Seminarbeitrag und Diskussion von Florian Fritsch
„Abwasser entsteht immer, wenn Menschen Wasser nutzen“, eröffnete Referent Florian Fritsch, Experte des technischen Umweltschutz, die Seminarveranstaltung der Rechtsanwälte Dr. Schulte und Partner Berlin und wird Einblicke in die Geschichte der Abwasserbeseitigung bis zur heutigen Abwasserbeseitigungspraxis im Jahre 2012 geben. Florian Fritsch weiter: „Die gezielte Ableitung und großtechnische Abwasserbeseitigung begann jedoch erst Mitte des letzten Jahrhunderts. Im Laufe der Zeit sind die einzuhaltenden Umweltstandards immer weiter verschärft worden. Den vorläufigen Schlußpunkt der Entwicklung bildet die Richtlinie des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (91/271/EWG), im folgenden Kommunalabwasserrichtlinie, die europaweit den Ausbau der Abwasserbeseitigungs-Infrastruktur verlangt hat. Trotz strenger Regeln des europäischen Rechts ist die Praxis aber heute noch eine andere; insbesondere in Ländern Osteuropas.“
Ein Blick in die geschichtliche Entwicklung der Abwasserbeseitigung
Der unschädlichen Beseitigung des Abwassers ist in der Geschichte erst zu einer Zeit Augenmerk zugewandt worden, als aufgrund der Siedlungsstruktur und der daraus folgenden Menge des Abwassers eine Versickerung nach der „Versitzmethode“ in den Boden nicht mehr möglich war. Der Entwicklung größerer Städte im Altertum folgte eine geordnete Abwasserbeseitigung. Schon in den Jahren um 4500 vor Chr. wird aus dem Gebiet zwischen Euphrat und Tigris von Abwasserableitungssystemen in Siedlungen berichtet. Daneben werden besonders die Bauleistungen in Ägypten und in Griechenland mit seinen Kolonien erwähnt. Hervorzuheben unter den Entwässerungssystemen des Altertums ist die bekannte „Cloaca maxima“ der Stadt Rom. Die Aufgabe der Sammelsysteme war es, das Abwasser auf dem schnellsten Wege unbehandelt dem nächsten Vorfluter zuzuführen oder es im Untergrund versickern zu lassen; eine Methode, die auch nach zweitausend Jahren in manchen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft noch Anwendung findet.
Das germanische Siedlungsgebiet bestand zu dieser Zeit aus Einzelhöfen oder weitläufigen Dörfern. Deshalb sind hier keine Abwasserbeseitigungsanlagen bekannt geworden, die über die Ablagerung des Abwassers an den Düngerstätten am Haus hinausgehen. Mit dem Beginn des Mittelalters bis hin zur Neuzeit veränderten und verdichteten sich überall die Siedlungsstrukturen; trotzdem wurde die geordnete Abwasserbeseitigung zumeist vernachlässigt. Die Fertigkeiten und Erkenntnisse des Altertums gerieten in Vergessenheit. Die hygienischen Verhältnisse waren nach unserem heutigen Empfinden in den engen mittelalterlichen Städten unerträglich, da sämtliche feste und flüssige Stoffe auf dem Boden landeten.
Um die Jahrhundertwende begann man zusätzlich, biologische Reinigungsmethoden einzusetzen. Hierbei handelt es sich um Verfahren, die die Lebenstätigkeit von Mikroorganismen zur Zersetzung der im Abwasser enthaltenen organischen Substanzen nutzen. Sowohl die mechanische als auch die biologische Methode wurden und werden beständig weiter entwickelt. Verfahren, die über die mechanische und biologische Grundreinigung hinausgehen, werden als „weitergehende Reinigung“ bezeichnet.
Die Praxis der Abwasserbeseitigung heute
Florian Fritsch weist auf die bestehenden Herausforderungen hin: „Große Schwierigkeiten in der Abwasserreinigung bereiten heute neben den schädlichen Nährstoffeinträgen die anthropogenen Schadstoffe, wie z.B. toxische und cancerogene Elemente, die in der Regel auch bei einer weitergehenden Reinigung nicht erfaßt werden können. Diese müssen daher durch eine gezielte Vorbehandlung vor dem Einleiten in die öffentliche Kanalisation entfernt werden. Heute ist es technisch möglich, durch chemisch-physikalische Verfahrenskombinationen unter großem- apparativen und personellen Einsatz und damit verbundenen hohen Kosten Abwasser bis zur Trinkwasserqualität zu reinigen.“
Die unschädliche Abwasserbeseitigung ist heute ein Kernbereich der staatlichen Daseinsvorsorge. Zur Sammlung des Abwassers in der Kanalisation sind Misch- oder Trennsysteme üblich. Beim Mischsystem fließen Schmutz- und Regenwasser in einem gemeinsamen Kanal ab. Um bei starken Regenfällen eine Überlastung der Kläranlagen zu vermeiden, sind Stauräume oder Entlastungsbauwerke vorgesehen.
Beim Trennsystem werden Schmutz- und Regenwasser in verschiedenen Kanälen abgeführt. Meist gelangt das Regenwasser direkt in den Vorfluter.
Das dem Klärwerk zugeführte Abwasser wird in mehreren Verfahrensschritten gereinigt. Zuerst wird das Abwasser durch einen Rechen geführt, der die gröberen Inhaltsstoffe entfernt. Danach werden bei langsamer Fließgeschwindigkeit des Abwassers die obenauf fließenden Fett- und Schwimmstoffe und auch die auf den Boden sinkenden Stoffe mechanisch entfernt (mechanische Reinigung). Das so vorgereinigte Abwasser wird einem Belebungsbecken zugeführt. Hier werden dem Abwasser unter starker Sauerstoffzufuhr die im Wasser gelösten oder feinzerteilten organischen Stoffe durch Bakterien entzogen (biologische Reinigung). Nach dieser Reinigung sind etwa 90 bis 95% der leicht abbaubaren Schmutz- oder Schadstoffe aus dem Abwasser entfernt (zweite Reinigungsstufe oder biologische Reinigung). An diese mechanische und biologische Reinigung kann sich eine weitere Verfahrensstufe, die weitergehende Reinigung, anschließen. Sowohl die mechanische als auch die biologische Methode wurden und werden beständig weiter entwickelt.
Florian Fritsch zum sogenannten „Reinigungsprogramm“: „Reinigung wird zur Zeit in großem Rahmen realisiert: Ihre Aufgabe ist es, durch biologische und chemische Verfahren die Restkonzentrationen an Phosphor, Stickstoff und Schwebstoffen zu eliminieren (dritte Reinigungsstufe oder chemische Reinigung). Von Phosphor oder Stickstoff hängt nach dem „Minimumgesetz“ von Justus v. Liebig in den meisten Fällen die Intensität des Algenwachstums in dem aufnehmenden Vorfluter ab. Das erhöhte Algenwachstum hat negative Auswirkungen auf die Gewässerqualität (Eutrophierung des Gewässers). Abgestorbene Algen werden durch Bakterien unter Verbrauch von Sauerstoff abgebaut. Dieser natürliche Prozess kann durch die Überdüngung mit Phosphor und Stickstoff so gestört werden, dass im Extremfall entstehender Sauerstoffmangel zum „Umkippen“ des Gewässers führt.
Vor der Einleitung in den Vorfluter wird sowohl das gereinigte Abwasser aus der mechanisch-biologischen Reinigung als auch das aus der weitergehenden Reinigung durch eine Nachldärstufe geführt. Hier werden dem Abwasser vor allem die Bakterien der biologischen Reinigung entzogen, die Belebschlammflocken gebildet haben. Diese Bakterien werden in den Reinigungskreislauf zurückgeführt.“
Dazu ein Blick der Entwicklung der Abwasserreinigung zwischen Umweltschutz und Kostenbelastung in der Vergangenheit und den Vorstellungen in die damalige Zukunft.
„Die Sammlung und Behandlung von Abwasser ist in Deutschland in den letzten einhundertfünfzig Jahren neben stagnativen Phasen im Grunde stetig verbessert worden und hat einen hohen Standard erreicht. Nach der letzten Erhebung des statistischen Bundesamtes waren 1991 90,6% der Wohnbevölkerung an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Die Abwässer von 85,1% der Bevölkerung wurden in öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen gereinigt, wobei 44,4% der Abwässer bereits der weitergehenden Reinigung unterzogen wurden. Dieser Prozess war und ist kostenintensiv und wird daher von vielen Widerständen begleitet. Ihre Ursache besteht unter anderem darin, dass die Auswirkungen der Abwasserableitungen häufig nicht unmittelbar die Verursacher treffen und die Selbstreinigungskraft der Gewässer durchaus unterschiedlich beurteilt wird:
Nachdem im Gebiet der alten Bundesrepublik bis Mitte der achtziger Jahre die mechanisch-biologische Reinigung zum Standard geworden war, gelangten durch das massenhafte Robbensterben in der Nordsee im Jahre 1988 die durch die mechanisch-biologische Reinigung nicht erfassten Nährstoffe Phosphor und Stickstoff stärker in das Blickfeld. Durch die Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen auf nationaler Ebene und durch das Bemühen der Bundesregierung auf internationale Ebene sollte ein besserer Schutz der Binnengewässer und der Nord- und Ostsee erreicht werden. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet die im Jahre 1991 im Rat verabschiedete Kommunalabwasserrichtlinie, die innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die Anforderungen an die Abwasserreinigung harmonisiert. Grundsätzlich wird in Städten und Gemeinden innerhalb der EG die mechanisch-biologische Reinigung des Abwassers spätestens zum Termin 01.01.2005 und in eutrophierungsgefährdeten Gebieten die weitergehende Reinigung des Abwassers, also die Stickstoff- und Phosphorelimination, bis zum 31.12.1998 verlangt.
Die Bundesrepublik hat für die tatsächliche Erfüllung der Vorgaben – verglichen mit anderen Staaten der EG – eine gute Ausgangsposition. Heute wird die Abwasserreinigung voran getrieben; Probleme entstehen für die Ableitungssysteme durch das Wassersparen der Bevölkerung. Teilweise denken Wasserwerke über die Verbilligung des Wasser- und Abwasserpreises nach, um den natürlichen Spüleffekt zu betreiben. Ausserdem werden innovative Ideen wie die Reinigung des überdüngten Flusses Dümmer in Niedersachsen besprochen (Stichwort: Projekt Cordes, der Herr der Algen).
„Für das Ziel, eine umweltschonende Beseitigung von Abwässern, hat sich die Menschheit schon weit entwickelt und bei jedem Fortschritt gibt es auch manchmal einen kleinen Schritt zurück, doch alle sollten die Mutter Erde, die uns die Ressourcen zur Verfügung stellt auch mit dem nötigen Respekt behandeln. Der beste Umweltschutz, kein Abwasser produzieren, wenn doch Abwasser entsteht, schonend damit umgehen, dann gesäubert in den Kreislauf zurückführen. Umwelttechnisch und wirtschaftlich gesehen, ein sehr interessantes Thema und damit wir dazu lernen, müssen wir die Geschichte und Entwicklung kennen“, beendet Florian Fritsch dieses Seminar.
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Florian Fritsch ist freier Consultant und Energieexperte. Er leitet als Geschäftsführer mehrere Unternehmen aus dem Bereich „Erneuerbare Energie“, insbesondere Tiefen-Geothermie, Elektromobilität und Solarthermie.
Florian Fritsch ist freier Consultant und Energieexperte. Er leitet als Geschäftsführer mehrere Unternehmen aus dem Bereich „Erneuerbare Energie“, insbesondere Tiefen-Geothermie, Elektromobilität und Solarthermie. Weitere Informationen unter: www.fg.de
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