Datenschutzbeauftragter gegen Stärkung des Verfassungsschutzes

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, warnt eindringlich davor, dem Verfassungsschutz nach dem Debakel um unentdeckte Neonazi-Morde schon alsbald mehr Macht einzuräumen. Eine Reform des Verfassungsschutzes sei zweifellos nötig, allerdings müssten zunächst die Ursachen für das Fehlverhalten des Inlandsgeheimdienstes geklärt werden, sagte Schaar der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstagausgabe). „Die internen Strukturen der Dienste müssen geändert und verbessert werden, bevor man überhaupt daran denken kann, dem Verfassungsschutz mehr Befugnisse zu geben“, sagte Schaar.

Einige der politischen Reformvorschläge „scheinen mir voreilig und mit heißer Nadel genäht“, fügte er hinzu. Schaar sagte, ihm leuchte nicht ein, weshalb „eine Konsequenz der gravierenden Fehlleistungen (des Dienstes) darin bestehen soll, ihm noch mehr Kompetenzen zu geben“. Auch bezweifelte er, dass strengere, vielleicht sogar gesetzliche Regeln zum besseren Informationsaustausch die notorische Geheimniskrämerei im Verfassungsschutz beenden und neue Pannen bei der Extremismusbekämpfung verhindern würden. Schon jetzt gebe es weitreichende Befugnisse zum Informationsaustausch, von denen die Dienste aber offenbar keinen Gebrauch gemacht hätten. „Wenn jemand blind ist, hilft es nichts, wenn man ihm befiehlt, zu sehen“, sagte Schaar. Der Bundesdatenschutzbeauftragte regte an, auch einen grundlegenden Umbau des Inlandsgeheimdienstes zu prüfen, bis hin zur Auflösung und kompletten Neuaufstellung. Alle Nachrichtendienste hätten quasi naturgegeben die Tendenz, sich zu verselbstständigen und der öffentlichen Kontrolle zu entziehen. Die Arbeitsstrukturen müssten deshalb permanent überprüft werden. „Manchmal ist es gut, verkrustete Strukturen ganz aufzubrechen und mit frischem Personal neu zu starten“, so Schaar. Er erinnerte daran, dass der Berliner Landesverfassungsschutz nach Skandalen vor mehr als 20 Jahren als eigene Behörde aufgelöst und neu aufgestellt wurde. „Ich fordere jetzt keine komplette Neuorganisation des Verfassungsschutzes. Aber man sollte über eine solche Möglichkeit nachdenken“, regte Schaar an. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stellte Schaar kein insgesamt schlechtes Zeugnis beim Datenschutz aus: „Ich kann nicht sagen, dass generell Missbrauch getrieben wird“. Er bezweifelte aber, ob die Mitarbeiter mit den Schutzvorschriften vertraut seien. „Mit großen Erstaunen“ habe er Darstellungen des BfV zur Kenntnis genommen, wonach sich die dubiose Schredderaktion von Akten über Rechtsextremisten möglicherweise mit Datenschutzgründen erkläre. Forderungen aus dem Kreis der Landesinnenminister, Löschungsfristen bei einer Verfassungsschutzreform zu verlängern, lehnte Schaar ab. Er halte sehr wenig von Fristverlängerungen für sensible Daten. Wenn nötig, etwa bei einem neuen Sachstand, könnten die Daten länger aufbewahrt werden.