Deutsche Anwaltsvermittlung: Pflichtteilsergänzungsanspruch auch für Schenkungen vor der Geburt der Abkömmlinge

Der BGH entschied kürzlich einen Fall, in dem es um die Frage ging, ob Pflichtteilsergänzungsanrsprüche auch dann bestehen, wenn die Abkömmlinge zum Zeitpunkt der Schenkung noch nicht geboren waren.

Nach dem ihr Großvater 2006 verstorben war, machten die Kläger, 1976 und 1978 geboren, im Wege der Stufenklage Pflichtteils – und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Beklagte, ihre Großmutter, geltend. Die Klage richtete sich auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung. Die Beklagte und der Erblasser hatten 4 Kinder, wovon eines die Mutter der Kläger war, die 1984 verstorben ist. Im Jahr 2002 setzten sich die Beklagte und der Erblasser gegenseitig zu Erben ein. Die Parteien streiten nun um die Frage, ob ein Pflichtteilsergänzungsanspruch auch dann besteht, wenn die Kläger zwar zum Zeitpunkt des Erbfalls, nicht aber zum Zeitpunkt der jeweiligen Schenkung pflichtteilsberechtigt waren. Im Detail geht es vorliegend darum, ob der Auskunftsanspruch auch Schenkungen erfasst, die vor der Geburt der Kläger zugunsten der Beklagten getätigt wurden. Die Vorinstanzen haben der Auskunftsklage überwiegend stattgegeben.

Mit dem Urteil vom 23. Mai 2012 hat der BGH entschieden, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach 2325 Abs. 1 BGB nicht voraussetzt, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits zum Zeitpunkt der Schenkung bestand. Der BGH hat damit seine bisherige Rechtssprechung aufgegeben, wonach nach der sog. Theorie der Doppelberechtigung eine Pflichtteilsberechtigung zum Zeitpunkt des Erbfalls und zum Zeitpunkt der Schenkung vorliegen müsse. Neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift stellte der BGH vorallem auf den Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts ab, wonach eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen ist. Hierfür ist es unerheblich, ob der zum Zeitpunkt der Erbfalls Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war. Weiterhin sieht der BGH darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz Art. 3 Abs. 1 GG. Es würde zu einer Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers führen, wenn das Bestehen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig wäre, ob die Abkömmlinge vor oder nach der Schenkung geboren wären.

Die vollständige Entscheidung ist wesentlich umfangreicher und juristisch komplexer formuliert. Die Orginalentscheidung können Sie beim jeweiligen Gericht anfordern. Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2012 – IV ZR 250/11 –

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