Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) fordert eine Kehrtwende in der europäischen Finanzmarktpolitik und eine Rückbesinnung der Banken auf ihr klassisches Geschäft. „Das angelsächsische Wirtschaftsmodell hat keine Zukunft. Wir müssen deshalb eine kontinentaleuropäische Finanzphilosophie dagegen stellen“, sagte Söder in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstagausgabe).
Statt sich zuvorderst um ihre eigentliche Aufgabe, die Versorgung von Wirtschaft und Bürgern mit Krediten, zu kümmern, hätten vor allem viele Großbanken in der Vergangenheit ein „Soufflé aus immer mehr und immer komplexeren Finanzprodukten und immer weniger echter Wirtschaft“ kreiert. „Dieses Soufflé muss eines Tages in sich zusammenfallen“, betonte er. Söder räumte auch eine Mitschuld der Politik an der Entwicklung ein. Trotz der Erfahrungen mit der globalen Finanzkrise habe sich „seit 2008 nicht wirklich etwas verbessert“. Die Politik müsse jedoch nicht nur „das Vertrauen an den Welt-Finanzmärkten, sondern auch das Vertrauen in die Finanzmärkte“ wiederherstellen, sagte er. Dabei müsse deutlich werden, dass „Finanzmarktakteure keine Weltherrscher sind, die über den Gesetzen stehen“. Um die Diskussion über eine Kehrtwende voranzutreiben, hat Söder in seinem Haus ein sechsseitiges Konzept unter der Überschrift „Fair Finance“ erarbeiten lassen. Demnach muss das bisherige „unkontrollierte Profitstreben um jeden Preis“ durch „klare Leitplanken und neue Regeln“ eingedämmt werden. Im Blick hat der Minister dabei unter anderem den automatisierten Handel, bei dem Computer in Bruchteilen von Sekunden untereinander Geschäfte tätigen und Kursstürze so massiv beschleunigen können. „Als ich jung war, gab es den Film War Games, in dem es darum ging, ob Computer untereinander den Dritten Weltkrieg auslösen können. Heute gibt es an den Börsen ein ganz ähnliches Problem: den Hochfrequenzhandel“, sagte er. „Hier muss es dringend Sicherheitsbarrieren geben.“ Ein weiterer Dorn im Auge sind dem Minister Kapitalanlagegesellschaften, die mit riesigen Summen operieren, offiziell aber keine Bank sind und deshalb kaum beaufsichtigt werden. „Es kann nicht sein, dass ein immer größerer Teil des Bankgeschäfts von regulierten in nicht regulierte Märkte abwandert. Mit diesem Schattenbankenwesen muss Schluss sein“, sagte er. „Wir brauchen eine Art Finanz-Interpol, eine internationale Behörde also, die die Macht und die Möglichkeiten hat, Hinweisen auf gezielte Geschäftsverlagerungen in unregulierte Bereiche nachzugehen.“ Darüber hinaus müsse auch der „Handel mit Finanzprodukten, die keinen realwirtschaftlichen Hintergrund haben, dramatisch eingeschränkt werden“. Söder sprach sich zudem für ein Verbot sogenannter ungedeckter Leerverkäufe, einen geringeren Einfluss der Ratingagenturen, faire Kreditkonditionen für Wirtschaft und Verbraucher, mehr Eigenhaftung für Verluste und eine Finanztransaktionsteuer aus. Auch müssten die Risiken von Investmentbanking und klassischem Bankgeschäft klarer getrennt werden. „Das heißt nicht, dass sich das nicht weiterhin in einem Unternehmen abspielen kann. Es muss aber verhindert werden, dass Verluste im riskanten Investmentbanking automatisch dazu führen, dass das klassische Bankgeschäft mit infiziert wird und etwa die Kreditvergabe an die Realwirtschaft eingeschränkt werden muss“, sagte er. Als Seitenhieb auf die FDP erklärte der Minister, das Bemühen um strikte internationale Finanzregeln sei für die schwarz-gelbe Koalition in Berlin „wichtiger als manche Steuervorschrift“.