Nicht zuletzt in der juristischen Ausbildung hat der sog. „Bienenstich-Fall“ erhebliche Relevanz erhalten. Diskutiert wird an ihm die Frage, ob der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigt ist, wenn die Bäckereiverkäuferin (nicht erlaubt) einen Bienenstich aus der Auslage nimmt und verzehrt.
Dieser einfache Sachverhalt kann nunmehr auch als – zugegeben plakativer – Aufhänger einer anderen Frage dienen: Erfüllt ein Arbeitgeber einen Mindestlohnanspruch nur durch Zahlung oder kann er dies zum Beispiel durch freie Kost auch anderweitig tun?
Mit dieser Frage – wenn auch nicht im Bäckereiwesen, hier gibt es noch keinen Mindestlohn – musste sich nunmehr das BAG auseinandersetzen:
In zwei zu entscheidenden Fällen unterfielen die Arbeitsverhältnisse dem Gebäudereinigerhandwerk und in dem Zusammenhang einem Mindestlohn. Die Arbeitgeberin, die zum Deutsche-Bahn-Konzern gehört, zahlte nach einem konzerneigenen Tarifvertrag mit unter dem Mindestlohn liegenden Grundstundenlöhnen. Allerdings zahlte sie auch verschiedene Zuschläge, Einmalzahlungen, Urlaubsgelder und vermögenswirksame Leistungen. Dies berücksichtigt wäre rechnerisch der Mindestlohn gewahrt. Diese Argumentation wollten die Arbeitnehmer nicht gelten lassen und haben auf Zahlung der Differenz geklagt.
Das BAG hat entschieden, dass es für die Entscheidung darauf ankommt, welchen Zweck die zusätzlichen Leistungen haben. Sie können dann Teil des Mindestlohns sein, wenn sie dazu dienen, die nach dem Tarifvertrag vom Arbeitnehmer zu erbringende „Normalleistung“ abzugelten. Dies gelte nicht, wenn die Zusatzleistungen über die vom Tarifvertrag vorausgesetzte Verpflichtung hinaus geleistete Arbeitsstunden oder unter demgegenüber besonderen Erschwernissen geleistete Arbeit vergüten sollen.
In dem einen Fall (Az. 4 AZR 139/10) wurde für eine „Verkehrsmittelzulage“ die Anrechenbarkeit auf den Mindestlohnanspruch bejaht, weil das Tarifvertragswerk die Zulage zwar nicht kennt, aber den Mindestlohn auch für Verkehrsmittelreinigung festlegt.
In dem anderen Fall (Az. 4 AZR 168/10) verneinte das BAG – vorläufig – die Anrechenbarkeit, soweit die Arbeitgeberin die Zahlung von „Vermögenswirksamen Leistungen“ berücksichtigt wissen wollte. Diese erfüllten unabhängig von der Art der Entlohnung der zu leistenden Arbeit die Funktion einer Vermögensbildung beim Arbeitnehmer. Außerdem stünden sie dem Arbeitnehmer nicht zusammen mit der laufenden Vergütung zur (freien) Verfügung.
Wegen einer notwendigen Gleichbehandlung von innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Sachverhalten hat das BAG allerdings den zweitgenannten Rechtsstreit ausgesetzt und dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zwei Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 18.04.12 – 4 AZR 139/10 und 4 AZR 168/10
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