Das neue Gesetz zum Rechtsschutz gegen überlange Verfahren sieht eine angemessene Entschädigung vor, wenn gerichtliche Verfahren zu lange dauern.
GRP Rainer LLP
GRP Rainer Rechtsanwälte Steuerberater, Köln, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Hamburg, München www.grprainer.com erläutert: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) beanstandet seit vielen Jahren das Fehlen eines besonderen Rechtsschutzes bei unangemessen langen Verfahren in Deutschland. Die erste Verurteilung Deutschlands durch den EGMR erfolgte im Jahr 2006. Da der Rechtsschutz in Deutschland trotz zahlreicher weiterer EGMR-Urteile nicht verbessert wurde, hat der EGMR ein sogenanntes „Piloturteil“ gegen Deutschland erlassen und eine Frist bis Dezember 2011 zur Schließung der Rechtsschutzlücke gesetzt.
Das Gesetz soll den Betroffenen die Möglichkeit geben, sich in zwei Stufen gegen überlange Gerichtsverfahren zu wehren.
Auf der ersten Stufe müssen die Betroffenen das Gericht, das nach ihrer Ansicht zu langsam arbeitet, mit einer Rüge auf die Verzögerung hinweisen. Das hilft, überlange Verfahren von vornherein zu vermeiden. Die Richter erhalten durch die Verzögerungsrüge die Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen. Das bedeutet: Man kann einem Verfahren nicht einfach seinen langen Lauf lassen und später eine Entschädigung fordern.
Wenn sich das Verfahren trotz der Rüge weiter verzögert, kann auf der zweiten Stufe eine Entschädigungsklage erhoben werden. In diesem Entschädigungsverfahren bekommen die betroffenen Bürger für die sog. immateriellen Nachteile – zum Beispiel für seelische und körperliche Belastungen durch das lange Verfahren – in der Regel 1200 EUR für jedes Jahr, soweit eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht ausreichend ist. Neben dem Ausgleich für die immateriellen Nachteile ist zusätzlich eine angemessene Entschädigung für materielle Nachteile vorgesehen, etwa wenn die unangemessene Verfahrensdauer zur Insolvenz eines Unternehmens führt.
Der neue Entschädigungsanspruch hängt nicht von einem Verschulden ab. Es kommt also nicht darauf an, ob den Richtern ein Vorwurf zu machen ist. Neben der neuen Entschädigung sind zusätzlich – wie bisher schon – Amtshaftungsan-sprüche denkbar, wenn die Verzögerung auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung beruht. Dann kann umfassend Schadensersatz verlangt werden, etwa auch der Ersatz von entgangenem Gewinn.
Der Schutz vor überlangen Verfahren soll positive Effekte für die Justiz insgesamt bringen. Wo viele berechtigte Klagen wegen der Verfahrensdauer erfolgen, werden die Verantwortlichen über Verbesserung bei Ausstattung, Geschäftsverteilung und Organisation nachdenken müssen. Der Gesetzentwurf stärkt somit nicht nur den Rechtschutz vor deutschen Gerichten, sondern auch die deutschen Gerichte selbst.
Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 29.9.2011 beschlossen, dem der Bundesrat am 14.10.2011 zustimmte.
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