Voraus des verbliebenen Ehegatten – was ist das eigentlich?
Immer mal wieder hört man im Zusammenhang mit dem Tod eines Ehepartners vom gesetzlichen Voraus des längerlebenden Ehepartners. Aber was ist das eigentlich und wem steht es unter welchen Voraussetzungen zu?
Der Voraus stellt ein gesetzliches Vorausvermächtnis dar, das dem überlebenden Ehegatten die Fortsetzung des gemeinschaftlichen Haushalts in der bisherigen Weise ermöglichen soll.
Er ist geregelt in § 1932 BGB:
(1) Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm außer dem Erbteil die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Hochzeitsgeschenke als Voraus. Ist der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung gesetzlicher Erbe, so gebühren ihm diese Gegenstände, soweit er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt.
(2) Auf den Voraus sind die für Vermächtnisse geltenden Vorschriften anzuwenden.
Um die Vorschrift besser zu verstehen, bedarf es vorab einer kurzen Erläuterung des Begriffs der gesetzlichen Erbfolge.
Bedeutsam wird der Voraus nur in der gesetzlichen Erbfolge (§§ 1924 ff BGB), also wenn der verstorbene Ehepartner kein Testament hinterlassen hat. Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass der Ehepartner grundsätzlich einen Teil vom verstorbenen Ehepartner erbt. Wie hoch dieser Teil ist, hängt zum einen vom Güterstand der Eheleute ab, zum anderen davon, ob der verstorbene Ehepartner Kinder hinterlässt oder nicht.
Bei dem am häufigsten gewählten Güterstand der Zugewinngemeinschaft erbt der längerlebende Ehegatte insgesamt mindestens die Hälfte des Nachlasses.
Hatte der Erblasser keine Kinder, erhöht sich dieser Anteil um ¼, so dass der überlebende Ehegatte am Ende ¼ + ½, also ¾ des Nachlasses erbt. Das restliche Viertel erben die Erben der sogenannten 2. Ordnung. Das sind die Eltern des Erblassers bzw., sollten diese schon verstorben sein, die Geschwister des Erblassers (§ 1931 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB).
Hinterlässt der Erblasser dagegen Kinder – gibt es also Erben der 1. Ordnung –, bleibt es bei einer Erbquote des längerlebenden Ehepartners von ½.
In beiden Fällen ist der überlebende Ehegatte nicht Alleinerbe, sondern muss sich das Erbe mit anderen „teilen“. Es entsteht also eine Erbengemeinschaft. Das hat zur Folge, dass der gesamte Nachlass des Erblassers entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote auf die Erben übergeht. Das Auto des Erblassers gehört nun beispielsweise zur Hälfte dem überlebenden Ehepartner, die andere Hälfte gehört den Kindern des Erblassers.
Muss sich nun der überlebende Ehepartner auch die Küchenmaschine oder das Sofa mit den Miterben teilen?
Diese Situation wäre für den längerlebenden Ehepartner, in dessen Haushalt sich die Gegenstände befinden und die er/sie demnach ständig nutzt, unerfreulich und unpraktisch, zumal er nach einer etwaigen Teilung der Haushaltsgegenstände Ersatz für die abgegebenen bzw. verwerteten Gegenstände anschaffen müsste.
Hier hilft die Regelung des § 1932 BGB. Danach darf der längerlebende Ehepartner zusätzlich zu seinem Erbteil diejenigen Haushaltsgegenstände behalten, die bisher den äußerlichen Rahmen der Lebensgemeinschaft gebildet haben. Als Haushaltsgegenstände gelten alle Gegenstände, die – ohne Rücksicht auf ihren Wert – im Hinblick auf die gemeinsame Lebensführung in den räumlich gegenständlichen Lebensbereich beider Eheleute einbezogen sind, z.B. Möbel, Teppiche, Geschirr, Küchengeräte, Waschmaschine, Rundfunk-, Fernseh- und Elektrogeräte. Auszunehmen sind solche Gegenstände, die besonderen (beruflichen, wissenschaftlichen, künstlerischen) Zwecken dienen oder die nach der Verkehrsauffassung dem persönlichen Bereich eines Gatten zuzuordnen sind (z.B. Kleidung, Schmuck, Kosmetika). Die Küchenmaschine muss also mit den anderen Miterben nicht geteilt werden.
Bei einem Pkw muss unterschieden werden: Wird ein Pkw von beiden Eheleuten gemeinsam benutzt, ist er als Haushaltsgegenstand i.S.d. § 1932 BGB anzusehen, auch wenn der Erblasser alleiniger Eigentümer des Pkw war. Wurde er ausschließlich vom Erblasser oder aber beruflich genutzt, fällt er in die Erbengemeinschaft.
Bezüglich des Umfangs differenziert § 1932 Abs. 1 BGB allerdings:
Ist der Erblasser kinderlos verstorben, so darf der längerlebende Ehegatte „die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände“ behalten, also sämtliche Haushaltsgegenstände.
Hat der Erblasser Kinder hinterlassen, stehen dem längerlebenden Ehepartner hingegen nur Haushaltsgegenstände zu, „soweit er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt“. Abzustellen ist hierbei auf den Zeitpunkt des Erbfalls. Was genau die Führung eines angemessenen Haushalts bedeutet, ist gesetzlich nicht geregelt. Angemessenheit ist jedenfalls zu verneinen, wenn der überlebende Ehegatte bereits genügend Gegenstände dieser Art besitzt oder ihm die Ersatzbeschaffung aus eigenen Mitteln zugemutet werden kann. Bei einer Interessenabwägung muss sich der längerlebende Ehegatte eine Reduzierung des Haushalts wegen des geringeren Bedarfs gefallen lassen. Es kommt also, wie so oft, auf den Einzelfall an.
Der längerlebende Ehegatte kann also die Haushaltsgegenstände in dem vorstehend beschriebenen Umfang für sich als Voraus und damit zusätzlich zu seinem Erbteil beanspruchen. Der Anspruch des längerlebenden Ehegatten auf Eigentumsübertragung an den Haushaltsgegenständen richtet sich gegen die Erbengemeinschaft. Für die Erbengemeinschaft stellt diese Forderung eine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB dar.
Wird der längerlebende Ehegatte allerdings aufgrund eines Testaments oder eines Erbvertrags Miterbe, wird er vom Erblasser enterbt oder verzichtet er auf sein Erbrecht oder schlägt die Erbschaft aus, steht ihm kein gesetzlicher Voraus zu.
Übrigens: Auch dem eingetragenen Lebenspartner wird ein entsprechender Voraus gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 bis 5 LPartG). Auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die Vorschrift hingegen nicht (analog) anwendbar.
Zum Voraus gehören neben den Haushaltsgegenständen auch die Hochzeitsgeschenke, also sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen anlässlich der Eheschließung. Auch bei Hochzeitsgeschenken gilt bei Verwandten der 1. Ordnung, dass er sie nur soweit behalten darf, wie sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt werden.
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