Von Andreas Warner, Partner Restructuring Services bei Deloitte und Siegfried Frick, Geschäftsführer des auf M&A spezialisierten Bereichs Corporate Finance Advisory, Deloitte
Immer dann, wenn Autozulieferer bei Margen und Finanzierungen unter Stress geraten wenn Verkaufs- oder Produktportfoliooptimierungen anstehen, dann haben Projekte zur operativen Optimierung Konjunktur. Dabei bedeutet operative Optimierung weit mehr als „die Braut hübsch“ zu machen und geht weit über Maßnahmen-Kosmetik hinaus. Sie muss in die Gestaltung von Geschäftsprozessen eingreifen, wenn mit Blick auf einen möglichen Verkauf der Unternehmenswert deutlich gestärkt werden soll. Statt Lidstrich und Puderquaste sind Projekte der operativen Optimierung wiederkehrende Gesundheitschecks und Fitnessprogramme für Zulieferer in einem sich immer dynamischer entwickelnden Marktumfeld. Und manchmal sind auch chirurgische Eingriffe notwendig, gar eine „Not-OP“, wenn die Relevanz für Operative Optimierung vorher zu spät erkannt wurde.
Auch wenn die Zulieferindustrie bereits in weiten Teilen einen sehr hohen Prozessreifegrad erreicht hat, ist permanent ein kritischer Blick auf die wesentlichen Kosten- bzw. Ergebnistreiber notwendig. Denn sogenannte Lifetime Agreements (LTA) und die Weitergabe von Produktivitäts- und Effizienzfortschritten an Abnehmer haben in der Autozulieferindustrie eine Bedeutung wie in kaum einer anderen verarbeitenden Industrie. Wie die operative Optimierung bei einem mittelständischen Tier 2-Zulieferer mit rund 200 Mio. EUR Umsatz, EBITDAPotenziale in Höhe von rund 12 Mio. EUR heben und anschließend die Zukunft des Unternehmens durch einen erfolgreichen Verkauf gesichert werden konnte, soll die nachfolgende, anonymisierte Fallstudie verdeutlichen.
>> Einkauf: „Da geht noch was“ <<
Ausgangspunkt einer jeden operativen Optimierung ist immer zuerst die Erfassung des tatsächlichen Einkaufsvolumens, unterteilt in indirekte Aufwendungen (z.B. Frachten, Marketing, IT, Dienstleistungen usw.) und direkte, also unmittelbar durch das Produkt veranlasste Einkaufskosten. Diese werden dann in Warengruppen bzw. Kategorien geclustert. Parallel stattfindende Analysen der Prozesse mit dem Einkaufsteam geben schnell Ansatzpunkte für zu vertiefende, zielführende Themenfelder. Potenziale finden sich weniger in den meist im Fokus stehenden direkten Kosten – zumal hier gerade im Bereich der Zulieferindustrie die Handlungsspielräume durch Vorgaben der OEMs stark eingeschränkt sein können – sondern häufiger im Bereich der indirekten Kosten. Gezielte Ausschreibungen von Stichproben geben dann schnell eine Indikation, ob eine Warengruppe im Bereich sämtlicher Einkaufskonditionen gut verhandelt ist oder nicht. Eine breite Streuung des Einkaufsvolumens für zahlreiche Lieferanten kann beispielsweise über eine klassische Bündelungsstrategie zur Hebung von Skaleneffekten genutzt werden. Die Nachverhandlung diverser Positionen bei dem Tier-2-Zulieferer – unter Zuhilfenahme von ausgewiesenen Einkaufsexperten führte dazu, dass innerhalb von neun Monaten 4 Mio. EUR eingespart werden konnten.
>> Produktion: Von Lean Produktion zu Industrie 4.0 <<
Im Rahmen einer Erstanalyse der Produktion, werden durch eine oder mehrere Wertstromanalyse(n) die wesentlichen Stellhebel für eine Optimierung identifiziert. Dies können Engpassmaschinen sein, ebenso wie zahlreiche, nicht optimierte Montageplätze. Mit Hilfe der Lean Methoden können Ineffizienzen Verschwendungen im Produktionsablauf, wie z.B. unnötige gebundene Personalkapazität durch Nacharbeiten, ineffizientes Arbeiten am Arbeitsplatz, sub-optimale Materialversorgung usw. aufgespürt und systematisch ein Zielzustand abgeleitet werden. Die Transformation hin zu diesem Zielzustand sollte dann immer gemeinsam mit den Mitarbeitern des Betriebes erfolgen, denn nur so wird die Methodik zur Routine und kann auch nach Abschluss des Projektes weiterverwendet werden. Häufig stehen am Ende eines solchen Projektes zur operativen Optimierung, welches durchaus zwölf bis 24 Monate dauern kann, Produktivitätsgewinne von 25-50 Prozent für Personal und Anlagen bei gleichzeitiger Reduzierung der Kapitalbindung von ebenfalls 25-50 Prozent. Dass produktionsbezogene operative Optimierungen auch im deutschen Zuliefermarkt noch möglich sind, zeigt auch das konkrete Fallbeispiel: Innerhalb von 18 Monaten konnten hier die Produktivität um rund 30 Prozent gesteigert und die direkten Personalkosten in gleicher Größenordnung reduziert werden. Die Kosten für Qualitätsdefekte und Sonderfahrten aufgrund unzuverlässiger Produktionstermine sanken im gleichen Zeitraum um über 75 Prozent.
>> Vertrieb: Erstklassiges Controlling zahlt sich aus <<
Aussagefähige Vor- und Nachkalkulationssysteme sollten bei Zulieferern zum Standard gehören. Die Vielzahl von Restrukturierungsfällen zeigt jedoch, dass an dieser Stelle häufig erheblicher Nachholbedarf besteht. Komplexe, mehrstufige Produktionsschritte werden häufig nicht mehr sauber in der Kalkulation abgebildet. Dies führt in der Regel dazu, dass dann die komplexen Produkte über vereinfachte Schlüssel gerechnet werden, die aber die tatsächlichen Kosten nicht widerspiegeln. Das komplexe Produkt wird dann zu günstig niedrig kalkuliert, dass Standardprodukt zu hoch. Nicht selten kommen auch veraltete Maschinenstundensätze zur
Anwendung oder Stundensätze, die von einer unrealistischen Anlagenauslastung ausgehen. Eine fundierte Analyse wesentlicher Produkte zeigt dann häufig relativ schnell, ob es hier Ansatzpunkte gibt, um die Ertragsposition zu verbessern. Denn: ohne eine belastbare Open Book Kalkulation ist eine Nachverhandlung von Preisen in der Automobilbranche meist nicht möglich. Am Beispiel des Tier-2-Zulieferers führte eine umfassende Analyse zum Teil massive Kalkulationsabweichungen zu Tage. Nach der Optimierung der Kostenallokation wurden wesentliche Produkte mit den Tier-1-Kunden nachverhandelt und teilweise. 25 Prozent Preiserhöhungen durchgesetzt. Eine äußerst fundierte Vorbereitung u.a. auch mit detaillierter Analyse der Verträge war hier eine Grundvoraussetzung, die aber am Ende fast sechs Mio. EUR Ergebnisbeitrag liefern konnte.
>> Operative Optimierung zahlt sich aus <<
Wenn durch entschlossene und detailbezogene Maßnahmen der operativen Optimierung bei einem mittelständischen Tier 2-Zulieferers mit rund 200 Mio. EUR Umsatz, Potenziale in Höhe von rund 12 Mio. EUR gehoben werden konnten, dann schafft dies Mehrwert für die Eigentümer, die Mitarbeiter und die Kunden. Rechtzeitig vor dem Beginn eines Unternehmensverkaufs, ermöglicht eine operative Optimierung nicht nur den Unternehmenswert durch das Multiple auf die zusätzlichen Ergebnisbeiträge zu heben, sondern sie ist auch erfahrungsgemäß eine gute Vorbereitung auf den Verkaufsprozess an sich. Eine externe Due Diligence, sozusagen ein Gesundheitscheck des Unternehmens durch mögliche Investoren, fördert deutlich weniger Abzugsposten beim Kaufpreis zutage, wenn die Eigentümer ihr Unternehmen vorher einem systematischen Programm zur operativen Optimierung unterzogen haben.