Deutsche-Bank-Chefvolkswirt warnt vor Unterschätzung der Probleme großer Euro-Länder

Der scheidende Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, hat davor gewarnt, die europäische Diskussion zu sehr auf Griechenland zu konzentrieren und die Probleme der großen Volkswirtschaften in der Euro-Zone zu unterschätzen. „Egal, ob Griechenland in der Euro-Zone bleibt oder nicht: Das Land kann allenfalls einen Blechschaden in Europa verursachen, für einen Totalschaden ist es zu klein“, sagte Mayer dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). Während bislang kleine Länder wie Griechenland, Irland und Portugal im Fokus gestanden hätten, richte sich jetzt das Scheinwerferlicht auf die großen – und damit auf Staaten, die nicht unter den dauerhaften Rettungsschirm ESM passten.

„Spanien und Italien sind einfach zu groß, um aufgefangen werden zu können“, warnte der Ökonom. Natürlich müsse für Griechenland weiter gelten, dass es Finanzhilfen nur gegen Auflagen gebe, sagte Mayer. „Ansonsten würden sich andere Länder auch nicht mehr an die Konditionen halten.“ Aber auch wenn Griechenland das Programm abbreche und keine allgemeine Budgethilfe mehr erhalte, sollte sich die EU nicht vollständig zurückziehen, sondern den Schuldendienst des Staates übernehmen und die Banken stabilisieren. „Damit wäre die Gefahr eines ungeordneten Staatsbankrotts und Bankruins gebannt.“ Wenn dann der griechische Staat kein Geld mehr habe, um seine sonstigen Rechnungen zu bezahlen, könne er Schuldscheine ausgeben. Mayer bezeichnet sie als „Geuro“, die sich zu einer Parallelwährung entwickeln könnten. Die größten Sorgen bereitet Mayer aber Italien: Die Regierung um Mario Monti habe einen großen Vertrauensvorschuss bekommen, aber relativ wenig geliefert. „Monti muss sich beeilen, der Mai 2013 ist quasi das Verfallsdatum seiner Regierung“. Die Konjunktur in Italien müsse sich J-förmig entwickeln – dem tiefen, langen Absturz müsse eine Aufwärtsbewegung kurz vor der Wahl folgen. „Sonst wird die technokratische Monti-Regierung möglicherweise von Populisten abgelöst, die den Wählern die Abkehr von schmerzenden Reformen versprechen – und damit das letzte Vertrauen der Märkte verspielen. Die Folgen wären fatal“, warnte Mayer.