CSU-Chef Horst Seehofer hat mit seiner Kritik eine neue Ökonomen-Debatte über die Rente mit 67 ausgelöst. Während der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, die Problemanalyse des bayrischen Ministerpräsidenten teilt, ist der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der Ansicht, dass das Renteneintrittsalter noch weiter erhöht werden muss. „Klar ist, dass es ab 2029 weitergehen muss in Richtung Rente mit 70“, sagte Hüther der Onlineausgabe des „Handelsblatts“.
„Seehofer verteidigt ein defizitorientiertes Altersbild, das die Älteren nicht mehr in der Mitverantwortung sieht.“ Das stehe aber gegen alle Erkenntnisse der Gerontologie. „Für 2012 sollten wir uns mehr Sachlichkeit und Sachverstand in der politischen Debatte um die Rente mit 67 wünschen“, sagte Hüther. Zumal die Beschäftigungssituation Älterer heute besser denn je sei. „In der Kohorte der 55- bis 64 Jährigen ist die Erwerbsbeteiligung seit 2000 um 20 Prozentpunkte auf fast 60 Prozent angestiegen – so stark wie in keinem anderen Land der OECD.“ Dass Seehofer gerade jetzt die Rente mit 67 in Frage stellt, hält IMK-Chef Horn zwar für „reinen Populismus“, da die Probleme, auf die er zu Recht hinweise, seit langem bekannt seien. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen droht künftigen Rentnergenerationen in Deutschland in hohem Ausmaß Altersarmut“, sagte der Ökonom „Handelsblatt-Online“. Das liege aber nur zum Teil an der Erhöhung des Renteneintrittsalters bei gleichzeitig nicht hinreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere. „Es liegt auch an der Reform der Rentenformel, die teilweise massive Kürzungen implizierte“, sagte Horn. Deshalb könne die Debatte entschärft werden, indem der Riester-Faktor, der Rentenkürzungen in Höhe einer fiktiven Riester-Rente unterstellt, abgeschafft werde. „Denn gerade die Bezieher niedriger Einkommen haben häufig aus Kostengründen überhaupt keine Riester-Verträge.“ Zugleich seien sie aber diejenigen, die bei ohnehin relativ hohem Arbeitslosigkeitsrisiko durch einen verfrühten Renteneintritt am ehesten in die Armut gleiten würden, sagte der IMK-Chef. Nach Einschätzung Hüthers resultiert der positive Trend einer höheren Beschäftigung Älterer vor allem aus einem längeren Verbleib im Job. „Diese Entwicklung wird durch die Bevölkerungsschrumpfung weiter forciert“, sagte der IW-Chef. Der sukzessive Anstieg des Alters mit abschlagsfreiem Rentenbezug trage dem Umstellungsprozess daher angemessen Rechnung. Gleichwohl räumte Hüther ein, dass es natürlich bei den Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere noch viel Spielraum gebe, wenn man die entsprechende Quote in der Schweiz betrachte (fast 80 Prozent). Und natürlich sei die Umstellung langwierig, weil ein „weitgreifender Frühverrentungskonsens“ aufgebrochen werden müsse. Hier seien Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gefordert, sagte der IW-Chef.