Die Kieler Grünen und ihre Haltung zum Glücksspielstaatsvertrag – EU-Parlament mahnt Nachbesserungen dringend an
Von Ansgar Lange +++ September 2013. Kurz vor der Bundestagswahl am 22. September sind die Grünen in der Wählergunst dramatisch abgestürzt. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Partei alles abschaffen will, was Spaß macht beziehungsweise nicht ins eigene Weltbild passt. Die Partei hat dabei eine erstaunliche Entwicklung gemacht, wie Ulli Tückmantel in der Rheinischen Post http://www.rp-online.de/politik/deutschland/die-gruenen-was-nicht-ins-weltbild-passt-verbieten-1.3500071 schreibt: „Einst traten die Grünen an, um die Welt zu verbessern. Doch längst verfolgen sie einen Erziehungsplan mit ihrem Programm“.
Tückmantel zufolge überzieht die Partei, die immerhin in sechs Bundesländern mitregiert, alles, „was nicht den Lebensstil-Vorstellungen ihrer Wählerschaft entspricht, mit teils abstrusen Verbotsforderungen“. Auch beim Thema Glücksspiel betätigen sich die Grünen als „Volks-Erzieher“ und „Verbotspartei“. Man muss Glücksspiel nicht mögen – genauso wenig wie Plastiktüten, fleischhaltige Kost, Limonaden oder Süßigkeiten, gegen welche die Grünen ebenfalls zu Felde ziehen. Fakt ist aber, dass alle Menschen über einen angeborenen Spieltrieb verfügen. Der eine übt ihn stärker aus, der andere weniger. Insbesondere Poker- oder Kasino-Spiele im Internet erfreuen sich großer und wachsender Beliebtheit. Die frühere christlich-liberale Landesregierung in Schleswig-Holstein war mit einem eigenen Gesetz angetreten, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, dem Schwarzmarkt das Wasser abzugraben und den Spieltrieb in rechtlich geordnete Bahnen zu kanalisieren. Von einer Liberalisierung bzw. Regulierung des boomenden Glücksspielmarktes versprachen sich die „Väter“ des schleswig-holsteinischen Gesetzes, die Landespolitiker Wolfgang Kubicki (FDP) http://www.fdp-sh.de/ und Hans-Jörn Arp http://www.hans-joern-arp.de/ , mehr Spielerschutz, mehr Steuereinnahmen für Schleswig-Holstein und mehr Arbeitsplätze.
Kieler Grünen wollten ursprünglich für Rechtssicherheit sorgen
Die neue Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) ist aber bekanntlich dem europarechtlich höchst umstrittenen Glücksspielstaatsvertrag der übrigen 15 Bundesländer beigetreten. Auch die Grünen sitzen in Kiel mittlerweile in Ministersesseln. Sie argumentierten seinerzeit sinngemäß, das Land werde erst einmal dem Glücksspielstaatsvertrag der übrigen 15 Länder beitreten, um ihn dann nach dem Beitritt bundesweit zu korrigieren, damit er auch rechtlichen Bestand hat. Albig ist nun schon seit über einem Jahr Ministerpräsident. Er nahm seine Kieler Amtsgeschäfte am 12. Juni 2012 auf. Grund genug, einmal nachzufragen, was aus den grünen Versprechungen geworden ist.
Auf die Frage, ob es denn mittlerweile Initiativen der grünen Fraktion oder der Kieler Regierungskoalition gäbe, den defizitären Glücksspielstaatsvertrag nachzubessern, kommt die lapidare Antwort: „Im Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist eine Evaluierung nach zwei oder drei Jahren vorgesehen, die wollen wir nutzen“. Dies ließ Rasmus Andresen verlauten, immerhin erster stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag und u. a. Sprecher für Haushalt und Finanzen. „Versprochen, gebrochen“, könnte man ebenso lapidar konstatieren.
Bei den Liberalen löst diese Antwort eines Spitzen-Grünen Kopfschütteln aus. So sagt Wolfgang Kubicki, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion: „Die Grünen in Schleswig-Holstein hatten erklärt, dass sie die rechtlichen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages für äußerst problematisch halten. Dennoch haben sie den Beitritt Schleswig-Holsteins unterstützt. Es ist eine typische Vorgehensweise dieser Partei, die Menschen zunächst zu beschwichtigen, Nachverhandlungen oder Verbesserungen anzukündigen, um sich anschließend aus dem Staub zu machen. Ehrliche Politik sieht anders aus! Von den Grünen ist in Fragen des Rechtsstaates oder sinnvoller ökonomischer Regelungen nichts zu erwarten.“
Sein Kollege Arp geht demnach fest davon aus, dass der Glücksspielstaatsvertrag noch in diesem Jahr überarbeitet werden muss. Der Kieler Regierungschef Torsten Albig agiere in dieser Sache pragmatisch, während der Fraktions- und Parteivorsitzende Ralf Stegner (SPD) als „Hardliner“ auftrete – aus welchen Gründen auch immer. Natürlich führe man auch mit den Grünen Gespräche, doch die trauen sich offenbar nicht, gegen den „Großen Bruder“ in der Regierungskoalition aufzumucken. Sie riskieren dabei, an den eigenen Versprechungen gemessen zu werden. Als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet! Eine Firma, die in Schleswig-Holstein eine Lizenz hat, darf dort Poker oder Online-Kasino-Spiele anbieten, in anderen Bundesländern aber nicht. „Daran sehen Sie, dass es so, wie es jetzt ist, nicht funktionieren wird“, so Arp. Online-Glücksspiele machen eben nicht an Landesgrenzen halt; das müsste Rasmus Andresen, immerhin auch Sprecher für Medien und Netzpolitik seiner Partei, eigentlich wissen.
Arp setzt darauf, dass nach der Bundestagswahl am 22. September wieder Vernunft einkehrt, sich die Vertreter der einzelnen Länder zusammensetzen und gemeinsam schauen, wie der sprichwörtliche Karren wieder aus dem Dreck gezogen werden kann. Mit Verboten allein, dass sollten die Grünen aus ihrem misslungenen Wahlkampf gelernt haben, lassen sich die Menschen eben nicht einfach „umerziehen“, und die Wirklichkeit lässt sich nicht immer nach den eigenen Vorstellungen gestalten.
EU-Parlament drückt aufs Gas: Glücksspielstaatsvertrag muss nachgebessert werden
Der Druck von außen, den deutschen Glücksspielstaatsvertrag erheblich nachzubessern, wird jedenfalls wachsen. So fordert das Europaparlament einen besseren Schutz für Benutzer von Online-Glücksspielen. Den Abgeordneten geht es besonders um Maßnahmen für effektiveren Datenschutz, Alterskontrollen und Suchtprävention. In einer Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss sowie im Finanzausschuss hatte der Glücksspielrechtsexperte Dr. Wulf Hambach von Hambach & Hambach in München http://www.timelaw.de bereits Ende Oktober 2012 darauf hingewiesen, dass beispielsweise die Firma PokerStars allein 90 seiner 1.400 Mitarbeiter im Bereich Internetsicherheit und Betrugserkennung beschäftige. Die Kosten hierfür gehörten für die Firma zu den laufenden Kosten http://www.landtag.ltsh.de/export/sites/landtagsh/infothek/wahl18/aussch/iur/niederschrift/2012/18-011_10-12.pdf. Während also die Wirtschaft längst agiert hat, läuft die Politik dem Internetzeitalter immer noch hinterher.
Außerdem verlangt das Plenum in seinem jüngsten Beschluss vom 10. September, dass sich die Mitgliedsstaaten an europäisches Recht halten müssen (Zur Erinnerung: Das von SPD, Grünen und Co. in Schleswig-Holstein gekappte Gesetz der CDU / FDP-Koalition, das sich am dänischen Modell orientierte, war bereits europarechtskonform!). Jürgen Creutzmann, Berichterstatter für die liberale Fraktion, begrüßte die Forderungen des Parlaments und forderte Nachbesserungen beim deutschen Glücksspielstaatsvertrag: „In erster Linie ist es Sache der Mitgliedstaaten, ihre nationalen Glücksspielmärkte zu regulieren. Das bedeutet aber nicht, dass sie machen können, was sie wollen. Der Europäische Gerichtshof hat aus dem EU-Vertrag klare Vorgaben abgeleitet, die von den Mitgliedstaaten erfüllt werden müssen. Der neue Glücksspielstaatsvertrag der deutschen Länder dürfte einer eingehenden Prüfung durch den Gerichtshof nicht standhalten.“
Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss die Glücksspielgesetzgebung die Grundsätze der Konsistenz, Transparenz und Gleichbehandlung erfüllen. Monopole müssen einer strengen staatlichen Kontrolle unterliegen, ein besonders hohes Maß an Verbraucherschutz sicherstellen und Glücksspielmöglichkeiten konsequent einschränken. Jene Mitgliedstaaten, die ihre Märkte für private Anbieter öffnen, müssen für ein transparentes und rechtssicheres Antragsverfahren auf der Grundlage objektiver und nicht-diskriminierender Kriterien sorgen, so der FDP-Politiker.
In Deutschland see die Anzahl der Lizenzen für Sportwetten auf 20 begrenzt, obwohl weit mehr Anbieter die rechtlichen Anforderungen erfüllten. „Poker- und Kasinospiele sind in Spielhallen erlaubt, im Internet aber verboten. Zudem genießen staatliche Kasinos zahlreiche Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren privaten Mitbewerbern. Beispielsweise sind allein staatliche Kasinos berechtigt, Geldautomaten aufzustellen, Alkohol und Speisen anzubieten und eine unbegrenzte Anzahl von Spielautomaten zu besitzen“, so Creutzmann über den Irrsinn der deutschen Gesetzeslage.
Haben die Grünen in Schleswig-Holstein – die ja einen Anspruch als Rechtsstaats- und Bürgerrechtspartei erheben -, den Mut, den gordischen Knoten zu zerschlagen und nach der Bundestagswahl an einer konstruktiven Lösung auf Länderebene mitzuwirken, um diesen europarechtswidrigen Irrwitz endlich zu beenden?
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