Die Change- und Transformationsberatung bleibt ein „people business“

Das Beratungsunternehmen Kraus & Partner (K&P) hat die Dranbleiber GmbH, Köln, übernommen. Ein Interview mit den Inhabern der beiden Consultingunternehmen über die Motive und die Entwicklung im Beratungsmarkt.

? Herr Prof. Dr. Kraus und Herr Pfander, das Beratungsunternehmen Kraus & Partner, dessen geschäftsführende Gesellschafter Sie sind, hat die Dranbleiber GmbH übernommen. Warum?
Georg Kraus: Weil wir als auf das Themenfeld Change und Transformation spezialisiertes Beratungsunternehmen unser Beraterteam im Bereich Teamentwicklung und -führung weiter ausbauen wollten.
Kevin Pfander: … und die Dranbleiber hierauf spezialisiert sind.
? Warum stand die GmbH zum Verkauf?
Michael Schön: Mein bisheriger Geschäftspartner, der Gründer der GmbH, wollte aus dem Unternehmen ausscheiden. Deshalb stand ich vor der Entscheidung: Führe ich das Unternehmen allein weiter oder schließe ich mich einer größeren Organisation an?
? Sie entschieden sich für Letzteres. Warum?
Schön: Weil sich der Beratungsmarkt stark verändert hat.

Der Changebedarf in den Unternehmen steigt
? Inwiefern?
Schön: Früher ging es bei den Projektaufträgen, die wir in größeren Unternehmen realisierten, primär um Veränderungen in einzelnen Teams oder Bereichen. Heute hingegen lautet das Ziel oft, die gesamte Organisation neu auszurichten.
? Warum? Aufgrund der massiv veränderten Rahmenbedingungen?
Schön: Ja, als Stichworte seien hier nur die Begriffe Energiewende, Klimawandel, Inflation, Ukraine-Krieg, multipolare Weltordnung und Künstliche Intelligenz genannt. Deshalb sind die Changeprojekte heute komplexer. Zudem werden mehr Kompetenzen benötigt, um die Ziele zu erreichen. Deshalb wuchs bei den Dranbleibern die Erkenntnis: Entweder wir entwickeln uns zu einer Art Manufaktur, die primär Teilprojekte in den Unternehmen durchführt, oder wir kooperieren mit einem größeren Partner?
? Warum kontaktierten Sie gerade Kraus & Partner?
Schön: Weil K&P wie die Dranbleiber auf das Thema Change und Transformation spezialisiert ist, auch wenn unser Fokus primär auf der Team- und Führungskräfteentwicklung liegt.
Pfander: Hinzu kam, K&P und die Dranbleiber hatten schon mehrfach bei firmeninternen Projekten zusammengearbeitet. Deshalb wussten beide Organisationen von welchen Überzeugungen und Qualitätsansprüchen sich die jeweils andere bei ihrer Arbeit leiten lässt.

Changeberatung kann man nicht digitalisieren
? Warum war Ihnen dies wichtig?
Kraus: Weil unser Beratungsgeschäft ein people business ist.
? Bei dem man die Leistungserbringung nicht so stark standardisieren und automatisieren kann wie in Dienstleistungsunternehmen, die primär Daten erfassen und auswerten?
Kraus: Ja. Bei Beratungsunternehmen, die wie K&P eine Kulturveränderung, also eine Veränderung in den Köpfen und somit im Verhalten der Menschen in den Unternehmen anstreben, spielt die Haltung der Berater und die Beziehung Mensch-Mensch eine erfolgsentscheidende Rolle.
? Warum?
Kraus: Weil sie mit den Menschen dort in einen lebendigen Dialog treten müssen, um beispielsweise die mentalen Barrieren und Dysfunktionalitäten in der Zusammenarbeit abzubauen, die einer Zielerreichung und Steigerung der Performance im Wege stehen.
? Und vermutlich müssen die involvierten Berater, Coaches usw. auch dieselbe Sprache sprechen?
Pfander: Ja. Sie müssen sich zumindest von gemeinsamen Grundmaximen leiten lassen, damit nicht der eine den Mitarbeitern dies und der andere das erzählt. Denn dann entsteht in den Unternehmen zum Beispiel keine neue Kultur der Zusammenarbeit, sondern ein chaotischer Wildwuchs, weil das nötige Alignment fehlt.
? Das Beraterteam muss also am selben Strang ziehen?
Pfander: Ja, wie das Führungsteam des Unternehmens, das den Changeprozess durchläuft. Sonst verunsichert es die Mitarbeiter und sonstigen Stakeholder, was gerade in Krisen- und Marktumbruchzeiten gefährlich ist.
Schön: Deshalb legen wir in der Startphase von Changeprojekten einen großen Wert auf eine exakte Auftragsklärung und das Erzielen eines Commitments im Führungsteam über die zu erreichenden Ziele und das gemeinsame Vorgehen.

Entwicklungsziele konkretisieren und operationalisieren
? Das würden wohl alle Organisationsberater sagen.
Pfander: Stimmt! Doch in der Praxis erleben wir oft, dass die Zielvereinbarungen speziell auf der Kulturebene und Ebene der Zusammenarbeit sehr vage sind.
? Warum?
Pfander: Weil die Berater bei deren Vereinbarung nicht konsequent nachfragen „Was heißt das?“, „Worin zeigt sich das?“ und so die Top-Executives zur Konkretisierung zwingen. Dabei wäre dies nötig.
? Wieso?
Schön: Weil oberflächlich betrachtet die Entscheider sich meist einig sind. Fragt man jedoch zum Beispiel nach „Was heißt es, agil, innovativ, wertschätzend oder kundenorientiert zu sein?“ und „Worin zeigt sich das?“, dann bekommt man bei zehn Befragten elf Antworten, und das führt im Projektverlauf häufig zu Konflikten und Akzeptanzproblemen.
? Können Sie das erläutern?
Pfander: Nehmen Sie den Bereich Führung und Zusammenarbeit. Heute werden – auch im Gefolge der Digitalisierung – die Kernleistungen der meisten Unternehmen von funktions-, bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifenden Teams erbracht; Teams, die zudem häufig einen virtuellen oder hybriden Charakter haben. Hierdurch haben sich auch die Anforderungen an Führung verändert.

Führungskräfte müssen Beziehungsmanager sein
? Inwiefern?
Schön: Früher mussten die Führungskräfte primär die ihnen unmittelbar unterstellten Mitarbeiter führen; heute hingegen müssen sie zudem, wenn ihr Bereich seinen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leisten soll, meist auch Personen führen bzw. inspirieren, die ihnen hierarchisch nicht unterstellt sind.
? Wie zum Beispiel die Mitarbeiter und Führungskräfte der anderen Bereiche, die an der Leistungserbringung beteiligt sind, oder externe Dienstleister.
Schön: Ja. Deshalb müssen sich die Führungskräfte zunehmend als Beziehungs- bzw. Netzwerkmanager verstehen.
Pfander: Hinzu kommt, weil ihre Teams oft einen virtuellen oder hybriden Charakter haben, stehen die Führungskräfte vermehrt vor der Herausforderung, Personen auf Distanz zu führen. Den hieraus resultierenden Changebedarf im Bereich Führung und Zusammenarbeit kann man zwar mit Begriffen wie „Vertrauenskultur“, „Kooperation“ und „Eigenverantwortung“ allgemein beschreiben, was dies jedoch für das Miteinander konkret bedeutet, das gilt es im Dialog mit den Führungskräften bzw. Mitarbeitenden zu erarbeiten.
? Könnten dies die Führungskräfte nicht ohne externe Unterstützung tun?
Pfander: Im Prinzip ja, doch viele von ihnen sind zurzeit stark verunsichert.
? Wodurch?
Pfander: Seit Jahren poppt in der Managementdiskussion zum Beispiel immer wieder das Thema auf, inwieweit Führung in den Unternehmen überhaupt noch nötig sei. Also Stichwort sei hier nur der Begriff Holacracy genannt. So auch in der aktuellen KI-Debatte. Auch in ihr wird zum Teil postuliert, KI-Systeme könnten künftig Führung ersetzen. Auch diese Debatte verunsichert Führungskräfte, obwohl sie irreal ist.

KI-Systeme können Führungskräfte nicht ersetzen
? Warum?
Pfander: Weil die Digitaltechnik, wozu die künstliche Intelligenz zählt, die Führungskräfte zwar von gewissen Aufgaben entlasten kann, sie kann aber nicht die eigentliche Führung und Kommunikation Mensch-Mensch ersetzen. Das hat sich unter anderem in der Nach-Corona-Zeit gezeigt, als die Mitarbeitenden weitgehend im Homeoffice arbeiteten, weshalb die Zusammenarbeit und Kommunikation im Team weitgehend digital erfolgte.
Schön: Was heute in vielen Unternehmen Standard ist.
Pfander: Richtig. Der verstärkte Einsatz von Digitaltechnik führte aber nicht dazu, dass der Bedarf an Führung sank. Im Gegenteil heute müssen die Führungskräfte oft mehr Zeit als früher in die Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden investieren – auch um sicherzustellen, dass deren emotionale Bindung ans Unternehmen und Identifikation mit ihren Aufgaben gewahrt bleibt.
Schön: Ähnlich wird es bei einem verstärkten KI-Einsatz sein. Hierdurch werden sich zwar die Arbeitsprozesse und -inhalte verändern, der Bedarf an Führung wird aber nicht sinken.

Kulturwandel vollzieht sich in der Beziehung Mensch-Mensch
? Heißt das, für Sie als auf das Themenfeld Change und Transformation spezialisiertes Beratungsunternehmen wird sich durch einen verstärkten KI-Einsatz in den Unternehmen faktisch wenig ändern?
Kraus: Ja. Zwar müssen auch wir uns intensiv mit dem Thema KI befassen, ebenso wie wir dies in den vergangenen Jahren bereits mit dem Thema Digitalisierung taten; allein schon, um zu verstehen, vor welchen Herausforderungen aufgrund der veränderten Arbeitsstrukturen und -beziehungen die Führungskräfte und Mitarbeitenden der Unternehmen stehen. Inhaltlich wird sich durch den verstärkten KI-Einsatz an unserer Arbeit aber so wenig ändern, wie dies durch den verstärkten Einsatz der Digitaltechnik in der Kommunikation und Zusammenarbeit geschah.
? Die Digitalisierung war für K&P also kein Anlass, die Dranbleiber zu erwerben?
Kraus: In keiner Weise, obwohl oft behauptet wird, der verstärkte KI-Einsatz werde zu einem Konzentrationsprozess und Personalabbau auch in der Beraterbranche führen. Dies wird voraussichtlich bei Consultingunternehmen der Fall sein, deren Geschäft primär das Erfassen, Analysieren und Interpretieren von Daten ist, in unserem Business aber nicht, denn: Das Unterstützen von Personen und Organisationen bei Change- und Transformationsprozessen ist und bleibt ein People Business, das primär von der Beziehung Mensch-Mensch lebt.
? Danke für das Gespräch.

Die Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal, unterstützt Unternehmen weltweit beim Planen, Durchführen, Steuern und Evaluieren von strukturellen und kulturellen Veränderungsprozessen. Die Change Management-Experten vermitteln den Mitarbeitern von Unternehmen außerdem die erforderliche Haltung sowie die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um die aus Wandel resultierenden Herausforderungen mit Erfolg zu meistern.

Für die Unternehmensberatung Kraus & Partner arbeiten über 100 Trainer, Berater und Projektmanager weltweit. Ihr geschäftsführender Gesellschafter ist der diplomierte Wirtschaftsingenieur Dr. Georg Kraus, der an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement promovierte und seit 1994 Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal ist.

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Vanessa Griebel
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