Lehrgang zu fremdländischen Einflüssen auf Renaissence- und Barocktänze.
Im Rahmen der „12. Etappe für Historischen Tanz und Alte Musik“ spürt der Tanzworkshop in diesem Jahr den exotischen Einflüssen in frühen Tanzbeschreibungen nach. Die Referentin Jadwiga Nowaczek lädt vom 9. bis 11. März 2012 in die hessische Akademie BURG FÜRSTENECK ein. Parallel finden sieben Musikkurse statt, so dass die Tänzer phasenweise in den Genuss von Livemusik kommen werden. Die Teilnehmenden wohnen in den kürzlich renovierten Unterkunftszimmern mit eigener Nasszelle und werden von der oft gelobten Burgküche verpflegt. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sind in den Kursgebühren bereits enthalten.
Ende des 16. Jahrhunderts sind die ersten Tanzbeschreibungen überliefert, die der Lust am „Exotischen“ Rechnung trugen. Am besten überliefert ist der Canario (frz. Les Canaries) mit seinen an Flamenco oder Stepptanz erinnernden Schlagschritten, der sowohl bei den italienischen Tanzmeistern Caroso, Negri und Santucci in vielen Variationen wie auch bei dem Franzosen Arbeau beschrieben ist. Arbeau schreibt 1588: „Einige sagen, dass dieser Tanz auf den Canarischen Inseln im Gebrauch und dort allgemein üblich ist. Andere, deren Meinung ich mich lieber anschließe, behaupten, dass er aus einem Ballett stammt, das für eine Maskerade komponiert wurde, wo die Tänzer als Könige und Königinnen von Mauretanien gekleidet waren oder auch auf die Art von Wilden mit verschiedenfarbigen Federn.“ Aus dem sich anschließenden Text geht hervor, dass der Canario von einem Tanzpaar ausgeführt wurde, das sich wechselseitig immer neue Tanzpassagen vortanzte, die „lebhaft und nichtsdestoweniger fremdartig und bizarr sind und denen man stark das Wilde anmerkt. Sie lernen sie von denen, die sie beherrschen, und sie können auch selber neue erfinden.“ (Arbeau fol.95v., Übersetzung d. Verf.) Der Canario scheint also improvisiert gewesen zu sein. Was Arbeau an Variationen angibt, ist allerdings mager im Vergleich zu dem wahren Schritt- und Passagen-Feuerwerk, das in den Tanzbüchern von Caroso, Negri und Santucci zu finden ist. Eine Auswahl daraus soll in diesem Kurs erarbeitet und improvisatorisch in den Tanz eingebunden werden. Und natürlich auch die eigenen Variationen …
Es ist sicher kein Zufall, dass die Maskentänzer Arbeau“s Könige und Königinnen von Mauretanien darstellten. Die Mauren, in der Verballhornung die „Mohren“ waren im 15. und 16. Jahrhundert auch der Sammelbegriff fremder exotischer Menschen überhaupt. Der Moriskentanz, dessen Wurzeln mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, ist in diesen Zusammenhang eingebettet. Hauptsächlich ist er durch bildliche Darstellungen überliefert, die die Tänzer in grotesk verdrehten Haltungen zeigen. Oft steht eine Dame in der Mitte, um die sich der Tanz sprichwörtlich „dreht“. Es ist wiederum Arbeau als einziger, der uns konkrete, wenn auch spärliche Anweisungen über die Ausführung eines solchen Tanzes gibt. Interessanterweise sind die Schritte ganz den Canario-Schritten ähnlich. Die berühmten Morisken-Figuren von Erasmus Grasser aus dem Münchner Rathaus (1480) sollen uns zusätzlich für diesen Tanz inspirieren.
Um dem Oberthema dieser Etappe „Alla Turca“ gerecht zu werden, wirft der Tanzkurs auch einen Blick in die Barockzeit, in der die Bedrohung durch die kriegerischen Türken Europa in Angst und Schrecken versetzte, aber auch dazu führte, dass man sich mit dem „Türkischen“ auseinandersetzte. Es entstand so etwas wie eine „Türken-Mode“, die Einzug in Literatur, Oper und Ballett hielt. Der gesamte letzte Akt des Balletts „Europe Galante“ von André Campra ist mit „La Turquie“ überschrieben, und zu einem Tanz hieraus ist ein schöner Kontratanz erhalten mit dem Titel „The Great Turk“ (Essex 1710), der außer diesem Titel sicher nichts weiter Türkisches enthält.
Die Tanzmeisterin Jadwiga Nowaczek hat eine klassische Tanzausbildung, sowie ein Studium der Schulmusik, Rhythmik und Musikwissenschaft. Seit 1980 spezialisierte sie sich auf die Rekonstruktion von historischen Tänzen nach den Primärquellen. Sie tanzt als Solistin und ist Leiterin mehrerer Tanzgruppen, Choreographin sowie Lehrerin für Renaissance- und Barocktanz.
Weitere Informationen und Anmeldung unter:
www.altemusik.burg-fuersteneck.de
In dem Bildungsschwerpunkt „Alte und Frühe Musik“ findet am 25.02.2012 ein Konzert mit Musik des Mittelalters auf BURG FÜRSTENECK statt.
Siehe: www.burg-fuersteneck.de/nachrichten/artikel_129.htm
Im Oktober 2012 beginnt eine neue Fortbildungsreihe zur „Musik des Mittelalters – Frühe Musik der Hohen Stände“.
Siehe: www.burg-fuersteneck.de/fortbildung/mittelalter-musik
BURG FÜRSTENECK, Akademie für berufliche und musisch-kulturelle Weiterbildung in Hessen bietet ein inhaltlich weit gefächertes offenes Seminarangebot für berufliche, musisch-kulturelle und persönliche Bildung. BURG FÜRSTENECK wird von einem „Runden Tisch“ unterschiedlicher gesellschaftlicher Institutionen getragen und durch das Land Hessen finanziell gefördert. Die BURG FÜRSTENECK wurde gerade aufwendig renoviert und bietet ansprechende Seminar- und Unterkunftsmöglichkeiten für ca. 70 Personen in einem komfortablen Ambiente in den trutzigen, mittelalterlichen Burgmauern.
Kontakt:
BURG FÜRSTENECK – Akademie für berufliche und musisch-kulturelle Weiterbildung
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