Lügendetektor: Zwischen Hollywood und Rechtsstaat

1. Was ist ein Polygraph?

Polygraphen (griechisch für „Vielschreiber“), umgangssprachlich als Lügendetektoren bekannt, sind Instrumente, die zur Messung verschiedener physiologischer Parameter verwendet werden, um Stress zu erkennen und daraus Indizien dafür abzuleiten, ob eine Person die Wahrheit sagt oder lügt, eine Tat begangen hat oder unschuldig ist. Die gebräuchlichsten physiologischen Parameter, die von einem Polygraphen gemessen werden, sind die Atemfrequenz, der Blutdruck, die Hautleitfähigkeit und die Herzfrequenz.

Uns ist allen aus Eigenbeobachtung bekannt, dass wir schneller atmen, unser Puls und unser Blutdruck ansteigen, wenn wir unter Stress stehen, sei es, dass wir Sport betreiben, mit einer Person sprechen, für die wir amoröse Gefühle entwickelt haben, oder von unserem Partner einer kleinen Notlüge überführt werden. Auch die Hautleitfähigkeit lässt Rückschlüsse auf unser Stressniveau zu, denn die Stromdurchleitung wird durch Schweißsekretion gefördert. Stress, der sich in Angstschweiß äußert, wird über die Hautleitfähigkeit messbar.

Der Hauptgedanke hinter einem Polygraphentest ist, dass Lügen bei der lügenden Person in der Regel zu – zumindest minimal – erhöhtem Stress und dieser zu kaum beherrschbaren physiologischen Reaktionen führt. Sinngemäßes gilt, wenn der Täter mit „Insiderwissen“ der Tat konfrontiert wird. Wenn ein Polygraph ausschlägt, bedeutet dies somit einzig und allein, dass eine spezifische Frage im Vergleich zu anderen Fragen eine überdurchschnittliche Reaktion des vegetativen Nervensystems auf Seiten des getesteten Menschen auslöst. Warum dies der Fall ist, kann kein Polygraph interpretieren, sondern ist Aufgabe der anwendenden Person.

Die Annahme einer detektierbaren Stressreaktion eines Lügner gilt aber nicht ausnahmslos: Physiologische Reaktionen können sowohl bei an bestimmten physischen oder psychischen Erkrankungen leidenden Personen nicht normgerecht ausfallen, als auch bei ganz gesunden Personen, wenn diese zwar Lügen, bei denen die konkrete Lüge aber zu keiner emotionalen Reaktion führt, etwa weil der Gegenstand der Lüge völlig nebensächlich ist. Auch die Einnahme bewusstseinsverändernder Substanzen kann signifikanten Einfluss auf unser Nervensystem haben und daher Ergebnisse einer Untersuchung mittels Polygraphen verzerren. Letztlich darf nicht übersehen werden, dass gerade Unschuldige Personen, denen der Vorwurf einer verbotenen Verhaltensweise gemacht wird, unter Umständen starke Stressreaktionen zeigen, sei es aufgrund der Angst vor den drohenden Konsequenzen, sei es aufgrund eigener Gerechtigkeitserwägungen (Othello-Effekt).

Die Verwendung von Polygraphen kann einige positive Effekte mit sich bringen. Dazu zählt die schnelle und verhältnismäßig leichte Anwendung des in seiner Anschaffung und Anwendung zudem nicht besonders teuren Polygraphen – nicht zu verwechseln mit der anspruchsvollen Auswertung der Testergebnisse, die, wie unten noch gezeigt wird, mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Den Vorteilen stehen umgekehrt zahlreiche Nachteile gegenüber, zu denen ethische Fragen ebenso zählen wie im Detail uneinheitliche Studienergebnisse und Dissens im wissenschaftlichen Diskurs. Hierauf wollen wir nachstehend eingehen.

2. Wie wird der Polygraph angewendet?

2.1 Direkte Verfahren

Das praktisch bedeutsamste direkte Verfahren ist der Kontrollfragentest. Bei diesem werden einerseits sich unmittelbar auf die Tat beziehende Fragen gestellt (direkte Fragen), zum anderen Fragen, die nicht die befragungsgegenständliche Tat, sondern Verhaltensweisen betreffen, die gemeinhin als verwerflich angesehen werden (Kontrollfragen). Völlig neutrale Fragen runden als dritter Fragentypus den Kontrollfragentest ab und dienen als Referenzwert für das grundsätzliche emootionale Niveau des Probanden. Konzeptuell reagieren Täter auf die Tat betreffenden Fragen stärker emotional, unschuldige Personen hingegen auf die Kontrollfrage.

Dem Kontrollfragentest zufolge könnte der Proband etwa gefragt werden, ob er seine Frau erstochen habe (direkte Frage), um die physiologische Reaktion auf diese Frage der physiologischen Reaktion auf eine Kontrollfrage gegenüber zu stellen. Als Letztgenannte könnte die Frage gelten, ob der Proband bereits einmal einem Lebewesen absichtlich körperlichen Schmerz zugefügt habe. Als neutrale Frage könnte das Geburtsdatum der befragten Person eruiert werden.

2.2 Indirekte Verfahren

Den direkten Verfahren sind die indirekten gegenüber zu stellen, zu denen der Tatwissenstest zählt. Bei diesem werden systematisch nach Multiple-Choice-Muster Fragen zur Tatbegehung gestellt, um herauszufinden, ob die befragte Person tatrelevantes Spezialwissen hat, das eine außenstehende Person nicht haben kann.

Unser bereits im Vorabsatz eingeführter Proband könnte etwa gefragt werden, womit er seine Frau erstochen habe, und zwar (a) durch ein Küchenmesser, (b) durch eine Machete oder (c) durch ein Klappmesser. Wesentlich ist, dass alle Optionen zur Beantwortung der Frage gleichermaßen plausibel sind und Probanden das abgefragte Spezialwissen nicht aus zulässiger Quelle, etwa Medienberichte, erlangt haben dürfen. Werden verschiedene Tatverdächtige mit der soeben gestellten Frage konfrontiert, ist davon auszugehen, dass der tatsächliche Täter auf die faktisch zutreffende Antwortoption stärker emotional reagiert als auch die nicht zutreffenden Antwortmöglichkeiten, während Befragte, die die Tat nicht begangen haben, auf sämtliche Antwortmöglichkeiten sehr ähnliche physiologische Reaktionen zeigen werden.

3. In welchen Ländern finden Polygraphen systematisch Verwendung?

4.1 Systematische Verwendung

Wer sich an einen Lügendetektor angeschlossene, vor Angstschweiß triefende Personen vorstellt, denkt wohl unweigerlich an die Vereinigte Staaten. Dies zu Recht, denn die USA verwenden Polygraphentests in einer Vielzahl von Bereichen, darunter in der Strafverfolgung, aber auch in der Privatwirtschaft, etwa bei Sicherheitsüberprüfungen und Einstellungsverfahren. Inwieweit Polygraphen Verwendung finden und ihren Ergebnissen getraut werden darf, ist sowohl auf Bundesebene, als auch auf Ebene der Bundesstaaten uneinheitlich geregelt; in fast allen Bundesstaaten, in denen der Polygraph vor Gericht Verwendung finden kann, ist dies im Strafrechtswesen allerdings sowohl an die Zustimmung des Beschuldigten, als auch der Staatsanwaltschaft gebunden, also keine Verpflichtung des Beschuldigten gegeben, seinen Körper gegen seinen Willen als Beweismittel zur Verfügung zu stellen, um an seiner eigenen Überführung mitzuwirken (siehe hierzu auch Punkt 4.2).

In Kanada werden Polygraphen ebenso in Strafverfolgung und Sicherheitsüberprüfungen eingesetzt, als Beweismittel vor Gericht aber nur eingeschränkt zugelassen. Ähnliches gilt für das Vereinigte Königreich, in dem Polygraphen zwar vor Gericht nicht als Beweismittel, mitunter aber in Ermittlungsverfahren eingesetzt werden. Auch in Israel finden Polygraphen im Bereich der Strafverfolgung und in der Privatwirtschaft eingeschränkt Verwendung.

4.2 Keine systematische Verwendung

In anderen Ländern ist die Verwendung von Polygraphen bzw der Ergebnisse einer Testung mittels Polygraphen jedenfalls durch Behörden und Gerichte nicht zulässig, wozu etwa Österreich, Deutschland und die Schweiz zählen. Ähnliches gilt – mit engen Ausnahmen – für Australien und Japan.

5. Weiterführende Informationen

Eine Vollversion unseres Artikels über Polygraphen finden Sie auf unserer Website. Auf dieser finden Sie umfangreiche Informationen aus der Welt von Wirtschaft und Recht und zu den Personen, die hinter unserer Sammlung an Know-How stehen: Die Rechtsanwälte Eva Schmelz, Dorian Schmelz und Danijel Ivkovic.

Schmelz Rechtsanwälte ist eine in Wien und Niederösterreich tätige Rechtsanwaltskanzlei.

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