Risikofaktor Infektionen bei Gelenks-OPs: Frakturpatienten/-innen besonders gefährdet

15. Europäischer Orthopädie-Kongress EFORT – 4.-6. Juni 2014, London

Postoperative Infektionen nach dem Einsatz künstlicher Knie- oder Hüftgelenke zählen zu den gefürchtetsten Komplikationen bei orthopädischen Eingriffen. Auf dem EFORT Kongress in London präsentierte Studien bringen neue Erkenntnisse: Besonders infektionsgefährdet sind Frakturpatienten/-innen. Neue Biomarker sollen die frühzeitige Diagnose riskanter Infektionen verbessern.

London, 4. Juni 2014 – Postoperative Infektionen (surgial site infections, SSI) gehören zu den häufigsten Krankenhausinfektionen. Sie treten bei 0,7 Prozent der Knieprothesen-Operationen und einem Prozent der Hüftprothesen-OPs auf, zeigt eine Analyse des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC). Sie gehören zu den häufigsten Ursachen für das Abstoßen der Prothesen, bei Hüftprothesen-Implantationen enden sie laut ECDC Bericht in einem von 200 Fällen sogar tödlich. Beim 15. EFORT Kongress in London wurden zahlreiche neue Studien zu diesem Problem präsentiert. Organisiert wird der Kongress von der European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) gemeinsam mit der British Orthopaedic Association (BOA). Patientensicherheit ist das zentrale Thema dieses wissenschaftlichen Großereignisses, zu dem mehr als 7.000 Teilnehmer/-innen aus aller Welt in der britischen Hauptstadt zusammentreffen.

Frakturpatienten/-innen besonders infektionsgefährdet

Dass Frakturpatient/-innen, die eine künstliche Hüfte bekommen, ein signifikant höheres Infektionsrisiko haben als Menschen, die aufgrund einer degenerativen Hüfterkrankung operiert werden, zeigt eine groß angelegte schwedische Kohortenstudie. „Am häufigsten, nämlich in 2,8 Prozent der Fälle, wurden Prothesengelenksentzündungen in der Gruppe mit sekundärer Frakturprothetik gefunden, also bei Personen, bei denen beispielsweise eine interne Fixation missglückt war. Etwas geringer fiel die Inzidenz mit 2,1 Prozent bei Patienten/-innen aus, die erstmalig eine Prothese aufgrund eines Knochenbruchs erhalten hatten. Deutlich weniger Infektionsfälle gab es hingegen bei Menschen, die aufgrund einer Abnützungserscheinung operiert wurden. Bei dieser Gruppe kam es nur in 0,8 Prozent der Fälle zu einer Infektion“, berichtete Studienleiter Dr. Piotr Kasina (Karolinska Institutet, Stockholm) auf dem EFORT Kongress. Seine Forschergruppe hatte 3.807 Fälle untersucht, die zwischen 1996 und 2005 am Stockholmer Allgemeinen Krankenhaus Süd behandelt worden waren.

Infektionen sind schwer behandelbar

Die schwedische Studie zeigt auch, wie schwierig sich die Infektionsbehandlung erweisen kann. Nur in 40 Prozent der Fälle konnte die Infektion ausgeheilt werden, in 42 Prozent war das Infektionsgeschehen erst nach einer permanenten Resektionsarthroplastik beherrschbar, das Gelenk musste also dauerhaft entfernt werden. Davon waren fast ausschließlich Frakturpatienten/-innen betroffen.

In zehn Prozent der Fälle war eine lebenslange Antibiotikatherapie erforderlich. Acht Prozent der Patienten/-innen verstarben während der Behandlung. „Adäquate Prophylaxemaßnahmen sind nötig, vor allem gegen Staphylococcus aureus und koagulasenegative Staphylokokken, die bei Frakturpatient/-innen meist ausschlaggebend für den Infekt sind“, so Dr. Kasina.

Neue Biomarker zur Infektionsdiagnose

Nicht nur die Therapie von periprothetischen Gelenkinfektionen, sondern auch deren Diagnose stellt die Fachwelt vor Herausforderungen. Mit den Biomarkern Procalcitonin (PCT) und Interleukin 6 (IL-6) scheint ein österreichisches Forschungsteam neue Parameter zur Feststellung von periprothetischen Gelenkinfektionen bei einer Revisionsendoprothetik identifiziert zu haben. Studienleiter Prof. Mathias Glehr (Universitätsklinik Graz) fasste auf dem EFORT Kongress die Ergebnisse zusammen: „Wir haben die Sensitivität und Spezifität von konventionell genutzten Biomarkern wie C-reaktives Protein (CRP) und den Leukozyt-Spiegel jener von PCT, IL-6 und Interferon alpha (IFN-a) gegenübergestellt. CRP hat sich zwar nach wie vor als der beste Biomarker bestätigt, um bei periprothetischen Revisions-Operationen eine Infektion zu diagnostizieren, aber PCT und IL-6 haben sich ebenfalls als hilfreich erwiesen. Sie könnten als zusätzliche Indikatoren herangezogen werden, sollte eine Diagnose nicht eindeutig ausfallen“. Für die Studie wurden die Werte von 84 Patienten/-innen beziehungsweise 124 Operationen analysiert.

Knieprothetik: Risikotreiber Lebererkrankungen und Blutkonserven

Eine US-Studie filterte Fremdbluttransfusionen und Lebererkrankungen als signifikante Risikofaktoren für eine stationäre postoperative Infektion bei Patienten/-innen heraus, die zum ersten Mal einen Knieersatz bekamen. Jüngere waren eher infektionsgefährdet als Ältere. Unter den Eingriffsarten erwiesen sich unilaterale oder stufenweise bilaterale Eingriffe als infektionsanfälliger als bilaterale Operationen, die am gleichen Tag durchgeführt wurden. Für die Studie wurden die Daten von fast 18.000 Patienten/-innen des Hospital of Special Surgery (New York) analysiert. Bei 0,64 Prozent wurde während des Krankenhausaufenthalts eine Infektion diagnostiziert, vier Prozent davon waren tiefe Infektionen. Bei der periprothetischen Spätinfektion war die Inzidenz mit 0,41 Prozent geringer, dafür wurden 82 Prozent dieser Infektionen als tief klassifiziert. Als unabhängige Risikofaktoren stellten sich Erkrankungen an Nieren oder Lunge heraus, weiters Wunddehiszenz (Auseinanderweichen benachbarter Wundränder oder Gewebestrukturen der Wunde) oder eine vorhergehende Krankenhausinfektion. „Unsere Arbeit leistet einen Beitrag zur Identifikation besonderer Risikogruppen. Ziel muss es sein, speziell bei diesen durch angemessene Maßnahmen künftig unnötige Komplikationen zu vermeiden“, so Dr. Studienleiter Dr. Lazaros Poultsides.

Hintergrund EFORT

Die European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) ist die Dachorganisation nationaler orthopädischer Fachgesellschaften in Europa. EFORT wurde 1991 im italienischen Marentino gegründet. Heute gehören ihr 45 nationale Mitgliedsgesellschaften aus 42 Ländern und elf assoziierte wissenschaftliche Organisationen an.

EFORT ist eine Non-Profit Organisation. Das Ziel der Mitgliedsgesellschaften ist es, den Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und von Erfahrungen in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems zu fördern. EFORT organisiert einen jährlichen Kongress, Seminare, Kurse, Foren und Konferenzen in ganz Europa. Ferner werden Grundlagenforschung und klinische Forschung initiiert und unterstützt.

Quellen:
EFORT Abstract Kasina et al.: Prosthetic Joint Infection Following Hip Fracture And Degenerative Hip Disorder: A Cohort Study Of 3807 Consecutive Hip Arthroplasties With A Minimum Follow-Up Of 5 Years; EFORT Abstract Glehr et al.: Novel Biomarkers To Detect Infection In Revision Hip And Knee Arthroplasties; EFORT Abstract Poultsides et al.: Infection Risk Assessment In Patients Undergoing Primary Total Knee Arthroplasty; European Centre for Disease Prevention and Control. Surveillance of surgical site infections in Europe 2010–2011. Stockholm: ECDC, 2013

Info:
15th EFORT Congress 2014 – Medienkontakt: Dr. Birgit Kofler, B&K Kommunikationsberatung; E-Mail: kofler@bkkommunikation.com; Mobil: +43 676 6368930; Tel. Wien: +43 1 3194378 13; Tel. Berlin: +49 30 700159676