Der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowskij hat aus seinem Straflager in der russischen Teilrepublik Karelien seine Mitbürger aufgerufen, sich an den Präsidentschaftswahlen zu beteiligen, auch wenn das Ergebnis vorher so gut wie feststehe. Die entscheidende Frage bei dem Urnengang am 4. März sei, ob Putin im ersten oder zweiten Wahlgang gewinne, schrieb der wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen verurteilte Kreml-Kritiker in einem Exklusiv-Beitrag für das Nachrichtenmagazin „Focus“. Sollte Putin im ersten Wahlgang eine Mehrheit verpassen, würde dies belegen, dass die „von vielen so sehr ersehnten Veränderungen bereits im vollen Gange sind.“
Dazu sei eine hohe Wahlbeteiligung notwendig. Die Wähler müssten strategisch vorgehen, so Chodorkowskij. Auch wenn viele Russen lieber für Bewerber stimmen würden, „denen zu kandidieren nicht erlaubt wurde“, sollten sie einen aufmerksamen Blick auf die „alternativen“ vier „Kandidaten“ werfen, die gegenüber Putin als loyal gelten. Niemand erwarte über Nacht Veränderungen, so der prominenteste Häftling Russlands, aber die kommende Wahl biete die Chance, das Machtmonopol des Präsidenten zu beenden. Unabhängig vom Ausgang der Wahl sei schon heute unmissverständlich, dass „echter politischer Wandel in Russland unausweichlich“ sei, schrieb Chodorkowskij. Die westlichen Länder forderte er auf, ihre Haltung gegenüber Moskau zu ändern: „Sie sollen nicht mehr nach dem Pfeifen der Gasleitungen tanzen.“ Der Westen müsse deutlich und mit einer Stimme von der „Unabdingbarkeit echter Demokratisierung“ sprechen, und dürfe sich nicht „hinter der Mär von der Stabilität mit ihrem vermeintlichen Garanten verstecken“. Damit legitimiere der Westen „ein Regime, welches das eigene Volk betrügt.“ Der Putin-Kritiker Chodorkowskij war Chef des Ölkonzerns Yukos und bis zu seiner Inhaftierung 2003 der reichste Russe. Unter anderem finanzierte er die Opposition und kritisierte Korruption im Umfeld des damaligen Präsidenten Wladimir Putin. Seine zwei Verurteilungen wegen Wirtschafts- und Steuerdelikten gelten als politisch motiviert.