Von Siegfried Frick, Partner, Corporate Finance Advisory, Deloitte, Dr. Markus Schackmann, Partner, Tax & Legal, Deloitte und Dr. Michael Puls, Partner Tax & Legal, Deloitte
Die Zahl der M&A-Transaktionen im Automobilzulieferersegment ist in Deutschland seit Jahren relativ konstant. Bei etwa fünfzig Autozulieferern findet jährlich ein Gesellschafterwechsel statt. Von großer Bedeutung ist der steuerliche Aspekt der „Verrechnungspreise“, denn die neuen Gesellschafter sind meist global tätige Konzerne, deren Preisgestaltung für Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen ein zentraler Bereich der Unternehmensstrukturierung ist. Gegenwärtig stehen bei jeder Betriebsprüfung eines global tätigen Unternehmens Verrechnungspreisfragestellungen im Mittelpunkt. Hintergrund ist die Sorge, mittels von Verrechnungspreisen Unternehmensergebnisse steueroptimierend zu verlagern.
Bei Verrechnungspreisen geht es um Wertansätze für Güter und Dienstleistun- gen, die innerhalb eines Unternehmens ausgetauscht werden. Hierzu finden sich in der Regel nur schwer vergleichbare
„Marktpreise“, so dass Verrechnungspreise stets Gegenstand unternehmensinterner Diskussionen sind. Die Finanzverwaltung sieht den Themenkomplex primär unter dem Gesichtspunkt des Schutzes lokaler Besteuerungsgrundlagen, da durch eine „geschickte“ Bepreisung des grenzüberschreitenden, unternehmensinternen Güter- und Leistungsverkehrs das Besteuerungssubstrat zwischen Hoch- und Niedrigsteuerländern hin- und hergeschoben werden kann. Hierdurch lassen sich Steuerarbitrageeffekte erzielen, die regelmäßig Gegen- stand von Auseinandersetzungen mit Steuerbehörden sind.
>> Bedeutung von Verrechnungs- preisfragen im Rahmen von Due Dilligence-Prozessen
Fragestellungen rund um die Verrechnungspreisgestaltung sollten bei der Bewertung steuerlicher Risiken, insbesondere beim Kauf oder Verkauf von Zulieferunternehmen, eine wichtige Rolle einnehmen. Die Feststellung von Verrechnungspreisrisiken im Rahmen eines Due-Diligence-Prozesses leistet bereits einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtquantifizierung steuerlicher Risiken bei M&A-Transaktionen. Aber auch hinsichtlich der sog. Post-Akquisitionsphase, also der Zeit nach dem erfolg- ten „Deal“, muss das Thema im Fokus bleiben. Durch eine fokussierte Einbindung des neuen Unternehmens in das bestehende Verrechnungspreissystem können in der Regel nicht nur steuerliche Spielräume genutzt, sondern auch Verrechnungspreisrisiken reduziert und sogar ausgeschlossen werden. Die durch eine Vielzahl von Liefer- und Leistungsbeziehungen mitunter entstehenden Verrechnungspreisrisiken, die sich in der Post-Akquisitionsphase bei dem Erwerber realisieren können, haben oft signifikante Ausmaße. In der Praxis zeigt sich häufig, dass im Due-Diligence-Prozess die Prüfung des Verrechnungspreissystems auf die Aufnahme des Status Quo beschränkt ist und die strategische Planung des Integrationsprozesses vernachlässigt wird. Dies führt nicht selten zu „unschönen“ Überraschungen in der späteren Post-Akquisitionsphase.
Ausgangspunkt der Untersuchungen von Due-Diligence-Prozessen sollte zunächst eine umfassende Betrachtung der eigenen strategischen internen Funktionen unter Berücksichtigung des zu erwerbenden Unternehmens („Targets“) sein. Dies ist erforderlich, um abschätzen zu können, welche Position das Target im unternehmerischen Gefüge (in der Gesamtwertschöpfungskette) künftig einnehmen soll. In diesem Zusammen- hang sind folgende Punkte von entscheidender Bedeutung:
– Genaue Analyse der Liefer- und Leistungsströme innerhalb der vorhandenen Konzernstrukturen,
– Marktbedingungen und Marktumfeld, in welchem sich das Target befindet,
– Analyse der strategischen Erfolgsfaktoren des Targets (bspw. spezielles Produktions- oder Marketing Know-how, Existenz besonderer immaterieller Wirtschaftsgüter etc.) und
– Auswirkungen der geplanten Transak- tion auf künftige Liefer- und Leistungs- beziehungen des Targets im und mit dem Konzern.
>> Fokussierte Betrachtung von Verrechnungspreisen in der Post- Akquisitionsphase
Eine sorgfältige Verrechnungspreisbetrachtung verlangt neben den steuerlichen Aspekten auch die Berücksichtigung sonstiger Faktoren. Verrechnungspreissysteme dienen ebenfalls als Steuerungsinstrument der Geschäftsleitung, um es betriebs- wirtschaftlich als internes Anreizsystem zu verwenden. Darüber hinaus können vorhandene Synergieeffekte durch eine fokussierte Unternehmenssteuerung realisiert werden. Insbesondere aus steuerlicher Verrechnungspreissicht sind bei der Target- Integration vielfältige Fragestellungen anzutreffen. Es geht zunächst darum, die entstandenen Akquisitions- und Integrationskosten im Unternehmen angemessen zu verteilen. Ferner sind die Wertschöpfungsbeiträge zu untersuchen und aufeinander abzustimmen. In diesem Zusammenhang stellt sich aus steuerlicher Sicht die Frage, wie Vertriebs- und Produktionsfunktionen gebündelt werden können, falls das erwerbende Unternehmen anstrebt, Redundanzen/Überkapa- zitäten zu reduzieren oder neue Liefer- und Leistungsbeziehungen aufzubauen bzw. zu integrieren. Wichtig ist, dass hierdurch keine ungewollten, aber steuerlich relevante Verlagerungsvorgänge betrieblicher Funktionen und materieller bzw. immaterieller Wirtschaftsgüter aus- gelöst werden. Diese können einschneidende Besteuerungseffekte nach sich ziehen. Auch ist eine Verschiebung von Intellectual Property relevant, so dass eine fokussierte steuerliche Verrechnungspreisstrategie eine entsprechende
„Intellectual Property (IP)-Strategie“ vor- aussetzt. Folglich müssen nach dem Deal die „Value Driver“ im gesamten Unternehmen identifiziert und lokalisiert werden.
Dementsprechend steht stets das vorhandene Verrechnungspreissystem des Erwerbers auf dem Prüfstand. Mit einer Akquisition ergeben sich zahlreiche neue Liefer- und Leistungsbeziehungen, die das vorhandene System verändern und folglich Handlungsbedarf generieren – insbesondere wenn zwei „bewährte“ Systeme aufeinander treffen und verbunden werden müssen.
>> Ergebnis
Die Verrechnungspreisthematik bei M&A-Transaktionen in der Automobilzulieferindustrie nimmt aus steuerlicher sowie betriebswirtschaftlicher Sicht einen erheblichen Stellenwert ein. Die Identifizierung von verrechnungspreisrelevanten Risikofaktoren im Rahmen der Due Diligence ermöglicht eine aus steuerlicher Sicht fokussierte Planung von Verrechnungspreisen, die oft die Grundlage dafür liefert, in der Post-Akquisitionsphase keine besonderen steuerrechtlichen Überraschungen zu erleben.