Das geplante neue Wahlrecht könnte den Bundestag auf weit mehr als 700 Sitze anwachsen lassen. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe. Nach dem Reformansatz, den die Fraktionen nun weiterverfolgen wollen, sollen Überhangmandate einzelner Parteien durch zusätzliche „Ausgleichsmandate“ kompensiert werden; das heißt, anders als heute entspräche das Sitzverhältnis der Fraktionen zueinander wieder dem Zweitstimmenergebnis bei der Wahl.
Die Normalgröße des Bundestages liegt bei 598 Abgeordneten; nach der letzten Wahl gab es aufgrund von Überhangmandaten zunächst 622 Sitze. Legt man aktuelle Umfrageergebnisse zugrunde, könnten nach Berechnungen des Friedrichshafener Politologen Joachim Behnke beispielsweise 642 Abgeordnete ins Parlament einziehen. Nahezu groteske Weiterungen hätte es, wenn etwa die CSU in Bayern nur knapp 37 Prozent der Stimmen erzielte: Dann wäre es möglich, dass die Christsozialen sechs Überhangmandate bekämen, was insgesamt 129 Ausgleichsmandate für die übrigen Parteien nach sich zöge. Im Hohen Haus würden dann 751 Parlamentarier Platz nehmen. Ein mögliches schwaches Abschneiden der CSU sei damit die „Achillesferse“ des neuen Wahlrechts, so Behnke; das Ausgleichsverfahren verhalte sich dabei wie ein „Blindgänger, der theoretisch jederzeit detonieren könnte“. Bei der nächsten Wahl sei derzeit zwar nur eine „eher gemäßigte Aufblähung“ zu erwarten; dies könnte sich allerdings auch schnell ändern. Ausgleichsmodelle seien zwar jetzt als „Zwischenlösung“ sinnvoll, so Behnke – danach müsste aber eine grundlegende Reform mit einem Neuzuschnitt der Wahlkreise erfolgen.