Wie in den vergangenen Jahren folgt die Marktentwicklung für Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) relativ eng der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der betrachteten Länder. Gegenüber dem Vorjahr ist die gesamte europäische GFK-Produktionsmenge generell leicht gesunken. Um diese Entwicklung im Detail bewerten zu können, muss eine genaue Betrachtung der einzelnen Herstellungsverfahren, der einzelnen Länder und der einzelnen Anwendungen erfolgen. Als spezielles Segment der Kunststoffindustrie folgt die GFK-Entwicklung wie auch in den Vorjahren weitestgehend der allgemeinen Entwicklung der Kunststoffverarbeitung.
Die Produktion von GFK 2012: Gesamtentwicklung
Die GFK-Produktionsmenge wird in Europa im Jahr 2012 gegenüber 2011 um geschätzte 4 % auf 1,01 Millionen Tonnen sinken (s. Abb. 1). Damit ist die zuletzt positive Entwicklung zurück zum Niveau vor der Wirtschafts- und Finanzkrise (zunächst) wieder gestoppt bzw. verlangsamt.
Wenn man sich die Beschäftigung der Fachpresse in den vergangenen Monaten mit dem Thema Zukunft der Faserverbundkunststoffe bzw. Composites ansieht, verwundern diese Zahlen zunächst vielleicht. Insbesondere der Medienhype um das Thema des Einsatzes von Kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK) in der automobilen Großserie lässt eine rosige Zukunft aller Beteiligten vermuten. Allerdings kehrt langsam eine realistische Betrachtung hinsichtlich der momentanen Möglichkeiten ein.
Tendenzielle Entwicklungen von Verfahren/Teilen
Die europaweit insgesamt sinkende Nachfrage in der Fahrzeugproduktion schlägt auch auf die Entwicklung der duroplastischen SMC- (Sheet Moulding Compound) Teile durch. Das im vergangenen Jahr relativ stärkere Wachstum von Anwendungen in der Fahrzeugindustrie verändert sich jetzt wieder zu Gunsten des Elektro- und Elektronikbereiches (E & E). Das ist ein Grund dafür, dass sich die BMC- (Bulk Moulding Compound) Produktion mit Haupteinsatz in diesem Bereich geringfügig wachsend entwickelt, während SMC-Bauteile einen Rückgang um 5 % zu verzeichnen haben. Trotzdem sollte die Bedeutung der SMC-/BMC-Herstellung im Composites-Bereich nicht unterschätzt werden: Immerhin macht die produzierte Menge knapp ein Viertel der gesamten europäischen GFK-Menge aus.
Die im Vergleich zu den anderen Verfahren schon im vergangenen Jahr weniger gute Entwicklung bei den mit den Offenen Verfahren (Handlaminieren, Faserspritzen) produzierten Bauteilen geht tendenziell weiter. Nach der Stagnation im vergangenen Jahr ist hier in 2012 der im GFK-Markt relativ stärkste Einbruch um insgesamt 9 % festzustellen.
Die RTM- (Resin Transfer Moulding) Verfahren und damit hergestellte Bauteile haben mit dem Nullwachstum in diesem Jahr mit ihrer Entwicklung noch vergleichsweise gut abgeschnitten. Die Herstellung von GFK-Platten in kontinuierlichen Verfahren verzeichnet als eines der wenigen Verfahren noch ein kleines Wachstum. Der Markt für GFK-Pultrusionsprofile dagegen verzeichnet bei weiterhin relativ niedrigem Produktionsmengen-Niveau einen Rückgang von 8 %. Auch die Herstellung von Rohr- und Tankbauteilen mit Schleuder- bzw. Wickelverfahren entwickelt sich deutlich rückläufig. Glasmattenverstärkte Thermoplaste (GMT) und Langfaserverstärkte Thermoplaste (LFT) als die einzigen hier betrachteten Verfahren mit nicht duroplastischer Matrix entwickeln sich in 2012 mit einem Wachstum von 6 % deutlich überdurchschnittlich.
Die Anwendungsindustrien im Überblick
Abb. 2 gibt einen Überblick des im Zeitablauf weiterhin nahezu unveränderten Anteils der einzelnen Anwendungsindustrien am Einsatz von GFK-Bauteilen. Jeweils ein Drittel der gesamten Produktionsmenge wird für den Transportbereich und für den Baubereich hergestellt. Weitere Absatzmärkte sind der Elektro-/Elektronikbereich (E & E) sowie das Segment Sport und Freizeit. Neben dem Pkw- und Nutzfahrzeugbau zählen auch Bauteile für Schienenfahrzeuge, den Bootsbau sowie die Luftfahrt zum Transportbereich. Im Baubereich gibt es neben dem Leitungsbau und Infrastrukturprojekten insbesondere den industriellen Anlagenbau und auch die Herstellung von Windkraftflügeln. Der Sport- und Freizeitbereich ist das einzige GFK-Segment, in dem Produkte vor allem direkt für Endabnehmer gefertigt werden.
Die GFK-Produktion 2012: Länder-Betrachtung
Die Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern (s. Abb. 3) hängt eng mit den jeweiligen regionalen Hauptanwendungsindustrien und der jeweiligen volkswirtschaftlichen Entwicklung zusammen.
Weiter zu erwartende Absatzrückgänge für Automobile in den südlichen Ländern Spanien, Italien und Frankreich verstärken die Schwäche dort und schlagen sich direkt auch auf die GFK-Zulieferunternehmen nieder. Rezession bzw. rückläufige Inlandsnachfrage wie etwa in Spanien haben zudem Auswirkungen auf alle Sektoren einer Volkswirtschaft, also auch auf die für die GFK-Herstellung relevante Bauindustrie oder den E & E-Bereich.
Das stärkste Wachstum der GFK-Produktion in Europa im Jahr 2012 gibt es in Deutschland, in Großbritannien sowie in den osteuropäischen Ländern. Einen Einfluss auf alle europäischen Länder hat die Verlagerung von Produktion nach Indien (z. B. für SMC-Teile) oder auch der Einkauf von in China hergestellten Bauteilen (z. B. Windkraftflügel).
Die Entwicklung der Weltwirtschaft, so etwa auch der mittel- und langfristig sinkende Anteil Europas an der globalen Wertschöpfung, wird sich auch auf die GFK-Produktion auswirken. Derzeit liegt die gesamte Composites-Produktion der Weltregion Europa (inklusive auch der in diesem Bericht nicht betrachteten Länder) bei etwa einem Viertel der Weltproduktion. Der Rest verteilt sich im Wesentlichen auf die Weltregionen Nordamerika sowie zu einem größeren Anteil auf Asien.
Erstmalig werden in diesem Bericht auch die Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten und Iran mit in die Betrachtung aufgenommen. Nach Angaben des Türkischen Composites-Verbandes (TCMA) ist bei einem angenommenen Wachstum der Produktionsmenge von ca. 15 Kt in 2012 für die Türkei dieser Markt mit fast 200 Kt inzwischen größer als jedes andere betrachtete europäische Land und vor allem überdurchschnittlich stark wachsend.
Für die europäischen Hochlohnländer wird die integrierte Produktionstechnik zum absoluten Muss und Material- und Energieeffizienz immer wichtiger. Das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft und Forschung – und auch die Investition in den Wissenschaftsbetrieb – ist wesentlicher Erfolgsfaktor für die Innovationsfähigkeit auch der GFK-Industrie.
Ausblick
Insgesamt ist im gesamten Composites-Markt und speziell auch bei der durch kleine und mittlere Unternehmen geprägten GFK-Herstellung eine hohe Marktdynamik festzustellen: Die Firmen suchen nach neuen Anwendungsgebieten für ihre Produkte, diversifizieren ihr Angebot und selbst Kleinstunternehmen richten sich sowohl beschaffungs- als auch absatzmarktseitig vermehrt international aus.
Wenn das Automatisierungspotenzial (nicht nur für Commodities) genutzt wird, kann das Composites-Produktionsvolumen insgesamt künftig auch größere Wachstumsraten als in den vergangenen Jahren haben.
Marketingseitig kann vor allem die Betrachtung der Nachhaltigkeit unterschiedlicher Werkstoffe viele Vorteile für Composites gegenüber „traditionellen“ Materialien bedeuten. Bei den über den gesamten Lebenszyklus zu betrachtenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Produktion könnten vor allem die gesamtheitlich ökologischen Vorteile von GFK Substitutionspotenziale erschließen.
Es ist festzustellen, dass die Unternehmen derzeit alle Möglichkeiten nutzen, in einen Austausch mit anderen Marktbeteiligten, aber auch anderen Branchen zu kommen und sich darum kümmern, ihre Mitarbeiter bestmöglich aus- und weiterzubilden. Die für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Composites-Werkstoffe wesentlichen Erfolgsfaktoren des Bildungs- und Wissens-Vorsprungs müssen gemeinsam mit allen Unternehmen in der Wertschöpfungskette ausgebaut werden!
Der weltweite CFK-Markt
Aktuelle Marktzahlen zum Markt für kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe finden Sie
im Gesamtbericht. Dieser steht ab dem 9.10.2012 zum kostenlosen download auf unserer Internetseite www.avk-tv.de zur Verfügung.
Abbildungen unter http://www.avk-tv.de/files/20121009_gesamt_marktbericht_2012_2.pdf
Die AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V. ist der deutsche Fachverband für Faserverbundkunststoffe/Composites und vertritt die Interessen der Erzeuger und Verarbeiter auf nationaler und europäischer Ebene.
Das Dienstleistungsspektrum umfasst u. a. Facharbeitskreise, Seminare und Tagungen sowie die Bereitstellung von marktrelevanten Informationen (www.avk-tv.de)
National ist die AVK einer der vier Trägerverbände des GKV – Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie – und international Mitglied im europäischen Composites-Dachverband EuCIA – European Composites Industry Association.
Kontakt:
AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V.
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