Die Häufigkeit der Kontenabrufe durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Das ergibt sich nach einem Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, die dem Blatt vorliegt. Die Anzahl der von der BaFin abgerufenen Konten hat sich von 48.5289 im Jahr 2005 auf 1.050.726 im Jahr 2011 mehr als verdoppelt.
Beim BZSt wuchs die Zahl der Kontenabrufe von 8.689 im Jahr 2005 auf 62.633 im vorigen Jahr; im Januar 2012 kamen bereits 5.472 neue Fälle hinzu. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hans Bernhard Beus, räumt in der Antwort ein, dass „ein Anstieg der Kontenabrufe durch die hierzu befugten Behörden (insbesondere Strafverfolgungsbehörden und Finanzbehörden) zu verzeichnen“ sei, fügt aber hinzu: „Dies spiegelt nur den tatsächlichen Ermittlungsbedarf wieder.“ Zudem sei der Zuwachs auf die verbesserten technischen Möglichkeiten zurückzuführen. Eil-Abfragen seien heute in 24 Stunden möglich. Die Anfragen gingen 2011 in erster Linie von Finanzämtern (40.901 Mal), Kommunen in Steuerangelegenheiten (12.666 Mal) und Arbeitsagenturen (6.887 Mal) aus. Für die Nachrichtendienste (Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst) wurden der Antwort zufolge „bislang noch keine Kontenabrufe durchgeführt“; für Gerichtsvollzieher ist dies erst ab 2013 möglich. Es werden jeweils Name, Anschrift und Geburtsdatum eines Kontoinhabers abgefragt sowie seine Konto-Nummer, das Eröffnungs- bzw. Auflösungsdatum eines Kontos und schließlich Informationen über Bausparverträge und Wertpapierdepots. Ziel ist es in erster Linie, Steuerbetrug und Sozialleistungsmissbrauch auf die Spur zu kommen. Allerdings räumt das Finanzministerium ein, darüber, wie oft die Kontenabfrage bei der Aufklärung von Straftaten sowie von Steuer- und Sozialleistungsbetrug hilfreich gewesen sei, lägen ihm jeweils „keine statistischen Zahlen“ vor. Der Innenexperte Jan Korte, Mitglied des Vorstandes der Linksfraktion, kritisierte die Steigerung. „Die Behauptung der Bundesregierung, wonach die Vorschriften verhindern würden, dass die automatisierte Kontenabfrage zu einem Routineinstrument wird, ist lächerlich“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Der drastische Anstieg der Abfragen zeigt das genaue Gegenteil. Das, was 2005 als Ausnahmeinstrument zur Terrorbekämpfung eingeführt wurde, entpuppt sich 2012 als Alltagsüberwachungsmaßnahme Tausender Girokontoinhaber.“