Arbeit mit Gefühl

Wie man im Beruf konstruktiv mit Emotionen umgeht, erklärt Psychologe Heiko Kilian vom SRH Beruflichen Trainingszentrum Rhein-Neckar.

Wiesloch, 3. August 2011

Seit Wochen herrscht bei Teambesprechungen dicke Luft. Weil sich die Kollegen auf die Nerven gehen, sind echte Diskussionen kaum noch möglich. Stattdessen wird mit den Gefühlen hinterm Berg gehalten, denn für eine offene Aussprache ist auf der Arbeit kein Platz. So lautete in den letzten Jahren die weit verbreitete Auffassung.

Doch das ändert sich. Gefühle erfahren am Arbeitsplatz eine Enttabuisierung. Wie man Gefühle zeigen kann, ist allerdings stark abhängig von der Situation. „Es macht einen großen Unterschied, ob ich es mit Vorgesetzten oder Teamkollegen zu tun habe oder ob ich mich in einer Abteilungsbesprechung oder einem Zweiergespräch befinde“, sagt Heiko Kilian, Geschäftsführer des SRH Beruflichen Trainingszentrums Rhein-Neckar. Das Unternehmen macht Menschen mit psychischen Erkrankungen wieder fit für den Job. Als Psychologe weiß Kilian, wie schnell unterdrückte Emotionen zu Problemen in der täglichen Arbeit führen können.

„Wenn Emotionen die Arbeitsleistung spürbar beeinträchtigen, sollte man dies in der Zusammenarbeit immer ansprechen, die Frage ist nur, wie. Eine gute Strategie ist, von sich zu sprechen, statt von anderen“, sagt Kilian. Statt „Sie machen doch immer…“ sagt man ehrlich „Ich weiß nicht, wie ich mit Ihrem Verhalten umgehen soll“. Wenn sich der Ärger trotzdem nicht zurückhalten lässt, hilft es, das zu benennen. Zum Beispiel indem man sagt: „Im Moment fällt es mir schwer, sachlich zu bleiben, aber ich versuche es.“ Schon hat man sich ohne einen Angriff emotional positioniert.

Was im ersten Moment trivial klingt, erfordert vor allem Mut. Denn eine solche Reaktion auf Konflikte im Team kann als Schwäche ausgelegt werden. „Da muss man durch. In dieser Situation geht es wohl allen ähnlich, aber nicht jeder traut sich, das so zu sagen“, sagt Kilian.

Ein Patentrezept, wie viel Gefühl in welcher Situation erlaubt ist, hat Kilian nicht: „Ein Weg ist, sich mit Freunden oder der Familie über mögliche Reaktionen auszutauschen. Distanz hilft, Gefühle nicht übersteigert, sondern ruhig und sachlich zu äußern.“

Selbst wenn diese Art der Kommunikation bei vielen Kollegen zuerst auf Skepsis stößt, sind ihre Chancen ungleich größer. „Gefühle offen anzusprechen erleichtert, entspannt. Das fördert das Verständnis und die Zusammenarbeit, weil jeder sich auf den anderen einstellen kann. Mit ein bisschen Übung klappt vielleicht sogar die Aussprache mit dem cholerischen Chef“, sagt Kilian.

SRH Berufliches Trainingszentrum Rhein-Neckar

Neue berufliche Perspektiven erhalten Menschen mit psychischen Problemen im SRH Beruflichen Trainingszentrum Rhein-Neckar (BTZ) in Wiesloch und vier weiteren Standorten. Individuelle Trainingsprogramme bereiten die Teilnehmer auf die Rückkehr ins Arbeitsleben vor. Psychosoziale Beratung hilft dabei, im Arbeitsalltag mit der Krankheit umzugehen. Mehr als zwei Drittel der Absolventen gehen anschließend erfolgreich in den Beruf oder eine Ausbildung. Gesellschafter des BTZ sind die SRH Holding, eine unabhängige Stiftung mit Sitz in Heidelberg, und die Stadt Wiesloch.