BGH-Urteil: Prüfung der Sittenwidrigkeit von Darlehensverträgen

Der Bundesgerichtshof hat im November 2011 entschieden, dass die Kosten einer Restschuldversicherung für die Frage, ob ein Darlehensvertrag sittenwidrig ist, keine Rolle spielen, wenn die Gewährung des Darlehens nicht vom Abschluss der Restschuldversicherung abhing.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Darlehensverträge sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein objektiv auffälliges Missverhältnis besteht, wobei ein solches Missverhältnis in der Regel vorliegt, wenn der effektive Vertragszins den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100 Prozent oder absolut um 12 Prozentpunkte überschreitet.

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte ein Ehepaar im März 2001 einen Darlehensvertrag geschlossen. Im Mai 2002 schlossen die Eheleute einen neuen Darlehensvertrag über einen Nennbetrag von 50.831,60 EUR ab. Hiervon wurden 40.258,70 EUR zur Ablösung des ursprünglichen Darlehens bzw. zur Deckung eines weiteren Geldbedarfes der Eheleute verwendet. Die übrigen 10.572,90 EUR wurden für Restschuldversicherungen aufgewendet, die für beide Eheleute Kreditlebens-, Arbeitslosigkeits- und Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen beinhalteten. Der effektive Jahreszins des Darlehens belief sich auf 16,07 Prozent. In diesen wurden von der Bank die Kosten der Restschuldversicherung nicht eingerechnet. Mit der Klage wurde die Erstattung überzahlter Darlehensleistungen von 30.085,20 EUR mit der Begründung begehrt, dass der Darlehensvertrag sittenwidrig sei.

Der ohne Einbeziehung der Kosten für die Restschuldversicherung zugrunde gelegte effektive Jahreszins von 16,07 Prozent hatte den seinerzeit marktüblichen Effektivzins von 10,73 Prozent damit relativ um 49,77 Prozent bzw. absolut um 5,34 Prozentpunkte überstiegen. Die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit waren daher anders als bei Berücksichtigung der Kosten der Restschuldversicherungen nicht erfüllt.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes waren die Kosten der Restschuldversicherungen bei der Ermittlung des effektiven Jahreszinses nicht zu berücksichtigen, weil diese den Darlehensnehmern den Vorteil der Reduzierung des Zahlungsausfallrisikos bieten. Dieser Vorteil sei bei den veröffentlichten marktüblichen Effektivzinsen hingegen nicht berücksichtigt, da die den marktüblichen Effektivzinsen zu Grunde liegenden Ratenkredite, solche sich aus den Restschuldversicherungen ergebenden Vorteile gerade nicht beinhalten.

Mithin scheitere nach dem Bundesgerichtshof auch ein Vergleich der marktüblichen Effektivzinsen mit einem effektiven Jahreszins, der die Kosten der Restschuldversicherung einbezieht. Dies gilt nach dem Bundesgerichtshof jedenfalls dann, wenn die Bank den Abschluss der Restschuldversicherung nicht zwingend vorgeschrieben hat. Offen gelassen hat der Bundesgerichtshof die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn die Bank die Gewährung eines Darlehens vom Abschluss einer Restschuldversicherung abhängig gemacht hätte. Sie musste im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, da klägerseits nicht bewiesen werden konnte, dass die Bank den Abschluss der Restschuldversicherung vorgeschrieben hatte.

Insbesondere für Darlehensnehmer, bei denen der Abschluss einer Restschuldversicherung zwingend vorgeschrieben wurde, empfiehlt es sich dringend, von einem Anwalt für Bankrecht den Darlehensvertrag auf dessen Sittenwidrigkeit hin überprüfen zu lassen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass aufgrund geänderter Rechtslage mittlerweile die Kosten einer Restschuldversicherung in bestimmten Fällen in den effektiven Jahreszins mit eingerechnet werden müssen.

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