Coole Reisefotografie aus Norderney und Föhr

Reisephotographie als Kunst der Weltendeutung : Föhr und Norderney. Zwei neue Bildbände stellen sich vor

Die Inseln vor der deutschen Küste sind als Urlaubsorte beliebt. Zwei neue Bildbände zeigen deren Welt von einer anderen Seite, als sie der normale Tourist wahr nimmt. Sie sind Zeugnisse einer erkenntnistheoretisch geleiteten Form von Reisefotografie.

Was zeigen diese Bilder?

Zeigen sie zerplatzte Träume unberührter Natur? Wenn Reisephotographie zu romantisch ist, dann kann ihm angesichts des allumfassenden Modernisierungsprozesses Enttäuschung nicht
erspart bleiben. Er sieht sich mit der Unvollkommenheit der Moderne konfrontiert, für die Ethik nur noch ein lästige Zeiterscheinung Ewiggestriger ist, auch was die Zerstörung von Landschaften angeht. Er weiß ihr nichts entgegenzustellen, was nicht als Flucht ausgedeutet werden könnte, so sinnlos diese auch ist. So vermag Reisephotographie die Pose des bloßen Protestes anzunehmen. Bisweilen erscheinen Reiseberichte als Berichte der totalen Mobilmachung gegen die Natur.

Bisweilen ist der Aspekt der Verwertbarkeit von Bildern, die noch gar nicht gemacht worden sind, Leitmotiv bei der Wahl des Reizeziels. Ergebnis sind dann Bilder, die der Photograph bereits im Kopf hat, bevor er überhaupt seinen Fuß in ein Flugzeug setzte, einfach, weil er ähnliche Bilder bereits tausendfach sah und er weiß, dass seine künftigen Betrachter nichts so sehr wünschen, wie die immergleichen Bilder immer wieder zu sehen. Es gibt Kreaturen, die werfen ihre umfangreichen Dia-Archive in den Müll und behaupten dann von sich, sie würden jetzt das Selbe noch einmal photographieren, aber diesmal digital. Mit den Mitteln technischer Bildbearbeitung wird dann das Vorgefundene in das Fratzenhafte verändert.

Es gilt, sich vor dergleichen Falschenerfahrung zu schützen und bei der Photographie der eigenen Wahrhaftigkeit zu folgen. Wenn diese Wahrhaftigkeit aus dem immer wieder Reproduzieren des längst gesehenen besteht, so sollte der Photograph die Konsequenz ergreifen und mit der Photographie aufhören.

Reisen ist in den modernen Gesellschaften zu einem repräsentativen Staatsakt geworden. Hierdurch ergeben sich Probleme für die Wahrnehmung des Gesehenen durch den Reisefotografen. Die Dinge zu betrachten kann zu einem subversiven Akt werden, weil der Ausschnitt, der dokumentiert werden darf, durch die Wahrnehmung durch normierte Kreaturen vorgegeben ist. Weicht der Reisephotograph von diesem Diktat ab, so sind seine Bilder subversiv. Tourismus, Schreiben und Photographieren sind in der Moderne weitgehend instrumentalisiert. So kann Reisen und Reisephotographie in mehrfachem Sinne zu einem Selbsterkenntnisprozeß für den Reisephotographen werden, der durch das Verbreiten seiner Bilder verdichtet werden kann. Auch die Bilder, die er nicht zeigt, haben hohen Wert für den Prozeß dieser Selbsterkenntnis. Die Kriterien der Auswahl sind nur dem Reisephotographen bekannt, seine Offenheit und seine Neigung zur Selbstzensur kennt nur er.

Reisephotographie sollte sich nicht auf das Klischee der „Erfüllung“ einlassen. Das Leben der Menschen, denen man auf Reisen begegnet, ist nicht erfüllter als das eigene Leben. Auch dort, wohin wir reisen, hat die Einebnung aller Lebensbereiche durch Technik und Industrie so große Fortschritte gemacht, dass Desillusionierung den schwarz schattierten Hintergrund der Darstellung ausmachen müsste.

Die Moderne, der der Reisephotograph ausgeliefert ist, breitet sich unentrinnbar aus und verwandelt durch technischen Fortschritt Fremdes in Eigenes. Ferne und Fremde verschmelzen mit dem durch Reisephotographie transportierbaren Eigenen zu einer amorphen Gestalt der Beliebigkeit, sofern sich der Reisephotograph nicht dafür hütet, Bilder zu photographieren, die es längst vielfach gibt. Diese Gefahr ist groß, vor Ort nur das aufzusuchen, was bereits aus zahllosen anderen Photographien bekannt ist.

Es ist auch bei weiter Reise kaum noch möglich, etwas anderes als Landschaften zu photographieren, die nicht in den Charakter einer industriellen Zulieferanstalt verfallen sind. Die horrenden Schäden, die Windkraftanlagen in unseren Landschaften anrichten, zeugen davon. Natur und Landschaft sind selten so drastisch als Lieferanten für industrielle Erzeugnisse entwertet worden wie durch diese neue Technik. Jede Naturlandschaft wird zu einer Planlandschaft. Die Zeichen dafür sind an wirklich entlegenen Orten noch nicht sehr auffällig, aber es ist nicht unwahrscheinlich, im tiefsten Patagonien auf Cola-Dosen am Strand zu stoßen. Soll der Reisephotograph diesen Wandel dokumentieren?

Die Norderney-Tagebücher.
Rainer Strzolka und Susanne Engelmann-Strzolka
Hardcover
224 Seiten farbig
ISBN: 9783844237825
Handsignierte und limitierte Vorzugsausgabe 148 Euro

Insel Föhr – ein Reiseführer in 193 Photographien
Rainer Strzolka (Fotograf) und Susanne Engelmann-Strzolka
Softcover
90 g/m² weiß, matt
200 Seiten farbig
ISBN 3-8442-2440-5
Verkaufspreis
48,00 €

Beide Bände sind auch für jeweils 4,99 € als e-book zu beziehen über www.epubli.de