„Ramsauer kündigt viel an, doch realisiert wenig“
Hannover, 09.11. 2011 – Die für diesen Herbst angekündigte Verschärfung der Winterreifenpflicht wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf 2012 vertagt. Besonders die Diskussion um das Anheben der gesetzlichen Mindestprofiltiefe von 1,6 auf 4,0 Millimeter hatte die Hoffnung auf mehr Verkehrssicherheit genährt. Doch das Bundesverkehrsministerium hüllt sich zu dem Thema seit Wochen in Schweigen. Offiziell. Hinter vorgehaltener Hand sagen Beteiligte, man wolle nichts übers Knie brechen. Sören Bartol, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, sieht Bundesverkehrsminister Ramsauer in der Verantwortung, wenn bald wieder Autos auf verschneiten Straßen querstehen
Wer dieser Tage im Bundesverkehrsministerium anruft, um sich nach der für diesen Herbst angekündigten Konkretisierung der Winterreifenpflicht zu erkundigen, erhält folgende Standard-Antwort: „Die Beratungen für einen neuen Verordnungsentwurf zur Winterreifenpflicht dauern an. Dabei steht die Sicherheit im Vordergrund, vor allem die Reduzierung des Risikos durch Verkehrsgefährdungen und Verkehrsbehinderungen bei winterlichen Wetterverhältnissen. Aus diesem Grunde wird auch eine Erhöhung der aktuell vorgeschriebenen Mindestprofiltiefe für Winterreifen in Betracht gezogen.
Dass den Bundesländern aber noch kein entsprechender Verordnungs-Entwurf vorgelegt wurde, stößt bei der Opposition auf massive Kritik. Hatte doch die SPD-Bundestagsfraktion im Mai 2011 Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer aufgefordert, die Winterreifenpflicht zu präzisieren. Bereits im Dezember 2010 hatte der Bundesrat gleiches verlangt. „Ramsauer kündigt viel an, realisiert aber wenig“, klagt Sören Bartol (MdB), Sprecher der AG Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der SPD-Bundestagsfraktion gegenüber Pilot:Projekt, Hannover. „Ich befürchte, dass es bis zum nächsten Wintereinbruch zu keiner Änderung der rechtlichen Lage kommt, also auch die gesetzliche Mindestprofiltiefe bei M+S-Reifen nicht auf 4,0 Millimeter angehoben wird. Am Ende stehen wieder viele Autos auf verschneiten Autobahnen quer, und der Minister hat es in einem Jahr nicht geschafft, Klarheit zu schaffen.
Im vergangenen August hatte ein Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums der Hannoveraner Agentur Pilot:Projekt GmbH gegenüber erklärt: „Die Bundesregierung hat den Entschließungsantrag des Bundesrates aufgegriffen. Wir prüfen derzeit, ob und in welcher Form den Anregungen des Bundesrates nachgekommen werden kann. Es ist beabsichtigt, noch in diesem Jahr einen Verordnungsentwurf vorzulegen.
Wie lange werden die Beratungen im Ramsauer-Ministerium noch dauern
Wer Ministerialbürokraten aus den zuständigen Abteilungen des Ministeriums kennt, erfährt unter der Hand: Die Beamten wollen nicht noch einmal unter Zeitdruck einen Text formulieren, für den sie nachher zu Recht kritisiert werden. Im vergangenen Jahr ist es genau so gelaufen, weil das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg eine schnelle Reaktion erfordert hatte. „Der Paragraph 2 Absatz 3a der Straßenverkehrsordnung musste im Eilverfahren novelliert werden, um die Rechtssicherheit wieder herzustellen“, gestehen Verantwortliche des Ministeriums im Gespräch mit Mitarbeitern der Pilot:Projekt GmbH. „Dabei wurde vieles nicht ausreichend diskutiert, manche Aspekte nur oberflächlich beleuchtet. Das Ergebnis kennen wir.
Angesichts der vorgerückten Zeit stellt sich die Frage, ob in diesem Jahr eine Änderung der Straßenverkehrsordnung und der Straßenverkehrs-Zulassungsverordnung zumindest verfahrenstechnisch noch möglich ist. Am Freitag, den 04. November, erklärte Ministerialrat Dr. Michael Wisser, Ausschuss-Sekretär des Verkehrsausschusses des Bundesrates und Geschäftsführer der Geschäftsstelle der Verkehrsministerkonferenz, gegenüber Pilot:Projekt, Hannover: „Angesichts der Sechs-Wochen-Frist des üblichen Verfahrensweges müsste uns der Verordnungsentwurf spätestens heute, Freitag, 04. November 2011, zugehen. Das setzt wiederum einen Kabinettsbeschluss voraus, der bis heute hätte erfolgt sein müssen. Dann könnte der Bundesrat in seiner letzten Sitzung des Jahres, am 16. Dezember, noch darüber entscheiden.“ Nach Auskunft von Dr. Michael Wisser lag dem Bundesrat am 04. November um 16.00 Uhr aber noch kein Verordnungsentwurf vor, der die Winterreifenpflicht konkretisieren soll
Im November hat die Bundesregierung allerdings noch die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen, um einen entsprechenden Verordnungsentwurf im Eilverfahren auf die Tagesordnung der Bundesratssitzung am 16. Dezember 2011 setzen zu lassen
„Das aber setzt einen Handlungsdruck voraus, den ich in diesem Jahr nicht erkennen kann“, so ein Ministerialbürokrat aus dem Bundesverkehrsministerium. Zumal der Verbraucher einen gewissen Vertrauensschutz genieße. Man könne ihm nicht ohne Weiteres zumuten, ohne Vorlaufzeit mitten im Winter die Bedingungen für das Führen eines Kraftfahrzeugs bei winterlichen Straßenverhältnissen zu ändern.