Bei der Beurteilung einer Berufsunfähigkeit ist nicht nur das Einkommen des Betroffenen relevant, sondern auch die ausgeübte Tätigkeit. So entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe, dass einem Berufsunfähigkeitsversicherten, nicht die Leistungen gekürzt werden dürfen, wenn dieser sich selbst, um einen Job in einem neuen Tätigkeitsfeld kümmert.
Versicherer stellte Berufsunfähigkeitsrente ein
Im Urteil vom 6. Dezember 2012 (Aktenzeichen 12 U 93/12) ging es um einen ehemaligen Gas- und Wasserinstallateur-Meister, der aufgrund von Depressionen seinen Betrieb einstellen musste. Der Versicherer leistete zunächst die in der Berufsunfähigkeitsversicherung vereinbarte Summe.
Später machte der Kläger dann eine Ausbildung zum medizinisch-technischen Laborassistenten und bekam auch eine Anstellung in dem Beruf. Da der Versicherte nun sogar mehr verdiente als in seinem vorherigen Beruf, stellte die Gesellschaft die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ein. Daraufhin klagte der Handwerksmeister.
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OLG sprach dem Kläger Recht zu
Die Versicherungsgesellschaft berief sich als Begründung auf eine Versicherungsklausel der Berufsunfähigkeitsversicherung, die eine abstrakte Verweisung enthielt. Diese lautete „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“
Das OLG Karlsruhe widersprach in ihrem Urteil dem Versicherer und stellte klar, dass die angesprochene Lebensstellung nicht mit der Höhe des Einkommens gleichzusetzen ist. Der Kläger habe vor seiner Berufsunfähigkeit als Handwerksmeister einen sehr vielseitigen und vor allem eigenverantwortlichen Beruf ausgeübt. Zu seinem Tätigkeitsfeld zählten neben der handwerklichen Arbeit auch Materialeinkauf, Kundenwerbung sowie die Verwaltung des Betriebs. Nun wiederum arbeite er weisungsgebunden und deutlich weniger selbstständig.
Zur Begründung der Richter
Die Richter des Oberlandesgerichts wiesen darauf hin, dass der Mann nicht benachteiligt werden dürfe, weil er sich freiwillig um eine neue Ausbildung und einen Job gekümmert habe. Die Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung dürfe man erst einstellen, wenn der Mann eine ähnliche Position erreicht habe. Zudem sei der Arbeitsplatz sogar noch befristet und von öffentlichen Fördergeldern abhängig.
Weiterhin hieß es, dass die abstrakte Verweisung einer Berufsunfähigkeitsversicherung durchaus zu „Gerechtigkeitsdefiziten“ führen kann. Dies sei aber hinzunehmen. Gemeint ist damit, dass es dazu kommen kann, dass der eine Leistungen erhält, obwohl er arbeitet und der andere keine Berufsunfähigkeitsrente bekommt, weil er eine vergleichbare Tätigkeit ausüben kann, hier aber keinen Job findet.
Sebastian Schnitter
finanzen.de AG
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