Lothar Matthäus war der Leitwolf der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die 1990 Weltmeister wurde. 2002 führte der „Titan“ Oliver Kahn die Deutsche Mannschaft bis ins Finale der WM. Und wer war der herausragende Spieler bei der WM 2010 in Südafrika? Michael Ballack? – Er fehlte verletzt. Philipp Lahm? – Er war der Kapitän. Aber der Spieler, der entscheidenden Einfluss beim Gewinn der Vizeweltmeisterschaft hatte, war Bastian Schweinsteiger. Bei der WM 2006 in Deutschland noch als „Schweini“ bezeichnet und einer der „jungen Wilden“, reifte er in den folgenden Jahren zu einer Persönlichkeit, von der nun fast ehrfürchtig von „Herrn Schweinsteiger“ gesprochen wird. Ohne ein charismatischer und extrovertierter Spieler zu sein, wie z.B. Oliver Kahn, wird er als Führungsspieler gesehen und akzeptiert, allerdings ohne selbst die Kapitänsbinde zu tragen. Einsatzfreude auf dem Spielfeld, zum richtigen Zeitpunkt ein kritisches Wort außerhalb des grünen Rasens, Akzeptanz und Respekt gleichsam von Mit- als auch von Gegenspielern – kurzum ein gutes Modell, um in die Thematik „Führen ohne Chef zu sein“ einzuleiten. Auch in Unternehmen zeichnet sich ein Trend ab: es entstehen immer mehr Positionen ohne klassische Vorgesetztenfunktion, u.a. Projektleiter. Doch lässt sich das aufgezeigte Beispiel 1:1 in die klassische Berufspraxis übertragen? Der schmale Grat auf dem Unternehmen heute wandern, gerade in unruhigen oder stürmischen Zeiten, wird bestimmt von flexiblen Entscheidungsträgern, die das nötige Fingerspitzengefühl, aber auch den unerlässlichen Durchsetzungswillen haben müssen. Wie kann das gelingen, bei unterschiedlicher Interessenlage?
„Oben gedacht, unten gemacht!“ Ein Gedanke, den Henry Ford (Automobilkonzerngründer) bis ins Detail erfolgreich verfolgte – allerdings zu einer völlig anderen Zeit. Der Personal- als auch der Zeitbedarf waren gerade im produzierenden Gewerbe bedeutend größer. Die Arbeitsbedingungen heute müssen auf den Menschen, die Situation und die Bedürfnisse abgestimmt werden und nicht umgekehrt. Durch die Veränderung der Arbeitswelt, die mit Computern eine Vernetzung ungeahnten Ausmaßes gewonnen hat, finden sich immer mehr Matrixorganisationen, wodurch die Strukturen vieler Unternehmen hierarchisch abgeflacht sind. Die gesamte Komplexität nimmt zu und von Sachzwängen, Unsicherheiten und gegenseitigen Abhängigkeiten geprägt, ist bei der Zusammenarbeit mit Systempartnern und Lieferanten mit hierarchischem Druck selten was zu machen, so dass die Ursache-Wirkungszusammenhänge schwer zuzuordnen sind und eine einzige verantwortliche Stelle nicht bestimmt werden kann. Wer wem aktuell etwas zu sagen hat, ist kaum auszumachen. Eine Führungskraft behauptet sich heute selten allein durch formale Macht. Hierarchien brechen weiter auf, Kooperation und Einbeziehen der Mitarbeiter werden stetig wichtiger, um sich durchzusetzen – Autorität passt schlichtweg kaum noch ins Wertesystem moderner Gesellschaften. Führung heißt längst nicht mehr, einer müsse Rahmenbedingungen schaffen, Entscheidungen treffen, delegieren, kontrollieren, sagen, wo es langgeht.
Dies impliziert die berechtigte Frage, wie ich Menschen für meine Vorhaben gewinnen kann, ohne Weisungsbefugnis zu haben? „Führen ohne Chef zu sein“ bedeutet nicht, dass Führungskräfte überflüssig werden, denn um in den komplexen Unternehmensstrukturen den Überblick zu behalten, bedarf es nach wie vor formaler Macht. Aber erfolgreich wird Führung erst dann, wenn alle Beteiligten sie wahrnehmen. Das funktioniert beim lateralen Führen, indem auf einer übergreifenden Hierarchie-Ebene immer wieder Engagement und Verantwortungsbewusstsein für die Zielerreichung geschaffen wird. Dabei sind ein klares Verständnis und der Umgang mit der eigenen Rolle, ein konstruktiver und wertschätzender Umgang mit Mitarbeitern und ein gelungenes Verknüpfen der Instrumente der partizipativen Mitarbeiterführung, der Teambildung und des Projektmanagements wichtige Grundvoraussetzungen. Führung zur Selbstverantwortung bedeutet für die Leitungsebenen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Entwicklungsmöglichkeiten zuzugestehen, Fehler als Chancen zum Lernen zuzulassen und schon durch die innere Einstellung dem Gegen