Das offensive Werben des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) für höhere Steuern wird von Ökonomen unterschiedlich bewertet. „Wenn eines nicht notwendig ist, dann Steuererhöhungen“, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, „Handelsblatt-Online“, während der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, erklärte, Steinbrück habe „vollkommen recht“. Zwar habe die gute Konjunktur der vergangenen beiden Jahre die Steuereinnahmen massiv erhöht und es damit den Finanzministern von Bund und Ländern ermöglicht, die Haushaltsdefizite zu reduzieren, sagte Horn.
„Es wäre aber insbesondere angesichts der prekären Entwicklung im Euroraum fahrlässig, mit einem Daueraufschwung zu rechnen, so dass auf mittlere Sicht dem Staat geringere Einnahmen zur Verfügung stehen dürften.“ Für Horn führt daher kein Weg an Steuererhöhungen vorbei – vor allem vor dem Hintergrund der schon lange andauernden Investitionsschwäche des Staates, der erheblichen Umverteilung zu Lasten der unteren Einkommen und der gewaltigen Probleme im Bildungssystem und bei der Energieversorgung. Per Saldo verbiete sich daher eine massive Kürzung der Aufgaben des Staates. „Damit bleiben nur Steuererhöhungen – vor allem im Finanzsektor und bei hohen Vermögen als gesamtwirtschaftlich sinnvolle Alternative.“ IW-Chef Hüther sagte dagegen: „Wer Steuern in der gegebenen Situation erhöht, der nimmt unverantwortlicherweise den Druck von der Ausgabenseite.“ Es müsse aber stets darum gehen, die Aufgaben zu überprüfen. „Für Steinbrück sind die offenkundig heilig, so unterblieb ja auch in seiner Zeit als Finanzminister der mögliche Ausgleich im Bundeshaushalt, weil mit herannahender Bundestagswahl neue Ausgaben wahltaktisch begründet wurden.“ Damit sei erst recht bei Steuererhöhungen zu rechnen. Diese verböten sich aber deshalb, da das Steueraufkommen bei einem Allzeithoch liege und zugleich die Konsolidierungsspielräume bei Subventionen und Verwaltungskosten hinreichend vorhanden seien. Für die notwendigen Bildungsinvestitionen könne zudem in vielen Bundesländern die „demographische Rendite“ mobilisiert werden, wenn bei geringeren Schülerjahrgangszahlen die Ausgaben konstant gehalten werden. Hüther sieht anders als Steinbrück in Deutschland sogar einen Bedarf an Steuerentlastungen, um für Steuergerechtigkeit zu sorgen. „Das betrifft zum Beispiel den ungerechten Einkommensteuertarif mit seiner kalten Progression“, sagte der IW-Chef. Zudem stünden demographisch bedingt eher höhere Sozialabgaben ins Haus, zumal wenn die Rente mit 67 rückgängig gemacht wird, wie von Teilen der SPD gefordert und von Steinbrück unwidersprochen hingenommen. Daher sollte aus Hüthers Sicht die ohnehin schon hohe Abgabenbelastung der Einkommen nicht weiter durch Steuererhöhungen erhöht werden. „Kurzum: Steinbrück ist auf einem falschen Dampfer unterwegs.“