Morbus Parkinson: Fortschritte bei neuen Therapieansätzen

Neue Ansätze in der Behandlung von Morbus Parkinson diskutierten internationale Experten auf dem Europäischen Neurologiekongress in Berlin. In aktuelle Studien werden innovative Therapiestrategien untersucht, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können, aber auch das Potenzial dopaminerger und nicht-dopaminerger Medikamente und nichtmedikamentöser Methoden für eine bessere Kontrolle motorischer und nicht-motorischer Symptome der Krankheit.

Berlin, 21. Juni 2015 – „Es sind eine ganze Reihe neuer Ansätze in der Pipeline, die unsere derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten der Parkinson-Krankheit deutlich verbessern könnten. Solche neuen Therapien zielen vor allem darauf ab, das langfristige Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Dieses Ziel zu erreichen ist ebenso notwendig wie schwierig, zumal die therapeutischen Targets immer noch nicht eindeutig identifiziert und Methoden, mit denen die Wirksamkeit bei Patienten belegt werden kann, langwierig und komplex sind“, sagte Prof. Olivier Rascol (Universitätsklinik Toulouse), Vorsitzender des EAN Subspecialty Scientific Panel Movement Disorders, auf dem 1. Kongress der European Academy of Neurology in Berlin. Mehr als 6.500 Experten aus der ganzen Welt diskutieren von 20. bis 23. Juni in der deutschen Bundeshauptstadt die neuesten Entwicklungen in ihrem Fachbereich.

Hoffnung auf neuroprotektive Optionen

Rund 1,2 Millionen Menschen in der EU leiden an Morbus Parkinson, und geschätzte 7 bis 10 Millionen weltweit. Obwohl zahlreiche Behandlungsoptionen verfügbar sind, die zu einer Linderung der Symptome beitragen, gibt es derzeit keine therapeutische Möglichkeit, die Auswirkungen der Erkrankung wieder umzukehren.
Neuroprotektive Ansätze, die in der Lage sind, das Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern, sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten als therapeutisches Ziel gescheitert – trotz potentiell vielversprechender Ergebnisse mit Substanzen wie Rasagilin, so Prof. Rascol. „Neuere molekulare Targets, neue Tiermodelle, innovative Designs für klinische Studien und neue Biomarker geben Anlass zur Hoffnung, dass wir auf dem Weg zu Interventionen sind, die tatsächlich den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Unter den Substanzen, die in einer Proof-of-Concept-Studie untersucht worden sind, befinden sich etwa GLP-1-Analoga oder Eisenchelatoren.“

Bessere Kontrolle motorischer Symptome

Parallel dazu befinden sich neue Medikamente für eine bessere Behandlung motorischer und nicht-motorischer Symptome der Parkinson-Erkrankung in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium, „es gibt also berechtigte Hoffnung, dass wir unseren Patienten hier bald etwas anbieten können“, wie Prof. Rascol betonte. „Jüngste Studien haben neuen Levodopa-Carbidopa-Präparaten in unterschiedlichen Darreichungsformen Potenzial für eine bessere Kontrolle motorischer Symptome bei Morbus Parkinson bescheinigt. Dazu gehören Infusionen direkt in den Dünndarm („jejunal“), Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung, subkutane Pumpen oder inhalative Applikationsformen. Neue COMT-Hemmer und MAO-B-Inhibitoren wie Opicapon oder Safinamid führen zu einer Verbesserung von Off-Problemen bei Parkinson-Patienten.“ Es sind innovative nicht-dopaminerge Medikamente für die Behandlung von Schwankungen bei den Bewegungsstörungen und von Störungen der Bewegungsabläufe (Dyskinesien) in Erprobung, auch wenn Studien mit Substanzen wie Adenosin-A2A-Antagonisten oder MGluR5-Modulatoren noch nicht zu konsistenten positiven Resultaten geführt haben, berichtete der Experte.

Verbesserungen bei nicht-motorischen Symptomen

„Erstmals konnten neue randomisierte kontrollierte Studien nachweisen, dass Dopamin und nicht-dopaminergene Medikamente nicht-motorische Parkinson-Symptome effektiv behandeln können“, sagte Prof. Rascol. Das ist schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil nicht-motorische Symptome beim Morbus Parkinson einen sehr negativen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen haben. Bei 60 bis 98 Prozent der Parkinson-Patienten treten nächtliche Schlafstörungen auf, meist in schwerwiegender Form. Neuropsychiatrische Probleme wie Angstzustände, Demenz oder Spielsucht sind ebenfalls häufige Begleiterkrankungen. Rund 60 Prozent aller Parkinson-Patienten leiden unter Angststörungen und Depressionen, das ist doppelt so häufig wie in der Allgemeinbevölkerung. Der Schweregrad von Dysphorie oder Apathie ist eine wichtige Determinante für die Lebensqualität Betroffener und hat oft größere Auswirkungen als motorische Beeinträchtigungen.
„Die Dopamin-Agonisten Pramipexol und Piribedil haben sich für die Behandlung von Parkinson-bedingter Depression oder Apathie als wirksam erwiesen, der Opiat-Agonist Oxycodon /Naloxon hat das Potenzial für eine effektive Schmerzkontrolle, und die Substanz Pimavenserin scheint einen positiven Einfluss auf Halluzinationen zu haben“, sagte Prof. Rascol.

Bedeutung nicht-medikamentöser Therapien

Therapeutische Fortschritte gibt es nicht nur auf dem Gebiet neuartiger Substanzen oder Anwendungsformen, sondern auch im Hinblick auf nicht-medikamentöse Interventionen, wie Prof. Rascol ausführte: „Es laufen eine ganze Reihe von Studien, um die Bedeutung der Physiotherapie und verschiedener Bewegungsprogramme für die Parkinsontherapie besser zu verstehen und zu etablieren. Derzeit ist die Qualität dieser Untersuchungen noch nicht ausreichend, um eindeutige Evidenz zu liefern.“

Quelle: EAN Abstract Rascol, New therapies in Parkinson’s disease

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