Liechtenstein wird zu einer ernsthaften Konkurrenz für den Finanzplatz Schweiz: Weil das Fürstentum eine neue EU-Richtlinie zum Anlegerschutz ungewöhnlich schnell umgesetzt hat, könnten mehrere Hundert Manager von Hedge-Fonds oder Risikokapitalgesellschaften aus der Schweiz nach Liechtenstein wechseln, heißt es in einer vertraulichen Studie der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers, die dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe) vorliegt . Zwar gehören weder die Schweiz noch Liechtenstein der EU an, doch können Vermögensverwalter aus beiden Ländern keine Geschäfte mit EU-Kunden machen, wenn sie die Richtlinie nicht einhalten. Der Vorstoß Liechtensteins zielt vor allem auf die rund 400 „Single-Hedge-Fonds“-Manager, die in der Schweiz angesiedelt sind.
Die Schweiz ist drittgrößter Standort für solche Fonds. „Im Markt für alternative Investments werden durch die Richtlinie die Karten neu gemischt“, sagte Katja Gey, Delegierte der Liechtensteiner Regierung für internationale Finanzplatz-Fragen, dem „Handelsblatt“ Die Beamten und Banker des Fürstentums wittern eine einmalige Chance. Am 21. Juli 2011 trat eine neue Richtlinie (2011/61/EU) des Europäischen Parlaments über die Verwalter alternativer Investmentfonds in Kraft. Ziel ist ein besserer Anlegerschutz. Betroffen von der neuen Regelung sind die Verwaltung und der Vertrieb von Hedge-Fonds, Private-Equity-Fonds, Immobilienfonds, Rohstofffonds und andere. Ab 2013 dürfen Fondsmanager in der EU nur noch mit dieser neuen Zulassung tätig sein Am 22. Dezember, also nur fünf Monate nach Erscheinen der neuen Richtlinie, war in Liechtenstein schon ein Gesetzentwurf fertig, um daraus Kapital zu schlagen. Das Potenzial des neuen Gesetzes wird als gewaltig eingeschätzt. Bis zu 400 Schweizer Vermögensverwalter und Fondsmanager könnten dazu gebracht werden, den Standort zu verlagern. Dabei geht es um geschätzte 870 Milliarden Franken an verwalteten Geldern Für die Schweiz wäre es ein Desaster, wenn es so kommt, wie es sich die Liechtensteiner erhoffen. Zwar ist laut Finanzministerium die Revision des Schweizer Fondsrechts in Arbeit, um 2013 in Kraft treten zu können. Im Gegensatz zu Liechtenstein ist die Schweiz aber nicht Teil des „Europäischen Wirtschaftsraums“, womit die Regelung erst 2015 gelten kann Liechtenstein sieht nun die historische Chance, die Schweiz kurzfristig als Nummer drei der weltweiten Fondsstandorte abzulösen. Sven Zeller, Partner und Experte für Investmentfonds bei der Kanzlei Clifford Chance, hält die Hoffnung des Fürstentums für nicht ganz unbegründet: „Ich sehe Liechtenstein als mehr und mehr integrierten Bestandteil der EU, der sich alle Mühe gibt, der Hedge-Fonds-Standort in Europa zu werden.“