Blick in die Zeit. Alter und Altern im photographischen Porträt

Eine Ausstellung der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln ab 2.3.

Mit Werken von Christian Borchert, John Coplans, Imogen Cunningham, Deanna Dikeman, Jess T. Dugan / Vanessa Fabbre, Albrecht Fuchs, Katja Kerstin Hock, Manfred Jade, Evi Lemberger / Maria Göckeritz, Andreas Mader, Helga Paris, Natalya Reznik, Martin Rosswog, August Sander, Cindy Sherman, Daniel Schumann, Wilhelm Schurmann und Larry Sultan

Laufzeit: 2. März – 7. Juli 2024

Zur Ausstellung wird ein umfangreiches Rahmenprogramm ( https://photographie-sk-kultur.de/programm/fuehrungen-und-veranstaltungen) angeboten mit Führungen zu speziellen Themen und verschiedenen Zielguppen, z.B. für Kinder oder für Erwachsene in ukrainischer Sprache. Außerdem gibt es einen Thementag, einen Workshop sowie ein Filmprogramm ( www.sk-kultur.de/blick/tickets).

Die Ausstellung zeigt 18 Positionen und umfasst Photographien seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Am Beispiel des Porträts, in seriell angelegten Projekten nähern sich PhotographInnen verschiedener Generationen und Herkunft den vielen Facetten des Phänomens „Alter und Altern“ an.

Leben bedeutet vor allem Entwicklung und impliziert damit Veränderung und Altern. Was dabei als Fort- oder Rückschritt empfunden wird, hängt von individuellen und gesellschaftlichen Wertmaßstäben ab. Demgemäß mannigfaltig sind die Vorstellungsbilder, die in der Kunst und Photographie ihren Ausdruck finden. Die Photographie ist speziell geeignet, sich mit zeitbedingten Aspekten auseinanderzusetzen. Sie gibt dem Alter und dem Altern ein Gesicht und konfrontiert mit vielerlei Fragen: Wie spiegelt sich Lebenserfahrung im Aussehen, in der Physiognomie, in der Haltung älterer Menschen? Welche Persönlichkeit, welche Eigenschaften strahlen die Abgebildeten aus? Welche gesellschaftlichen Rollen vermitteln sich im Bild? Verändern sich die Gesten vor dem Hintergrund unterschiedlicher Entstehungszeiten und Aufnahmeorte? Wie ist die Einstellung zum Tod?

So bildet August Sander in eindrucksvollen, Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Porträts betagte Menschen einer ländlichen Bevölkerungsschicht ab, in denen sich Standesbewusstsein, Lebenserfahrung sowie auch die Lebensbedingungen einer längst vergangenen Epoche spiegeln. Sander selbst ist in der Ausstellung in einem Altersbildnis, erstellt 1960 von der amerikanischen Künstlerin Imogen Cunningham, zu sehen. Auch in jüngeren Exponaten wie von Martin Rosswog und Albrecht Fuchs tritt insbesondere das Moment der Lebenserfahrung stark hervor. Jedes ihrer Werke ist eine Würdigung der Porträtierten und des von ihnen Erreichten.

Wie ambivalent das Verhältnis unserer Gesellschaft zum Altern sein kann, zeigt ein Bildnis der Künstlerin Cindy Sherman. In ihrem Rollenporträt schlüpft sie in die Haut einer Dame der urbanen höheren Gesellschaft, die Altersspuren durch Make-up, Kleidungsstil und Attitüde sorgsam zu verdecken versucht. Natalya Reznik betont in ihren, an altmeisterliche Gemälde erinnernde Porträts von Frauen höheren Alters gerade deren individuelle Attraktivität. Deutlich schonungsloser und selbstironisch geht John Coplans mit dem Thema um. In großformatigen Schwarz-Weiß-Photographien zeigt er seinen gealterten, nackten Körper in unmittelbarer Nahsicht, ganz ohne Beschönigungen.

Äußerliche Veränderungen von Menschen und Orten zeigen sich besonders klar in photographischen Langzeitprojekten, in der Ausstellung unter anderem vertreten mit Arbeiten von Andreas Mader, Deanna Dikeman und Christian Borchert. Vor allem in der Familie oder im Freundeskreis gegenüber wiederkehrenden Personen und Situationen kommt man dem Wandel, auch dem Abschied von geliebten Momenten und Menschen, auf die Spur. Wie unterschiedlich sich Lebensumstände im Alter darstellen können, zeigen die Photographien von Larry Sultan, Wilhelm Schürmann und Helga Paris. Während Larry Sultan einen sehr persönlichen Blick auf seine Eltern – und damit auch auf sich selbst -, ihre ökonomischen Möglichen und emotionalen Befindlichkeiten wirft, dokumentiert Helga Paris im Ostberlin der 1980er-Jahre die Lebensumstände in einem Altersheim. Etwa im gleichen Zeitraum ist Wilhelm Schürmann in Dortmund dem Lebensmilieu einer Generation auf der Spur, vor dem Hintergrund einer von der Montanindustrie geprägten Umgebung. Die starke Einwirkung von historischen Ereignissen auf Lebensläufe zeigt das intensive filmische Porträt, das Evi Lemberger und Maria Göckeritz von Irene Eber, die als Kind Deportation und Vertreibung durch die Nationalsozialisten erleiden musste, erstellt haben.

Und schließlich wird in der Ausstellung mit den Werkreihen von Daniel Schumann, Katja Kerstin Hock und Manfred Jade das Thema Abschied, Sterben und Tod feinfühlig in Erinnerung gerufen. Zweifellos zeigt sich, dass der Lauf der Zeit jene Einheit ist, die als fundamentale Größe Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft definiert. In ihr bietet die Photographie Mess- und Haltepunkte, die der Orientierung dienlich sind.

zeitgleich zu sehen:
Jem Southam: The Pond at Upton Pyne
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Künstler

Die Serie von Jem Southam zeigt die zyklische Veränderung eines Teiches und seiner Umgebung in Upton Pyne, Devon, England. Der Teich ist nicht natürlichen Ursprungs, sondern geht auf eine stillgelegte Manganmine aus dem 18. Jahrhundert zurück, ein Gebiet, das lange Zeit vernachlässigt wurde.

Für die narrative Serie, die zwischen 1996 und 2002 entstand, entwarf Southam drei Teile: Der erste zeigt den Teich zu einer Zeit, als ein Mann daran arbeitete, das kleine Gebiet in ein romantisches Paradies für seine Familie zu verwandeln. Nachdem der Mann das Dorf verlassen hatte, verwilderte das Gebiet. Der zweite Teil ist der Arbeit des nächsten Bewohners gewidmet, der sich dem Teich später annahm. Er ließ sich von einer anderen Vision leiten und verwandelte den Ort in einen Ort der Erholung und Freizeitgestaltung, indem er beispielsweise neue Hütten, Tische und Schaukeln aufstellte. Der kurze dritte Teil von Southams Studie beschäftigt sich mit der umgebenden Landschaft.

Jem Southams Bildserie, die sich auf einen „Mikrokosmos“ konzentriert, ist sowohl eine allegorische Geschichte darüber wie unsere Träume unser Handeln beeinflussen, als auch eine Reflexion über Aspekte der historischen und soziokulturellen Entwicklung der postindustriellen westlichen Welt.

Das 1992 von der SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn erworbene August Sander Archiv, das neben dem künstlerischen Nachlass auch die Bildrechte von August Sander umfasst, bildet den Grundstein der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Es ist das weltweit größte Konvolut mit originalen Werken des Photographen (1876-1964). Mit Blick auf Sanders sachliche und konzeptorientierte Photographie erweiterte sich die Sammlung um weitere seinem Ansatz verwandte Arbeiten anderer historisch wichtiger und zeitgenössischer Künstler. Schwerpunkte bilden so auch die Photographien von Bernd und Hilla Becher, von Karl Blossfeldt, von Jim Dine und vielen mehr. Die Ausstellungen orientieren sich programmatisch am Sammlungsbestand.

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Bildquelle: © Jess T. Dugan