Entscheidung über ADHS-Medikation: „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind“

(red/dpa). Nach einer Trennung gibt es zwischen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht selten Reibereien, wenn es um Entscheidungen für das Kind geht, zum Beispiel in Gesundheitsfragen. Sind dies wichtige Fragen – also solche von „erheblicher Bedeutung“ – kann das Gericht auf Antrag eines Elternteils das Recht, darüber zu entscheiden, auf ein Elternteil übertragen.

Die Eltern konnten sich nicht über die Behandlung ihres an ADHS leidenden Kindes einigen. Die Mutter plädierte für die Weiterbehandlung ihres Sohnes mit einem höherdosierten Methylphenidat. Das lehnte der Vater ab. Er stimmte nur der Beibehaltung der derzeitigen Medikation zu und dies nur jeweils für drei Monate. Eine Höherdosierung wollte er nur bei für ihn nachvollziehbarer Indikation zustimmen.

Vor dem Hintergrund des Elternkonflikts entschied die Ärztin, dass sie eine medikamentöse Behandlung so nicht sinnvoll durchführen könne. Damit stand die psychiatrischen Weiterbehandlung in Frage.

Das Amtsgericht übertrug der Mutter das Recht zur Entscheidung über die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung ihres Sohnes, wogegen der Vater Beschwerde einlegte.

Ärztliche Behandlung des Kinds: Wer entscheidet?
Ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht folgte dem Amtsgericht in der Einschätzung, dass es sich bei der Frage nach der Behandlung des Kinds um eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung handele. Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern in einer Angelegenheit, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Entscheidung richtet sich nach dem Kindeswohl. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der in der jeweiligen Angelegenheit das Konzept verfolgt, das für das Kindeswohl besser geeignet ist.

Das Ob und Wie der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung betreffe nicht lediglich eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Sie habe vielmehr erhebliche Bedeutung für das Kind und könne positive, aber auch schwer abzuändernde Auswirkungen auf seine Entwicklung haben. Sowohl zu Beginn als auch im Rahmen der laufenden Behandlung seien Chancen sowie Risiken und mögliche Nebenwirkungen gegeneinander abzuwägen. Die Entscheidung hierüber sei ähnlich wichtig wie die über die Impfung gegen eine bestimmte Infektionskrankheit.

Gesundheitssorge: Kindeswohl entscheidet
Das Amtsgericht habe die Gründe hierfür – die wesentlich auch im Verhalten des Vaters lägen – ausgeführt. Aus diesen Gründen sei die Mutter besser geeignet, mit Blick auf das Kindeswohl eine kontinuierliche fachärztliche Behandlung des Sohnes zu gewährleisten und die Therapieempfehlungen zu befolgen.

Dazu gehöre nötigenfalls auch die Erhöhung der Dosis der Medikation. Dabei habe das Amtsgericht mit Recht auch darauf hingewiesen, dass der Junge bei der Mutter seinen Lebensmittelpunkt habe. Sie sei also diejenige, die sein Verhalten täglich erlebe. Auch stehe sie im ständigen Austausch mit Schule und Bezugsbetreuern, so dass sie die erforderlichen regelmäßigen Rückmeldungen an die Fachärztin geben könne.

Oberlandesgericht Karlsruhe am 31. Juli 2024 (AZ: 20 UF 85/24

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