmer einen gewichtigen Verursachungsbeitrag für das eingetretene menschliche Zerwürfnis gesetzt hat, eine betriebsbedingte Kündigung unter engen Voraussetzungen akzeptieren müssen.
c) Im Streitfall erweist sich die Änderungskündigung des beklagten Landkreises vom 18. März 2015 trotz der genannten strengen Anforderungen als rechtswirksam.
aa) Die von der Rechtsprechung geforderte Drucksituation in Form der Androhung erheblicher Nachteile lag vor. Nach der Arbeitsaufnahme der Klägerin am 7. September 2014 hatten sich sämtliche Amtstierärzte und verschiedene amtliche Fachassistenten geweigert, mit der Klägerin nochmals zusammenzuarbeiten bzw. darum gebeten, nicht mehr mit der Klägerin in einem der großen Schlachthöfe eingeteilt zu werden. Die Betreiber der beiden großen Schlachthöfe hatten der Klägerin mit Schreiben vom 14. und 16. Oktober 2014 Hausverbot erteilt. Sie hatten darauf hingewiesen, dass die bei ihnen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die in ihrem Haus tätigen Lohnschlachtgruppen sich geweigert hätten, ihre Arbeit aufzunehmen, solange die Klägerin im Betrieb für die Hygieneüberwachung und Fleischbeschau zuständig sei. Weder die Leiterin des Hauptamts noch der Landrat selbst konnten die Schlachthofbetreiber und die Amtstierärzte von dem angekündigten Verhalten abbringen.
bb) Der beklagte Landkreis hat sich – noch – hinreichend schützend vor die Klägerin gestellt. Er hat mit der Änderungskündigung vom 18. März 2015 auch eine Maßnahme ergriffen, die möglichst schonend in die Belange der Klägerin eingriff.
(1) Der beklagte Landkreis hat, nachdem sowohl die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Schlachthofbetreiber und deren Mitarbeiter die weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin verweigert hatten, dem Schlachthofbetreiber St. (Firma M.) mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 eine nochmalige Supervision vorgeschlagen. Außerdem führte der Landrat mit den Vertretern der beiden großen Schlachtbetriebe und dem Leiter des Veterinäramts am 13. November 2014 ein Gespräch. In diesem Gespräch ergab sich, dass die Schlachthofbetreiber die vorgeschlagene Supervision ablehnten. Der Landrat schlug daraufhin im Hinblick auf eine mögliche Verbindung zwischen der Klägerin und der zwischenzeitlich beim Regierungspräsidium eingestellten Frau P. ein Gespräch mit dem Regierungspräsidenten vor. Er schlug außerdem die Einladung des Regierungspräsidenten in den Landkreis vor, wozu es allerdings nach den Mitteilungen der Parteien in der Berufungsverhandlung vom 26. August 2016 nicht kam. Schließlich fand am 17. November 2014 eine Besprechung des zuständigen Dezernatsleiters mit den Amtsärzten statt. Auch in dieser Besprechung schlossen die Amtstierärzte eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin aus.
(2) Nach Auffassung der Kammer hätte der beklagte Landkreis die angekündigte Weigerung der weiteren Zusammenarbeit durch die Amtstierärzte nicht wie geschehen „kommentarlos“ hinnehmen dürfen. Die Weigerung der Amtstierärzte stellt eine menschlich sicherlich verständliche, rechtlich aber nicht akzeptable Verletzung ihrer Amtspflichten dar. Da der beklagte Landkreis aufgrund des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 28. August 2014 verpflichtet war, die Klägerin arbeitsvertraglich zu beschäftigen, stand den Amtstierärzten kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Der beklagte Landkreis hätte daher grundsätzlich, bevor er eine echte Druckkündigung gegenüber der Klägerin in Erwägung zog, die Amtstierärzte an ihre rechtlichen Pflichten in geeigneter Form erinnern müssen. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen ist dies nicht geschehen. In der Besprechung vom 17. November 2014 begründete der zuständige Dezernatsleiter „nur“ die Notwendigkeit einer weiteren Beschäftigung der Klägerin am Schlachthof oder einer geeigneten Alternative und bat die Mitarbeiter des Veterinäramts um eine Stellungnahme. Nachdem diese erneut jede weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin ausschlossen, ließ er es offenbar damit bewenden.
Dem beklagten Landkreis ist allerdings einzuräumen, dass er sich insoweit in einer schwierigen Lage befand. Verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so Frau Dr. H., Frau B., Herr Bu. und Herr Me. hatten mitgeteilt, dass für sie die Zusammenarbeit mit der Klägerin psychisch sehr belastend sei. Sie hatten zum Ausdruck gebracht, dass für sie das Arbeitsklima in Anwesenheit der Klägerin untragbar sei und sie dem psychischen Druck nicht standhalten könnten. In dieser Situation musste sich der beklagte Landkreis die Frage stellen, ob arbeits- oder dienstrechtliche Maßnahmen das geeignete Mittel sein würden, um die Drucksituation aufzulösen. Der beklagte Landkreis musste befürchten, dass sich ein erheblicher Teil der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank melden würde, sobald eine Arbeitseinteilung mit der Klägerin erfolgen sollte. In dieser Situation hat der beklagte Landkreis angemessen reagiert, indem er das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zwar kündigte, dieser aber eine anderweitige Beschäftigung anbot.
Bei dieser Abwägung durfte der beklagte Landkreis auch berücksichtigen, dass die Klägerin einen erheblichen Verantwortungsbeitrag zu dem eingetretenen menschlichen Zerwürfnis gesetzt hatte. Ein maßgeblicher Beitrag war hierbei die von der Klägerin und Frau P. erhobene Fachaufsichtsbeschwerde vom 15. März 2013 an das Regierungspräsidium. In dieser Beschwerde hatten beide Tierärztinnen schwere Vorwürfe gegenüber dem Veterinäramt erhoben. In deutlichen, wenn auch nicht beleidigenden Äußerungen warfen sie den Amtstierärzten und dem Leiter des Veterinäramts vor, gravierende Missstände zu tolerieren. Als Folge der Fachaufsichtsbeschwerde sah sich das Veterinäramt gehalten, sich gegenüber dem Regierungspräsidium zu rechtfertigen. In der Stellungnahme des Veterinäramts kommt zum Ausdruck, dass nach Auffassung der Amtsärzte aufgrund des rigorosen Prüfverhaltens der Klägerin und von Frau P. mittlerweile gravierende atmosphärische Störungen eingetreten waren.
Mit der Einschätzung, dass die Klägerin mit ihrer Fachaufsichtsbeschwerde einen erheblichen Verantwortungsbeitrag für das eingetretene menschliche Zerwürfnis geleistet hat, setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch zum Urteil der 18. Kammer vom 28. August 2014. In dieser Entscheidung hat die 18. Kammer die Auffassung vertreten, die Einlegung der Fachaufsichtsbeschwerde sei entgegen der Auffassung der 7. Kammer nicht als illoyales Verhalten zu werten, weil die Klägerin die Grenzen der Meinungsfreiheit nicht überschritten habe. Darin ist der 18. Kammer durchaus zuzustimmen. Eine andere Frage ist jedoch, ob die Klägerin mit der Fachaufsichtsbeschwerde nicht doch einen erheblichen Beitrag dazu geleistet hat, um das Verhältnis mit den Amtstierärzten zu belasten.
Das ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen. Mit ihren Vorwürfen, die Amtstierärzte tolerierten gravierende Missstände in den Schlachthöfen, rüttelten die Klägerin und Frau P. an den Grundlagen des Berufsethos der Amtstierärzte. Nach deren Verständnis gab es keine Missstände in den Schlachthöfen, sondern nur eine überzogene Überwachungspraxis der beiden Tierärztinnen. Der beklagte Landkreis durfte diesen Umstand bei dem Ausmaß seiner Bemühungen, sich schützend vor die Klägerin stellen, berücksichtigen.
(3) Der beklagte Landkreis war nicht verpflichtet, den Einsatz der Klägerin in einem der beiden großen Schlachthöfe mit einer Duldungsverfügung durchzusetzen. Zwar ist zutreffend, dass der beklagte Landkreis als Sonderpolizeibehörde die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, die ausgesprochenen Hausverbote zu überwinden und den Zugang der Klägerin zu den beiden Schlachthöfen durchzusetzen. Wie die Klägerin aber auf der Seite 15 ihrer Berufungsbegründung selbst einräumt, hätte sich hiermit die Situation nicht entschärft, sondern verschärft. Wie die beiden Schlachthofbetreiber in ihren Schreiben vom 14. und 16. Oktober 2014 zum Ausdruck brachten, ging es ihnen keinesfalls darum, sich der Hygieneüberwachung und Fleischbeschau zu entziehen. Sie wehrten sich aber vehement gegen den Einsatz der Klägerin in ihren Betrieben.
Der beklagte Landkreis durfte bei dieser Sachlage in Rechnung stellen, dass es bei einem erzwungenen Einsatz der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu neuen Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und dem Schlachtpersonal gekommen wäre. Diese Auseinandersetzungen hatten in der Vergangenheit einen gewissen Höhepunkt darin gefunden, dass nach den Angaben der Klägerin und Frau P. ein Metzgergehilfe einen Schlachthaken nach der Klägerin geworfen hatte und die Klägerin und Frau P. von einem herumpendelnden Wasserschlauch getroffen wurden. Zwar hatte das Amtsgericht G. mit Beschluss vom 19. Juli 2013 die Eröffnung des Hauptverfahrens mangels eines hinreichenden Tatverdachts gegen die Angeschuldigten G.S. und D.E. abgelehnt. Angesichts der aufgeflammten Emotionen war es aber nicht auszuschließen, dass es bei einem erzwungenen Einsatz der Klägerin erneut zu Aggressionen kommen könnte.
Im Hinblick auf den Vorschlag des Landrats, den Regierungspräsidenten in den Landkreis einzuladen, hat die Kammer erwogen, ob nicht diese Maßnahme vor Ausspruch der Änderungskündigung vom 18. März 2015 hätte ergriffen werden müssen. Sie ist jedoch zum Ergebnis gelangt, dass es keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, wenn der Konflikt auf eine weitere Eskalationsstufe gehoben worden wäre. Bereits am 22. März und 16. August 2011 hatte eine Mediation zwischen der Klägerin und Frau P. einerseits und Vertretern des Veterinäramts und der Betreiber andererseits stattgefunden. Am 2. und 8. Oktober 2012 erfolgte eine weitere Mediation zwischen der Klägerin und Frau P. einerseits und den Leitern des Veterinäramts und des Hauptamts andererseits. Beide Mediationen scheiterten.
Ein Grund hierfür ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls auch in der ausgeprägten Prinzipientreue der Klägerin zu sehen. Die Klägerin hinterließ in der Berufungsverhandlung vom 26. August 2016 den Eindruck einer Persönlichkeit, für die es ein hoher Wert darstellt, den selbstgesetzten Grundsätzen treu zu bleiben. Eine solche Lebenseinstellung verdient Respekt, kann sich aber im Konfliktfall hinderlich für eine Verständigung auswirken. Damit möchte die Kammer keinesfalls in der Prinzipientreue der Klägerin den einzigen Grund in dem aufgetretenen menschlichen Zerwürfnis sehen. Die Kammer ist aber der Meinung, dass es nicht zu einer Lösung des Konflikts beigetragen hätte, wenn zusätzlich der Regierungspräsident eingeschaltet worden wäre.
cc) Im Falle einer Weiterbeschäftigung der Klägerin hätten für den beklagten Landkreis schwere Schäden gedroht. Nach der vom Bundesarbeitsgericht zuletzt im Urteil vom 18. Juli 2013 verwendeten Formulierung müssen dem Arbeitgeber allerdings schwere wirtschaftliche Schäden drohen. Diese Formulierung ist aber ersichtlich auf die Verhältnisse in der Privatwirtschaft zugeschnitten. Verweigern dort die Arbeitnehmer des Betriebs die weitere Zusammenarbeit oder lehnen wichtige Geschäftspartner die weitere Zusammenarbeit ab, so können einem Unternehmen der Privatwirtschaft schwere wirtschaftliche Schäden drohen, indem die Produktion ganz oder teilweise gestoppt werden muss oder wichtige Aufträge verloren gehen.
Diese Grundsätze können nicht uneingeschränkt auf die Verwaltungen des öffentlichen Dienstes übertragen werden. Jedenfalls in aller Regel drohen der öffentlichen Verwaltung keine Produktionsausfälle oder Auftragsverluste. Dennoch ist eine echte Druckkündigung auch im öffentlichen Dienst nicht von vorneherein ausgeschlossen (vgl. BAG 4. Oktober 1990 – 2 AZR 201/90 – und 31. Januar 1996 – 2 AZR 158/95 – betr. die Kündigung einer Krankenschwester bzw. die Leiterin eines Kindergartens). Nach Auffassung der Kammer hat das Bundesarbeitsgericht den Eintritt eines wirtschaftlichen Schadens auch nur beispielhaft für die Schäden angeführt, die im Falle einer Drucksituation eintreten können.
Im vorliegenden Fall bestand die Drucksituation für den beklagten Landkreis darin, dass er einerseits zwar die Aufgabe einer Sonderpolizeibehörde innehatte, andererseits die beiden großen Schlachthöfe für den Landkreis eine wichtige wirtschaftliche Funktion bei der Versorgung der Bevölkerung erfüllten. Die Schlachthöfe gaben und geben noch heute den Landwirten der Region die Möglichkeit, ihre Schlachttiere ortsnah zu vermarkten. Da die meisten Metzgereibetriebe im Landkreis nicht mehr selbst schlachten, sondern ihre Fleischwaren direkt von den Schlachthöfen beziehen, hätte sich ein zeitweiser „Produktionsstillstand“ negativ auf die Vermarktung der Schlachttiere ausgewirkt. Der beklagte Landkreis musste befürchten, dass ihn die Schlachthofbetreiber für Einbußen verantwortlich machen, die etwa dadurch entstehen, dass Lohnschlachtgruppen die Zusammenarbeit mit der Klägerin verweigern. Die Einschätzung der Klägerin, die Lohnschlachtgruppen seien im Subunternehmereinsatz zu jeder Zeit zu bekommen, trifft den Kern des Problems nicht. Die Schlachthofbetreiber haben naturgemäß ein Interesse daran, mit eingespielten Lohnschlachtgruppen zusammenzuarbeiten.
Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es der Zusammenarbeit mit den Schlachthofbetreibern nicht dienlich war, als diese durch die zahlreichen Ermittlungs-, Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren mit Rechtsverteidigungskosten und in der Folge dieser Verfahren auch mit den Kosten von arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen belastet waren (vgl. das Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Firma Fl. vom 14. Oktober 2014 S. 4). Der beklagte Landkreis durfte annehmen, dass bei erneut aufflammenden Konflikten zwischen den Betreibern und der Klägerin derartige Kosten erneut anfallen und die gute Zusammenarbeit belasten würden.
dd) Bei der Abwägung, welche Schutzmaßnahmen zugunsten des Arbeitnehmers ergriffen werden müssen und welche Schäden für den Arbeitgeber noch hinnehmbar sind, muss ferner berücksichtigt werden, dass der beklagte Landkreis keine Beendigungskündigung gegenüber der Klägerin ausgesprochen hat, sondern „nur“ eine Änderungskündigung. Diese war zudem mit noch überschaubaren wirtschaftlichen Einbußen für die Klägerin verbunden. Als nichtvollbeschäftigte Tierärztin hatte die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf das früher bezogene Entgelt von EUR 3.500,00 brutto. Der Tarifvertrag-Fleischuntersuchung garantierte ihr in seinem § 6 Abs. 1 Satz 1 lediglich einen Arbeitsumfang von durchschnittlich 10 Stunden pro Woche. Bei den aktuellen Stundensätzen beläuft sich hiernach das monatliche Entgelt auf 1.584,78 EUR brutto. Demgegenüber kann die Klägerin in der ambulanten Fleischbeschau einen Bruttoverdienst von 800,00 bis 1.000,00 EUR brutto erzielen.
In beiden Fällen ist das Arbeitsentgelt nicht ausreichend, um den Lebensunterhalt sicherzustellen. So stellen die Entgelte aus der Fleischbeschau nach den Erörterungen in der Berufungsverhandlung meist nur Nebeneinkünfte für im Übrigen selbständige Tierärzte dar. Mit seiner Änderungskündigung vom 18. März 2015 hat es der beklagte Landkreis der Klägerin immerhin ermöglicht, gewisse Nebeneinkünfte weiterhin zu erzielen. Nach der Mitteilung der Klägerin in der Berufungsverhandlung baut sie sich derzeit eine selbständige Existenz auf. Dies hätte sie auch dann tun müssen, wenn sie weiterhin in einem der großen Schlachtbetriebe eingesetzt worden wäre.
Zuletzt muss zugunsten des beklagten Landkreises berücksichtigt werden, dass dieser die Drucksituation nicht selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat. Er hat vielmehr auf vielfältige Weise versucht, den Konflikt zwischen den Amtstierärzten, den Schlachthofbetreibern und der Klägerin gütlich beizulegen.
4. Die Klägerin musste die ihr angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen billigerweise hinnehmen. Unstreitig verfügt der beklagte Landkreis über Einsatzmöglichkeiten für nichtvollbeschäftigte Tierärzte entweder in den beiden großen Schlachtbetrieben oder in der ambulanten Fleischbeschau. Nachdem die erstgenannte Einsatzmöglichkeit ausscheidet, verbleibt nur die zweite Einsatzmöglichkeit.
5. Ist die Änderungskündigung vom 18. März 2015 somit weder sozial ungerechtfertigt noch aus sonstigen Gründen rechtsunwirksam, ist die Änderung der Arbeitsbedingungen mit Ablauf der Kündigungsfrist des § 21 Abs. 1 TV-Fleischuntersuchung wirksam geworden. Die maßgebliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Quartalsende. Somit ist die Änderung der Arbeitsbedingungen zum 30. Juni 2015 wirksam geworden.
Kritik in 5 Punkten:
1. Im vom LAG Baden-Württemberg vertretenen Maßstab gemäß seinem oben zitierten Leitsatz liegen Illusion und Gefahr zugleich. Die Illusion besteht in der Hoffnung auf Erzielung einer Fortbildung des Rechts, die nicht eintreten kann. Im Fall einer echten Druck(änderungs)kündigung divergiert eine Relativierung der Bemühungen des Arbeitgebers, sich je nach Verursachungsbeitrag des Arbeitnehmers schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, vom Prinzip der „ultima ratio“, das vom BAG durchgängig seit BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB vertreten wird. Hiernach muss der Arbeitgeber alles ihm praktisch Zumutbare tun, um den Arbeitnehmer vor der Bedrohung durch Dritte zu bewahren. Seit BAG AP Nr.8 zu § 626 BGB werden auch Beiträge des Arbeitgebers zur Drucksituation im Rahmen der „Inschutznahme“ des Arbeitnehmers in die Beurteilung miteinbezogen. Die Provokation der Drucksituation, auch durch Verursachungsbeiträge des Arbeitgebers, bemisst sich gemäß der Rspr. des BAG nach dem Kriterium der Vorwerfbarkeit und damit nach dem Kriterium der Schuld. Treffen Provokation des Arbeitgebers durch schuldhaftes Handeln und reine Verursachungsbeiträge des Arbeitnehmers aufeinander, sind die Maßstäbe zur Beurteilung des jeweiligen Handelns nicht deckungsgleich und damit hinsichtlich des Ergebnisses der jeweiligen Gewichtung nicht steuerbar. Selbst für den Fall, dass allein eine Provokation durch den Arbeitgeber erfolgt oder für den Fall, dass der Arbeitnehmer die Drucksituation allein verursacht, wäre es nicht nachvollziehbar, insoweit unterschiedliche Maßstäbe anzuwenden (Art. 3 Abs.1GG).
2. Die Gefahr besteht darin, dass der im Rahmen besonderer Gefahrenabwehr tätige Mitarbeiter auch in der Folge rechtmäßigen Verhaltens Gefahr läuft, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn es bei der „Inschutznahme“ des Arbeitnehmers nur auf Verursachungsbeiträge ankommt (hier :Tierschutz-und hygienerechtliche Überwachungstätigkeit in Schlachthöfen durch amtliche Tierärzte). Dies führt zu einem potentiellen Loyalitätskonflikt zwischen dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung einerseits und der Sorge auf Erhaltung des Arbeitsplatzes andererseits, vor dem der Arbeitnehmer aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips zu bewahren ist. Dies gilt erst recht für den Fall, dass- wie hier- die Klägerin in einem Kündigungsschutzprozess obsiegt, in dem gleichzeitig ein Auflösungsantrag zurückgewiesen wird, der mit den gleichen Tatsachen substantiiert wurde, die nunmehr die Drucksituation begründen. Weder bilden Betriebe und ihre Mitarbeiter einen übergeordneten Gerichtshof in Form einer „4.Instanz“ noch ist das Recht dasjenige, was Mitarbeitern oder den von hoheitlichem Handeln des Staates Betroffenen genehm ist. Recht ist auch nicht einer Art „postfaktischem Rechtsgefühl“ auszuliefern, das sich nicht mehr an Fakten orientiert, sondern lediglich an Vorurteilen, die tatsächliche Feststellungen des Gerichts entbehrlich machen. Die Rechtmäßigkeit des Verhaltens ist im Rahmen der betriebsbedingten objektiven Druckkündigung zwar auf der ersten Beurteilungsstufe ohne Belang, bei der das Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmer selbst (etwa seine angebliche Prinzipientreue) nur der mittelbare Anlass für eine notwendige Entscheidung des Arbeitgebers zur Erhaltung möglichst vieler Arbeitsplätze darstellt; auf der zweiten Stufe der „Inschutznahme“ wird aber der Arbeitgeber auf der Grundlage seiner Fürsorge für den Arbeitnehmer auch und insbesondere auf die Rechtmäßigkeit des Verhaltens ( hier: Erhebung einer Fachaufsichtsbeschwerde oder die Erstattung von Strafanzeigen) und auch auf die Berechtigung von Anschauungen wie Prinzipientreue, deren Unterfall auch die Rechtstreue ist, abheben müssen, um so Dritte von der Druckausübung abzubringen.
3. Ist der Staat Adressat einer Druckausübung durch Dritte, ist jedenfalls im Falle der Anwendbarkeit des besonderen, aber auch allgemeinen Polizeirechts, der Staat dahingehend gefordert, Angriffe auf die Dispositionsbefugnisse der Behörde, über ihren Personaleinsatz nach eigenem Ermessen zu entscheiden, als polizeiliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begreifen und die Abwehr der Drucksituation durch verwaltungsrechtliche Maßnahmen (polizeirechtliche Unterlassungsverfügung, Duldungsverfügung zur Durchsetzung der Beschäftigung des Arbeitnehmers) in die Wege zu leiten. Dies betrifft bereits das erste Merkmal („Druck“) auf der ersten Stufe im Rahmen des für die objektive Druckkündigung anzuwendenden Prüfungsschemas. Denn der Staat kann auf der Basis seines Gewaltmonopols jede Drucksituation auflösen. Dies unterscheidet ihn vom Arbeitgeber in der freien Wirtschaft, dessen notstandsähnliche Situation mit der Situation des Staates nicht zu vergleichen ist (dazu unter Punkt 4). Tut der Staat nichts, liegt in Sicht auf die nachteilige Lage der Drucksituation ein klassisches Mitverschulden auf der Basis des § 254 BGB vor, dessen entsprechende Anwendbarkeit seit BAG AP Nr. 3 zu § 626 BGB außer Diskussion steht. Im Rahmen der Grundvorstellungen eines geordneten Gemeinschaftswesen ist es nicht denkbar, dass private Dritte (Belegschaft, Fremdarbeitgeber und sonstige Subordinierte) sich im Wege von Druckausübungen ihnen genehmes, möglichst „stressfreies“ Personal zur Zusammenarbeit oder Überwachung eines Betriebes „heraussuchen“. Dies gilt für Amtstierärzte, für die Mitarbeiter eines Bauverwaltungsamts oder den Einsatz eines Steuerprüfers gleichermaßen. Die Verfestigung einer hieraus resultierenden Gefahrenlage durch Unterlassen gebotenen Handelns ist nicht damit zu rechtfertigen, dass die hierdurch eintretende Gefahr einer Betriebsstilllegung oder eines Produktionsausfalls von Schlachthöfen, verbunden mit der Folge einer potentiellen Marktstörung in der Vermarktung von Frischfleisch, als höherwertig zu betrachten wäre. Polizeiliche Maßnahmen finden oftmals im schwierigsten Umfeld statt. Dies wird bei jeder Hausbesetzung sichtbar, bei der die Räumung möglicherweise zu schweren Schäden für andere Rechtsgüter der Allgemeinheit und der Bürger führt, wenn im Anschluss Steine fliegen, damit Leib und Leben gefährdet und Fahrzeuge in Brand gesetzt und zerstört werden. Aufgaben in der Fleischbeschau, besonders bei der Bekämpfung von Tierseuchen, können dazu führen, dass Betriebe zeitweise oder gar endgültig stillgelegt werden müssen. Im Falle des Drohens von Nachteilen als Folge polizeilichen Handelns zum Abbau von Druckausübungen Dritter bewirkt die mögliche Ausweitung der Gefahrenlage lediglich, dass die Gefahrenabwehr zunächst in der Form erfolgt, dass bestimmte polizeiliche Maßnahmen im Wege der Anhörung im Anfang nur „angedroht“ werden, um -ggf. auch im Wege von Verhandlungen- den rechtmäßigen Zustand unter kontinuierlichem Aufbau eines Gegendrucks nächstmöglich wieder herzustellen. Deeskalation und die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit polizeilicher Mittel bedeutet nicht die Aufgabe des Rechts. Wer jedoch als staatliche Behörde dem Recht überhaupt keine Chance gibt, wirkt am Bestehenbleiben der Drucksituation mit und wird sich auf dieselbe auch nicht berufen können.
4. Die vom LAG zitierte Entscheidung des BAG 6 AZR 420/12 rechtfertigt die betriebsbedingte objektive Druckkündigung mit der drohenden Havarie des Schiffes, in der der Betrieb zum Rettungsboot wird. Um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten, entscheidet sich der Arbeitgeber für Maßnahmen gegenüber dem durch Druck betroffenen Arbeitnehmer, indem er das kleinere Übel wählt, um das große Übel des Wegfalls besonders vieler Arbeitsplätze zu vermeiden. Dort, wo der Staat zur Durchsetzung des Rechts arbeitet, ist der Preis des einen um den Preis des anderen nicht zu haben. Denn das Recht steht über dem Betrieb. Erkennbar wird dies insbesondere beim „umgekehrten“ Geschäftsmodell des Staates im Rahmen seiner generalpräventiven und repressiven Tätigkeit, in deren Rahmen er es sich mit seinen „Kunden“ am Ende aller schonenderer Mittel regel(ge)recht verderben muss, auch wenn in der Folge der „Kunde“ seinen Betrieb einstellt. Je weniger „Kundenkontakte“, umso besser, auch wenn am Ende Arbeitsplätze im Betrieb der Behörde zum Zwecke der Gefahrenabwehr wegfallen.
5. Vor dem Hintergrund des vorgenannten Pflichtenprogramms ist es nicht hinnehmbar, wenn eine besondere Polizeibehörde schon davon dispensiert sein soll, gegenüber beamteten Leistungsverweigerern disziplinarische Maßnahmen anzudrohen oder gegenüber angestellten Tierärzten auch nur auf die Dienstwidrigkeit von Boykottmaßnahmen gegenüber einer Mitarbeiterin hinzuweisen. Davon wird man nicht krank. Gleiches gilt für Maßnahmen gegenüber den beteiligten Schlachthöfen, insbesondere wenn sie kartellartig zu Hausverboten greifen, um eine Mitarbeiterin an ihrer Tätigkeit zu hindern. Darauf, dass sich die Schlachthöfe nicht generell gegen eine Überwachung gestellt haben, kommt es nicht an. Denn die Person der Mitarbeiterin ist nur der mittelbare Anlass dafür, dass die Behörde Entscheidungen dahingehend zu treffen hat, dass ihr Personaleinsatz nicht fremdbestimmt wird. Schließlich kann der Druck gegenüber der Klägerin von heute bereits morgen der Druck gegenüber einem anderen Mitarbeiter sein. Im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols waltet der Staat nach Maßgabe des Rechts allein. Allein er ist berechtigt, im Verhältnis zum Bürger mit Druck die Unausweichlichkeit einer Situation herbeizuführen. An diesem Grundsatz wird sich auch die objektive betriebsbedingte Kündigung messen lassen müssen.
Die Kanzlei hat ihren Ursprung in der im Jahre 1954 gegründeten Ulmer Rechtsanwaltskanzlei A. Leibold, übernommen und fortgeführt von Dr. Jochen Leibold, mit Sitzverlegung nach Nürtingen und Übernahme der Kanzlei Jens Hagen Urtel im Jahre 1988, seit 1993 in Sozietät mit Rechtsanwalt Wolfgang Schmid.
Ab dem Jahr 1999 wurde die Kanzlei kontinuierlich verstärkt durch Herrn Rechtsanwalt Mathias Hopp, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, im Jahre 2001 durch Frau Rechtsanwältin Katjana Gruber-Weckerle, Fachanwältin für Familienrecht, im Jahr 2004 durch Frau Rechtsanwältin Melanie Klößner, Fachanwältin für Familienrecht.
Wir kooperieren auf der Basis langjährig erprobter Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern, Bausachverständigen, Kfz-Sachverständigen, einem IT-Sachverständigen und Ärzten in der Region und sichern damit unsere Mandanten mit der jeweiligen – zusätzlichen – Fachkompetenz ab.
Besonders fruchtbar und gefragt ist unsere Kooperation „Recht | Wirtschaft | Steuern“ mit Herrn Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Christoph Cramer, Am Eichenhain 42, 70619 Stuttgart (Sillenbuch). Im Rahmen dieser Kooperation versuchen wir bei der Restrukturierung von Unternehmen unseren Beitrag zu leisten, helfen GmbH-Geschäftsführern in der Krise der Gesellschaft und Gesellschaftern bei gesellschaftsinternen Auseinandersetzungen.
Kontakt
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