Wird das Kieler Modell zur Grundlage einer bundesweiten Glücksspiel-Regelung?

Bei der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz könnte bereits die Entscheidung fallen

Von Ansgar Lange +++ Kiel/Bonn, März 2012 – Es kommt Bewegung in das juristische Gezerre ums Glücksspiel. Die Front der 15 Länder, die einen Staatsvertragsentwurf vorgelegt haben, bröckelt. Die Kritik der EU ist nicht ohne Folgen geblieben. Einige prominente SPD-Politiker wie Kurt Beck oder Ralf Stegner hatten zwar noch unmittelbar nach Eintreffen der Stellungnahme aus Brüssel Vogel-Strauß-Politik betrieben und geleugnet, dass der eigene Staatsvertragsentwurf mit EU-Recht nicht kompatibel ist. Mit seiner Einlassung, dass OK aus Brüssel zeige, „dass wir im Kreise der Ministerpräsidenten gute Arbeit geleistet haben und unsere „Hausaufgaben“ gemacht haben, dokumentierte CDU-Mann Reiner Haseloff (Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt) jedoch, dass Unkenntnis und Wirklichkeitsverweigerung in Sachen Glücksspielrecht keine Kernkompetenz der SPD oder gar ein Alleinstellungsmerkmal der Sozialdemokraten sind.

Der Kieler Wirtschaftspolitiker Hans-Jörg Arp (CDU) kann diese Sichtweise nicht nachvollziehen. „Die abschließende positive Stellungnahme der EU-Kommission zum schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetz ist eine Seite lang. Die neueste Stellungnahme zum nachgebesserten Vertragsentwurf der 15 umfasst sieben Seiten mit Nachfragen und Aufforderungen, weitere Dokumente und Daten vorzulegen. Wie die anderen 15 Bundesländer daraus zunächst eine Zustimmung heraus lesen konnten, erschließt sich mir nicht“, so Arp gegenüber dem P.T. Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft http://www.pt-magazin.de. „Der zuständige EU-Kommissar hat als Reaktion darauf ja selbst noch einmal deutlich gesagt, dass dieses Schreiben kein grünes Licht bedeutet. Ich warte nun mit Spannung auf die nächsten Gespräche der Regierungschefs. Unsere Tür für die anderen Bundesländer bleibt offen.“

Nach Informationen des Hamburger Abendblattes prüfen auf Druck der FDP nun auch andere Bundesländer das Kieler Sportwetten-Modell. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki sehe sein Land sogar schon vor dem Sieg, weil ein Staatsvertrag nur dann in Kraft tritt, wenn mindestens 13 Länderparlamente zustimmen. Er erinnerte daran, dass der Staatsvertrag bis zum 30. Juni dieses Jahres unter Dach und Fach sein müsse.

FDP-Fraktionen wollen europarechtskonforme Diskussionsgrundlage schaffen

Während im Kieler Innenministerium derzeit 21 Anträge „schmoren“ (16 beziehen sich auf Sportwetten, fünf auf Online-Spiele wie etwa Poker), wollen insbesondere liberale Politiker in den Ländern das Ruder herumreißen, damit nicht nur der hohe Norden von einer EU-konformen Regulierung profitiert. „Das Gesetz der schwarz-gelben Koalition in Kiel ist das bisher einzig vernünftige Modell“, sagte Hessens FDP-Fraktionschef Florian Rentsch. Der Hesse ist zugleich auch Sprecher aller FDP-Fraktionsvorsitzenden in Bund, Ländern und Europa. Die FDP-Fraktionen in den Ländern prüften nun, eigene Gesetzesentwürfe vorzulegen und damit eine europarechtskonforme Diskussionsgrundlage zu schaffen. Für das Verbot von Online-Spielen gebe es keine Begründung, so Rentsch. Dazu hätte es nicht erst der EU-Kommission bedurft, um dies noch einmal festzustellen.

Auch Experten aus der Wissenschaft halten es für hoch problematisch, dass der Entwurf für einen neuen Staatsvertrag eine unterschiedliche Behandlung von Online-Poker und Online-Sportwetten vorsieht. Der EU-Kommission zufolge ist aber eine Ungleichbehandlung von Glücksspielen mit ähnlichem Suchtpotential nicht gerechtfertigt, da es keine Belege und wissenschaftlichen Grundlagen für diese Ungleichbehandlung gibt. Eine aktuelle wissenschaftliche Studie http://www.it-tuv.com/news/online-poker-texas.html des Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten http://www.forschung-gluecksspiel.com im Auftrag der neutralen und unabhängigen TÜV TRUST IT GmbH Unternehmensgruppe TÜV AUSTRIA beweist: Online-Poker Texas Hold“em birgt – wie die Sportwette auch – nur mittleres Risiko. Aufgrund dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse ist es umso unverständlicher, dass Online-Poker in Deutschland – mit Ausnahme des Bundeslandes Schleswig-Holstein – bis heute nicht reguliert ist. „Trotz dieses Verbots ist der deutsche Markt für Online-Poker der zweitgrößte der Welt. Etwa zehn Prozent alle online Pokerspielenden kommen aus Deutschland“, so ein Befund der Studie.

Setzen sich die besseren Argumente aus Kiel auch deutschlandweit durch?

„Die Studie bestätigt sicherlich eher unser Modell“, so CDU-Politiker Arp. „Entscheidend ist für mich jedoch etwas anderes: Ausgerechnet im größten und am schnellsten wachsenden Glücksspielmarkt – dem Internet – findet dieses völlig abseits jeglicher staatlicher Kontrolle und jeglichen staatlichen Einflusses statt. Weil dieser Markt in Deutschland bislang ignoriert wurde, hat der Staat keine Möglichkeit, für Spielerschutz und Suchtprävention zu sorgen. Das ist das eigentliche Problem, das wir ändern wollen. Ich nehme wahr, dass zumindest in Hessen und Niedersachsen Bewegung in die Sache kommt und bin überzeugt, dass sich unsere besseren Argumente am Ende deutschlandweit durchsetzen werden.“

Auch der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) hält den Staatsvertragsentwurf in der jetzigen Form für gescheitert. Er befindet sich damit auf einer Linie mit dem Hannoveraner FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr, der gegenüber dem P.T. Magazin erklärte: „Die EU-Kommission hat so reagiert, wie wir es erwartet haben: Die Kommission hält den Vertrag nicht für europarechtskonform. Die Beschränkung bei den Konzessionen ist europarechtlich nicht begründbar und hat auch mit Wettbewerb nichts zu tun. Deshalb gäbe es die Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens. Wir müssen nun zügig sehen, wie wir einen rechtssicheren Weg hinbekommen. Da könnte ein Blick nach Schleswig-Holstein helfen. Dort wurde im Landtag ein Modell verabschiedet, dass mit dem Europarecht vereinbar ist. Hier wird zum Beispiel die Zahl der Anbieter eben nicht begrenzt. Es ist schade, dass sich die SPD-Länder nach wie vor einem europarechtskonformen Modell verweigern.“ Zumindest bei den Liberalen in den übrigen Ländern besteht offenbar wenig Lust, demnächst eine erneute „Ohrfeige“ aus Brüssel zu bekommen.

Hessens liberaler Fraktionschef Rentsch hat daher der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz bereits vorgeschlagen, in den nächsten Wochen eigene Gesetzentwürfe zu prüfen, „die sich am bisher einzig vernünftigen Modell, nämlich dem in Schleswig-Holstein durch CDU und FDP bereits verabschiedeten Gesetz, orientieren“. Ob das Nord-Modell, so das Hamburger Abendblatt, bei dem Glücksspielanbieter unbegrenzt Lizenzen für Sportwetten und Online-Spiele beantragen können, doch noch zur Grundlage einer bundesweiten Regelung wird, könnte sich kommende Woche auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin entscheiden.

Träte dieser Fall ein, wäre ein jahrelanges Hick-Hack beendet. Dies könnten nicht nur die Landespolitiker auf der Habenseite verbuchen, da sie sich dann die erneute Demütigung durch Brüssel ersparen würden. Profitieren würden die Länder über ein Mehr an Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen sowie an Spielerschutz. Schleswig-Holstein hat indes bereits mehrere Glücksspiel-Anbieter in Land geholt, vor allem als Sport-Sponsoren. Regulierung und moderate Liberalisierung, so könnte ein Fazit laut, ist besser als der Wildwuchs, der sich im jetzigen Staatsvertragsentwurf niederschlägt.

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