Der Chef muss zuhören

Immer mehr Mitarbeiter fallen durch psychische Erkrankungen aus. Wie Führungskräfte im Vorfeld gezielt helfen können, zeigt SRH-Psychologe Hans Heinzen-Lasserre.

Heidelberg, 15. Juli 2011

Eigentlich war der Mitarbeiter immer zuverlässig, aber in letzter Zeit stehen Chef und Kollegen vor ein Rätsel: Zuerst wirkte er nur müde und urlaubsreif. Dann stürmte er fluchtartig aus Sitzungen. Den Kontakt zu den Kollegen brach er mehr und mehr ab, blieb bald ganz zu Hause. Die Gerüchteküche brodelt, der Chef ist ratlos. Ins Privatleben seiner Angestellten mischt er sich nicht ein.

Psychische Erkrankungen wie Depression oder Burn-Out verursachen nach Berichten der Krankenkassen mittlerweile mehr Fehltage als Bandscheibenschäden. „Bei Führungskräften herrscht eine große Unsicherheit, wie sie damit umgehen sollen, wenn ein Mitarbeiter tatsächlich krank wird“, sagt Hans Heinzen-Lasserre. Der Diplom-Psychologe begleitet an der SRH Berufliche Rehabilitation Heidelberg Mitarbeiter nach psychischen Erkrankungen auf dem Weg zurück in den Beruf. Gleichzeitig berät er Vorgesetzte in Seminaren, wie sie schon im Vorfeld angemessen reagieren können.

„Jeder Mitarbeiter ist einmal niedergeschlagen oder schlecht drauf. Das ist noch kein Anzeichen für eine Depression. Aber wenn über einen längeren Zeitraum die Motivation fehlt und der Mitarbeiter teilnahmslos wirkt, sollte der Chef handeln“, sagt Heinzen-Lasserre.

Doch wie begegnet man jemandem, der sowieso schon unter großem Druck steht? Ein Gespräch ist nach Erfahrung des Psychologen der erste Weg. Gesprächsübungen sind deshalb wichtiger Bestandteil des Seminars. Der Chef sollte vermitteln, dass es ihm nicht darum geht, den Mitarbeiter wieder zur Arbeit anzutreiben. Durch genaues Zuhören zeigt er, dass er sich ernsthaft Sorgen macht und wissen will, was den Mitarbeiter beschäftigt.

Viele Vorgesetzte betrachten diesen Aspekt zuerst mit Skepsis. „Sie denken, dass ihnen für solche Gespräche im Arbeitsalltag die Zeit fehlt. Andererseits kostet jeder Krankheitstag ein Unternehmen bis zu 400 Euro“, sagt Heinzen-Lasserre.

Damit der Chef dem Mitarbeiter anschließend Hilfe anbieten kann, vermittelt Heinzen-Lasserre Kontakte für eine medizinische Betreuung. Außerdem lernen die Führungskräfte im Seminar, wie sie ihre Mitarbeiter nach längerer Krankheit wieder ins Team integrieren können. Wenn dann statt Gerüchten und Ratlosigkeit ein sensibler Umgang mit dem Thema herrscht, ist für Heinzen-Lasserre ein erstes Ziel erreicht.

SRH Berufliche Rehabilitation Heidelberg

Die SRH Berufliche Rehabilitation bietet in Heidelberg und an 15 weiteren Standorten Maßnahmen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen über 400 Mitarbeiter. Erwachsene, die aufgrund körperlicher und psychischer Einschränkungen ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, profitieren von mehr als 40 Jahren Erfahrung. Aus einer vielfältigen Auswahl an kaufmännischen, technischen und gestalterischen Berufen wählen sie ihr persönliches Ausbildungsprogramm. Den Lernalltag erleichtern medizinische, psychologische und sozialpädagogische Angebote. Ziel ist die optimale Vorbereitung der Teilnehmer auf den Arbeitsmarkt. Träger des Unternehmens ist die SRH Holding, eine unabhängige Stiftung mit Sitz in Heidelberg.