Wenn sich im Juni die Staats- und Regierungschefs in Brasilien treffen um über eine global nachhaltige Entwicklung zu diskutieren, stellt sich auch die Definitionsfrage einer nachhaltigen Wirtschaft. Lange hat es gebraucht, bis sich die Regierungen auf Grundleitlinien einer Begrifflichkeit „Green Economy“ geeinigt haben. Über ein Jahrzehnt wurde die „Grüne Bewegung“ ohne ein gemeinsames politisches Bild geprägt und hat so zum heutigen, vieldeutigen Begriff der Green Economy geführt. Viele sprechen auch von „green washing“.
Ein sich langsam etablierender Grundkonsens ist, dass die Green Economy sich am Ziel einer „naturverträglichen Niedrig-Emissions-Wirtschaft“ orientiert. Um diesen Weg zu beschreiten, ist natürlich eine gestaltende Ordnungspolitik als Voraussetzung erforderlich, die innovationsorientiertes Wirtschaften fördert und kontinuierlich schädliche Emissionen und Schadstoffeinträge in der Umwelt reduziert. Bei allen Fortschritten, die in den letzten Jahren unter diesem Thema erlangt wurden, wissen wir jedoch, dass die Green Economy nur eine Transformationsstufe hin zum Paradigmenwechsel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung sein kann.
Am 10. Februar 2012 erklärte die UNEP in einer Pressemitteilung:
“Mediterranean countries and the European Union meeting in Paris have called for a „blue“ economy to be set up to safeguard and promote a clean, healthy, productive Mediterranean environment.”(*1)
Der Schöpfer des Begriffes Blue Economy, Prof. Gunter Pauli, freut sich darüber, dass UNEP und die Mittelmeer-Staaten seinen Begriff „Blue Economy“ aufgreifen für eine zweifellos erfreuliche Initiative zum Schutz einer sauberen, gesunden, produktiven mediterranen Umgebung. Mit dem Bericht „Green Economy in a Blue World“ machen die Vereinten Nationen auf das Potenzial der Ozeane aufmerksam: Wirtschaft und Umweltschutz müssten keine Gegenpole sein.
Achim Steiner fasst die Ergebnisse so zusammen: „Eine Ausweitung grüner Investitionen in Meeres- und Küstenressourcen und eine Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit beim Management grenzüberschreitender Ökosysteme sind essentiell, wenn der Übergang zu einer CO2-armen und ressourceneffizienten Green Economy verwirklicht werden soll.“(*2)
Darüber sollte jedoch nicht vergessen werden, dass der Bericht an den Club of Rome „The Blue Economy“ mit seinen hundert Beispielen und der Perspektive von möglicherweise 100 Millionen Jobs einen noch ehrgeizigeren Rahmen absteckt. Seit 2010 wird erfolgreich wöchentlich eine Innovation samt Marktdaten und Angaben zum Potenzial an tausende Unternehmer präsentiert, um weltweit zum Nachahmen anzuregen.
Ein nachhaltiges Wirtschaften im Sinne der Blue Economy ermöglicht die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller ohne Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, aber auch ohne bewussten Verzicht. Blue Economy steht anders als Green für einen neuen Weg der unternehmerischen Geschäftsgestaltung, für ein neues marktwirtschaftliches Geschäftsmodell, für nachhaltiges Wirtschaften, für nachhaltiges Wachstum. Blue Economy steht dafür, dass das Gute preiswerter und Schlechtes teurer wird. Blue Economy steht für sauberes Wasser, saubere Luft, den Planeten Erde.
Der Begriff Blue Economy meint: Durch Nutzung der verfügbaren Ressourcen in Kaskadensystemen wird der Abfall eines Produkts zum Ausgangsmaterial für einen neuen Geldfluss. Auf diese Weise werden Arbeitsplätze geschaffen, Sozialkapital aufgebaut und das Einkommen gesteigert – dabei wird die Umwelt nicht weiter ausgebeutet und geschädigt, sondern erhalten und verbessert. So wird nachhaltiges Wachstum möglich. Das derzeitige globale Wirtschaftssystem kann durch Innovationen und unternehmerisches Handeln in eine nachhaltige Entwicklung transformiert werden. Innovationen und bessere Lebensbedingungen werden durch Nachfrage, marktwirtschaftliche Instrumente und Bildung gefördert, statt wie derzeit durch Subventionen und gesellschaftliche Hemmnisse ausgebremst.
Immer geht es um eine ganzheitliche Sicht der Dinge, um kluge Synergien und Verbindungen unterschiedlicher Ebenen (Kaskaden) zu (Öko-)systemen, wie sie auf den ersten Blick nicht unmittelbar zu erkennen sind. Jetzt gilt es den Dialog zu suchen, um ein ganzheitliches Verständnis von vernetzter Produktionswelt unter Einbeziehung der Grundressource Wasser als Eckpfeiler für Pflanzen, Tieren, Algen und Bakterien zu fördern.
Im Sinne der Partnerschaft zwischen ökologisch orientierten Initiativen der Welt im Vorfeld des Rio+20 Gipfels bieten wir eine Verständigung auf eine gemeinsame und gegenseitig konsistente Verwendung des attraktiven Begriffes der Blue Economy an.
Im Mai diesen Jahres erscheint die deutsche und zeitgleich die europäische Ausgabe von Gunter Paulis Buch „The Blue Economy: 10 years, 100 innovations, 100 million jobs“.
*1:http://www.unep.org/newscentre/Default.aspx?DocumentID=2667&ArticleID=9025&l=en
*2:http://www.dgvn.de/news.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=978&cHash=3aab6ea41951e55175e82c2ba29dd27b
Hintergrundmaterial
Die Entstehungsgeschichte von Blue Economy:
Die Vision der Blue Economy ist auf der Grundlage von ZERI-Projekten und weltweiten praktischen Ansätzen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung entstanden. Die Zero Emissions Research and Initiatives (ZERI) wurde 1994 von Gunter Pauli an der United Nations University (UNU) mit der Unterstützung der Japanischen Regierung ins Leben gerufen. Der Bruntdlandbericht 1987 und der Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro 1992 waren dazu wichtige Anstöße.
Die Idee der Blue Economy basiert auf einem weltweiten Netzwerk von Unternehmern und Wissenschaftlern, die sich seit Jahren mit der praktischen Umsetzung von Konzepten einer nachhaltigen Entwicklung erfolgreich befassen. Grundlage bildet die weltweite Prüfung von über 2000 Innovationen auf ihre Tauglichkeit als Geschäftsmodell. Diese Innovationen sind von natürlichen Ökosystemen und deren Effizienz, sowie von Leistungen früherer Hochkulturen inspiriert. 340 von ihnen wurden ausgewählt, die in Systemen zusammengefasst werden konnten.
Die herangezogenen Kriterien waren unter anderem der Stand der Entwicklung der Technologie, wie viel geistiges Eigentum eingesetzt wurde und der Beitrag zum Erreichen der Millenniumsziele der UN, ebenso wie die Zahl der möglichen neu zu schaffenden Arbeitsplätze und die Zeitspanne, innerhalb derer Märkte angesprochen werden könnten.
Das Zero-Emissions-Konzept hat sich aus dem Umwelt- und Qualitätsmanagement von Unternehmen entwickelt und wurde von innovativen Entscheidungsträger in verschiedenen Formen aufgegriffen, u. a. Zero-Emissions-Vehicle in Kalifornien, Null-Emissionen-Kommunen in Deutschland, Blue Economy Regionen in Skandinavien.