Beim Betreuungsunterhalt wird immer wieder über die Frage gestritten, wann dem betreuenden Elternteil eine Vollzeittätigkeit zugemutet werden kann. Übt dieser keine Vollzeitarbeit aus, obwohl er müsste, wird mit dem Mittel des „fiktiven Einkommens“ gearbeitet. Allerdings kann bei einem erhöhten Förderbedarf des Kinds die Pflicht, sich um eine Vollzeittätigkeit zu kümmern, entfallen.
Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Hamm am 2. Juni 2016 (AZ: I 6 BF 19/16) vorliegen. Das Gericht lehnte die Verpflichtung der Mutter zur Vollzeittätigkeit ab, da für das autistische Kind ein deutlich erhöhter Förderungsbedarf bestand. Daher konnte die Mutter weiterhin Betreuungsunterhalt beanspruchen.
Betreuungsunterhalt und Vollzeitbeschäftigung
Die Eltern sind geschieden. Sie haben einen gemeinsamen im Jahre 2000 geborenen Sohn. Der Junge ist Autist, leidet an Neurodermitis und einer Lebensmittelunverträglichkeit, wird außerdem von Migräne und Kopfschmerzen geplagt.
Im Mai 2010 schlossen die Eltern einen gerichtlichen Vergleich. Der Vater verpflichtete sich, an die Mutter nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 591 Euro zu zahlen. Gleichzeitig war die Mutter verpflichtet, einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen. Später vereinbarten die Eltern, den nachehelichen Unterhalt auf 449 Euro zu reduzieren.
Der Sohn besuchte inzwischen die 9. Klasse einer Gesamtschule. Der Unterricht findet an vier Tagen in der Woche bis 15.45 Uhr statt. Der Vater war der Ansicht, dass die Mutter aufgrund des Schulbesuchs und des sonstigen Entwicklungsstands des Sohnes eine volle Stelle annehmen könne. Er beantragte, nicht mehr zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet zu sein.
Bei Fragen um den Betreuungsunterhalt zum Anwalt
Grundsätzlich kann man die Unterhaltsansprüche im Laufe der Jahre überprüfen lassen. Auch der Anspruch auf Betreuungsunterhalt kann sich im Laufe der Zeit verändern. Familienrechtsanwältinnen und -anwälte klären, ob eine Änderung des Betreuungsunterhalts vorgenommen werden kann. Dies kann sowohl die Absenkung als auch dessen Steigerung betreffen. Im vorliegenden Fall kam dies jedoch nicht zum Tragen.
Gericht: Keine Pflicht zur Vollzeittätigkeit bei erhöhtem Förderbedarf des Kindes
Der Vater scheiterte bei Gericht. Er war weiterhin zur Zahlung des Betreuungsunterhalts verpflichtet. Grundsätzlich kann ein Ehepartner von dem anderen zur Pflege und Erziehung des Kinds für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Der Anspruch verlängert sich nach den Belangen des Kindes und den Möglichkeiten der Kinderbetreuung.
Hier war der Frau höchstens eine Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Zwei-Drittel-Stelle zuzumuten. Zwar werde das Kind durch den Schulbesuch in einem Umfang von knapp 36 Stunden in der Woche betreut, es müssten aber die diversen Krankheiten und der Entwicklungsstand berücksichtigt werden.
Wegen des Autismus bestehe ein erhöhter Förderbedarf. Daraus resultiere wiederum ein gesteigerter Betreuungsbedarf, den die Mutter leistet. Durch die erhöhte Betreuung auch in einem Autismuszentrum entstehen in der Woche erhebliche Wege, die die Mutter zurücklegen muss.
Es blieb also bei dem Betreuungsunterhalt in Höhe von 449 Euro. Das Gericht selbst hätte auch einen Betreuungsunterhalt von 470 Euro für angemessen gehalten. Allerdings hatten sich die Eltern zuvor bereits auf den niedrigeren Betrag verständigt.
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