Widersprüche zwischen Verhandlungsprotokoll und Leistungsver-zeichnis

von Rechtsanwalt Michael M. Zmuda, Wollmann & Partner GbR, Berlin

Vereinbaren die Vertragsparteien individualvertraglich eine Reihenfolge in Be-zug auf die Geltung der einzelnen Vertragsbestandteile, ist diese Festlegung im Rahmen der Vertragsauslegung von ausschlaggebender Bedeutung für die Be-stimmung des vom Auftragnehmer geschuldeten Leistungsumfangs.

In dem entschiedenen Fall vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 27.10.2010 – 17 U 128/09) ist zwischen den Parteien die Verpflichtung zur Herausgabe einer Ge-währleistungsbürgschaft streitig. Für die von der Klägerin erbrachten Arbeiten am Flachdach ist im Verhandlungsprotokoll eine Gewährleistungsfrist von 10 Jahren vor-gesehen. Gemäß dem Leistungsverzeichnis soll sich die dort benannte Gewährlei-stungsfrist von 5 Jahren bei Abschluss eines Wartungsvertrages um weitere 5 Jahre verlängern. Ein Wartungsvertrag für die Flachdacharbeiten wird von den Vertragspar-teien nicht abgeschlossen. Im Auftragsschreiben vereinbaren die Parteien eine Rei-henfolgeregelung, wonach vorrangig das Auftragsschreiben, dann das Verhand-lungsprotokoll und zuletzt das Leistungsverzeichnis gelten sollen. Nach Ablauf von 5 Jahren begehrt die Klägerin Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft.

Das OLG Köln kommt zu dem Ergebnis, dass mangels eines abgeschlossenen War-tungsvertrages der Regelungsgehalt des Leistungsverzeichnisses insgesamt nicht zum Tragen komme. Deshalb läge zwischen dem Verhandlungsprotokoll und dem Leistungsverzeichnis letztlich auch kein Widerspruch vor. Auf die vertragliche Rei-henfolgeregelung käme es daher nicht mehr an. Es gilt die Gewährleistungsfrist von 10 Jahren gemäß Verhandlungsprotokoll.

Die Entscheidung zeigt einen wichtigen Ansatz hinsichtlich der Anwendung von Rei-henfolgeregelungen in Bauverträgen. Jedenfalls dann, wenn die Reihenfolgerege-lung nur bei Widersprüchen gelten soll, muss stets vor voreiliger Anwendung der ver-traglich festgelegten Geltungsreihenfolge sorgfältig geprüft werden, ob überhaupt ein inhaltlicher Widerspruch zwischen den einzelnen Vertragsbestandteilen vorliegt.

Der Vertrag kann grundsätzlich regeln, welcher der verschiedenen Vertragsbestand-teile im Falle von Widersprüchen oder Unklarheiten vorrangig gilt (Kapell-mann/Messerschmidt, 3. Auflage 2010, § 2 VOB/B, Rn. 101). Gibt es eine solche vertragliche Reihenfolgeregel, so gilt deren Hierarchie auch unabhängig davon, ob im Einzelfall eine nachrangige Regelung inhaltlich eine sachlich speziellere Regelung enthält, weil die spezielle Reihenfolgeregel laut Vertrag der allgemeinen Reihenfol-geregel „Speziell vor Allgemein“ vorgeht (a.a.O.). Nur wenn die Vertragsaussagen innerhalb des Regelungsumfangs kollidieren, ist die speziellere vorrangig (a.a.O.). Außerhalb des Regelungsumfangs gelten mangels Widerspruch beide Regeln (a.a.O).

Es ist ferner zu beachten, dass auch vertraglich vereinbarte Rangfolgeregelungen nicht ohne weiteres starr angewendet werden dürfen, so dass der Vertrag im Ergeb-nis im Wege einer „Buchstabenauslegung“ ausgelegt wird. Trotz Rangfolgeklausel sind Verträge als sinnvolles Ganzes auszulegen (BGH, Urteil vom 05.12.2002, VII ZR 342/01, IBR 2003, 117; OLG Celle, Urteil vom 06.02.2003, 5 U 159/02, IBR 2003, 233).

Michael M. Zmuda
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