Vorsicht vor Diebstahl geistigen Eigentums
Das Urheberrecht ist im Urheberrechtsgesetz (UrhG) und im Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) geregelt. Die in den Gesetzen verwendeten Formulierungen lassen großen Spielraum für Interpretationen. Allgemein bekannt ist, dass die Verwendung fremder Fotos auf der eigenen Webseite zu Problemen führen kann. Bei der Verwendung von fremden Texten – insbesondere Teilen von Texten – ist die Beurteilung einer möglichen Rechtsverletzung jedoch nicht ganz so einfach. Nach § 2 Absatz 1 UrhG sind Werke aus Literatur, Wissenschaft und Kunst urheberrechtlich geschützt. Dazu gehören auch Sprachwerke – als solche bezeichnet das Gesetz Schriftwerke, Reden und Computerprogramme. Das Gesetz sagt auch, dass nur „persönliche geistige Schöpfungen“ geschützt sind. Geprüft werden muss dies in jedem Einzelfall – zwar können auch einzelne Textpassagen urheberrechtlich geschützt sein, der übernommene Teil muss jedoch für sich genommen eine persönliche geistige Schöpfung und damit ein „Werk“ im Sinne des Urheberrechts sein. Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung stellt einige Urteile zum Thema „Urheberrecht bei Texten“ vor.
Fall 1: Verwendung eines Zeitungsartikels auf einer Internetseite
Der angestellte Redakteur einer Zeitschrift über das Thema „Jagd“ hatte einen Artikel mit der Überschrift „Gericht stoppt Sofortabschuss“ geschrieben. Der Inhaber einer Internetpräsenz, die gegen die Jagd Stellung bezieht, verwendete den Artikel im Wortlaut auf seiner Internetseite. Der Verlag der Zeitschrift sah dies als Urheberrechtsverletzung an. Es liege ein schützenswertes „Werk“ vor: Der Redakteur habe den Artikel frei formuliert, zumindest aber die zugrunde liegenden Informationen im Rahmen eines schöpferischen Schaffensprozesses ausgewählt und zusammengestellt. Die Nutzungsrechte am Artikel habe er seinem Arbeitgeber übertragen. Der Inhaber der Internetseite wandte ein, dass der Redakteur offenbar selbst 28 Zeilen des Artikels aus einem zuvor erschienenen Zeitungsartikel „Gericht stoppt Abschuss der Greußenheimer Wildsäue“ abgeschrieben habe. Seine eigenen Formulierungen beschränkten sich auf Nebensächlichkeiten. Hier handele es sich um eine nicht geschützte, sogenannte vermischte Nachricht. Diese sei nach § 49 Absatz 2 UrhG frei verwendbar. Das Gericht hielt zunächst fest, dass bei Sprachwerken die Schutzuntergrenze niedrig anzusetzen sei. Auch Zeitungsartikel seien urheberrechtlich geschützt – selbst wissenschaftliche Artikel, deren schöpferische Eigenheit überwiegend in der Form und Art der Sammlung und Anordnung der Inhalte bestehe. Trotzdem sei im Einzelfall zu prüfen, ob die übernommenen Textpassagen schutzfähig seien. Dies könne sich auch aus der Auswahl, Zusammenstellung und Anordnung der Inhalte ergeben. Hier sei nachgewiesen worden, dass der Redakteur die Texte von zwei dpa-Meldungen verwendet habe. Sein eigener Artikel sei nicht frei formuliert, sondern über längere Passagen wörtlich oder nur mit geringen Änderungen aus diesen Meldungen übernommen worden. Auch die umformulierten Textteile seien nicht besonders originell, hier seien nur jagdliche Fachausdrücke eingefügt oder Satzbau und Wortwahl geändert worden. Eine größere Zahl origineller Formulierungen sei nicht festzustellen. Auch Auswahl und Anordnung der wiedergegebenen Informationen seien bereits in den dpa-Meldungen in ganz ähnlicher Weise umgesetzt und damit keine Leistung des Redakteurs. Dieser habe hauptsächlich den Sachverhalt knapper dargestellt. Das Gericht lehnte einen Urheberrechtsschutz für den Zeitungsartikel daher ab.
Landgericht München I, Urteil vom 15.11.2006, Az. 21 O 22557/05
Fall 2: Werbetexte eines Discjockeys
Ein mobil arbeitender Discjockey hatte festgestellt, dass ein Konkurrent verschiedene Werbetexte von seiner Internetseite übernommen hatte. Diese betrafen die Begrüßung der Leser, Informationen über von ihm verwendete Musik, seine Tätigkeit insgesamt und seine Arbeitsmethoden einschließlich der Licht- und Tontechnik. Er ging gegen den Konkurrenten mit einer einstweiligen Verfügung vor. Dieser wehrte sich mit dem Argument, dass Texte wie diese auf einer Vielzahl von Webseiten zu finden seien. Derartige Werbetexte seien wegen mangelnder „Schöpfungs- und Gestaltungshöhe“ nicht schutzfähig. Das Landgericht Köln bestätigte jedoch die einstweilige Verfügung und bezeichnete die Werbetexte als Sprachwerke mit der erforderlichen Schöpfungshöhe. Dies begründeten die Richter damit, dass der Text speziell auf die Auffindbarkeit mit Suchmaschinen zugeschnitten sei. Der Verfasser berichte teilweise über sich selbst und seine Musikerfahrung in seiner Jugend. Außerdem seien die Texte individuell und teilweise „pfiffig“ formuliert. Bei einem frei erfundenen Text von gewisser Länge sei die sogenannte „kleine Münze“ des Urheberrechts – also der geringste an Textwerke anzulegende Maßstab, damit diese schutzfähig seien – schneller erreicht als bei anderen Arten von Texten, wie etwa Sachtexten.
Landgericht Köln, Urteil vom 12.08.2009, Az. 28 O 396/09
Fall 3: Werbung für Webdesign
Das Landgericht Berlin hatte sich mit einem Streit zwischen zwei Webdesign-Unternehmen zu befassen. Auch hier war ein Unternehmen gegen ein anderes vorgegangen, weil dieses Homepage-Werbetexte übernommen hatte. Das beklagte Unternehmen hatte nach einer Abmahnung zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben, die Zahlung der Abmahnkosten jedoch verweigert. Im Prozess äußerte das beklagte Unternehmen Zweifel daran, dass die Texte von den Mitarbeitern der Konkurrenz überhaupt selbst geschrieben worden seien. Außerdem unterlägen diese nicht dem Schutz des Urheberrechts, weil sie lediglich knappe, aus der Natur der Sache resultierende Beschreibungen seien. Diese seien eine rein handwerkliche, aber keine schöpferische Leistung. Das Gericht schloss sich dieser Ansicht nicht an und gestand der Gegenseite die Abmahnkosten zu. Eine Urheberrechtsverletzung liege hier vor, weil die Werbetexte speziell auf den Geschäftszweck und das Unternehmen der Klägerin abgestimmt seien. Eine identische, parallele Verwendung der Texte durch einen Mitbewerber würde den Erfolg der Werbung als einer individuellen Präsentation des Angebotes zunichtemachen. Selbst wenn die Texte z. B. von einer Werbeagentur verfasst worden wären, sei diese dem Gericht zufolge nicht zum Verkauf an weitere Kunden berechtigt gewesen, da der Zweck von Werbetexten nun einmal die individuelle Werbung für den betreffenden Auftraggeber sei. Die Texte selbst ließen eine individuelle, schöpferische Tätigkeit erkennen, die sie aus der „Masse des Alltäglichen“ abhebe. Eine rein handwerkliche Leistung liege hier nicht mehr vor. Dies zeige sich z. B. in der direkten Fragestellung, mit der die Wünsche des Kunden vorweggenommen würden. Geringfügige Änderungen durch das beklagte Unternehmen sprächen nicht gegen eine Urheberrechtsverletzung.
Landgericht Berlin, Urteil vom 26.01.2006, Az. 16 O 543/05
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