Der Achterbahnforscher

Passend zum Hamburger Dom. Wissenschaftler schrieb Doktorarbeit über Kirmes und Freizeitparks.

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Bald ist es wieder soweit. Deutschlands vielleicht poetischster Jahrmarkt, der Hamburger Winterdom, findet statt. Was ist es, das Menschen bei Regen und Schnee, der Hamburger würde sagen „Schmuddelwetter“, auf den Festplatz zieht? Dieser Frage ist der Unterhaltungswissenschaftler Sacha Szabo in seiner Doktorarbeit nachgegangen und hat die Motivation, Festplätze zu besuchen und sich in die abenteuerlichen Maschinen zu setzen, erforscht. Herr Szabo stand uns für ein kurzes Gespräch zur Verfügung:

Wieso interessiert sich die Wissenschaft für die Kirmes?

Die Antwort klingt voreingenommen, ist aber dennoch sachlich. Feste gehören zu unserem Alltag, sie ermöglichen ein kurzzeitiges Jenseits von den Alltagsproblemen. Und Großfeste gehören mit in unsere medial vermittelte Alltagskultur. Für mich als Wissenschaftler war die Entdeckung dieser Festwelten im wahrsten Sinne eine „Erleuchtung“. Ich schlenderte abends mit meiner Frau über den Festplatz und fragte mich, was ist das eigentlich: Bunte Lichter, laute Musik, riesige Maschinen und all das ist scheinbar nur dafür da, den Menschen Lust zu bereiten. Phantastisch.

Sie haben auch eine Geschichte der Feste skizziert.

Das Verblüffende ist, auch in dem hochtechnisiertesten Park steckt immer noch die mittelalterliche Kirmes und zwar in einer ganz sublimen Form. Die mittelalterliche Kirmes leitet sich von der Kirchmesse ab, von dem Fest im Anschluss an den Gottesdienst. Und bestimmte rauschhafte Elemente wurden sozusagen aus dem Gotteshaus in den Vorhof verlagert. Diese rauschhaften Elemente finden wir auch in den Vergnügungsparks wieder.

Sie habe auch über Achterbahnen geschrieben.

Achterbahnen werden ja im Angelsächsischen als Thrillrides bezeichnet. Der Thrill, auf Deutsch die Angstlust, ist nun ein besonderes – wenn man so will – Rauschphänomen. Es geht um die Erfahrung einer Erlebnisunmittelbarkeit, diese wird proaktiv aufgesucht, man reißt die Arme hoch, oder man näher sich ihr eher vorsichtig, man klammert sich am Bügel fest. Das Besondere: Beide Fahrgasttypen haben Lust, sonst würden sie ja keine zweites Mal fahren.

Eine Frage zum Schluss: Fahren Sie selbst auch Achterbahn?

Als Wissenschaftler bin ich um Objektivität bemüht, Sie würden ja auch keinen Pathologen fragen, ob er Leichenteile toll findet. Ich finde Achterbahnen „interessant“, wie Mr. Spock sagen würde. Aber ich gebe es zu, auch wenn es den Anspruch der Objektivität verletzt, ich freue mich immer, ein neues Fahrgeschäft auszuprobieren.

Zur Person und zum Buch:
Sacha Szabo, (jg. 1969) studierte Soziologie, Philosophie und Germanistik und arbeitet als Unterhaltungswissenschaftler am Institut für Theoriekultur Freiburg. Er forschte über außeralltägliche Welten wie Computerspiele, Comics und Filme und schrieb seine Doktorarbeit über „Attraktionen auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks“.

Seine Arbeit erschien im Transkript Verlag unter dem Titel:

Rausch und Rummel.
Attraktionen auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks
Eine soziologische Kulturgeschichte
Transkript, Bielefeld, , ISBN: 3-89942-566-9

Theoriedienstleister. Wir werben für eine Wissenschaft von der Unterhaltung die gleichermaßen unterhält.

Kontakt:
Selbstständig/ Institut für Theoriekultur
Sacha Szabo
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