Bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit während oder im Anschluss an den Urlaub droht die fristlose Kündigung
Düsseldorf, 16. August 2013*****“Endlich Urlaub“ dürfte derzeit durch die meisten Arbeitnehmerköpfe gehen. Dass Arbeitgeber angesichts urlaubsbedingt dünner Personaldecken da eine andere Sichtweise an den Tag legen, ist verständlich. Denn die notwendige, oft mühevolle Reorganisation des Unternehmens ist schnell hinfällig, wenn Arbeitnehmer aus dem Urlaub nicht zurückkehren, weil sie während des Urlaubs oder im direkten Anschluss den sog. „gelben Schein“ einreichen. Massimo de La Riva, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei SNP | Schlawien Partnerschaft, Düsseldorf, weist aber darauf hin, dass dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht, wenn sich bei einer Überprüfung die Krankschreibung als Täuschungsversuch herausstellt. „Da Überprüfungsvorgänge in der Regel einige Zeit in Anspruch nehmen, kann der Arbeitgeber grundsätzlich im Fall der Entgeltfortzahlung den Lohn zurückbehalten. Hierbei ist allerdings Vorsicht und eine gute Vorabwägung geboten, da eine hierdurch provozierte Klage auf Lohnzahlung für den Fall der sich herausstellenden tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit ein bis dahin „gesundes“ Arbeitsverhältnis nachhaltig schädigen kann“, erklärt Rechtsanwalt de La Riva.
Generell gilt zunächst einmal, dass der Arbeitnehmer seine Urlaubstage, die während der Dauer der Krankschreibung nicht verbraucht wurden, behält und – nochmals – die Gewährung von Urlaub unter Zugrundelegung dieser nicht verbrauchten Tage verlangen kann. Denn wer krank ist, muss erst gesund werden, während Urlaub der Erholung von den Strapazen der täglichen Arbeit dient.
Dies setzt aber zunächst voraus, dass eine ordnungsgemäß ausgefüllte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Bescheinigung wird nach der Rechtsprechung insoweit vermutet. Diese Vermutungswirkung kann allerdings durch erhebliche Indizien erschüttert werden, die gegen die Richtigkeit sprechen. Solche Fälle können z.B. sein:
* Der Arbeitnehmer fehlt auffallend häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit tritt häufig an einem Arbeitstag zu Beginn oder am Ende einer Woche ein
* Die Arbeitsunfähigkeit wird von einem Arzt festgestellt, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
* Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält eine Rückdatierung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit
* Der Arbeitnehmer verhält sich widersprüchlich zum bescheinigten Krankheitsbild,
* Die Arbeitsunfähigkeitsmeldung erfolgt nach innerbetrieblichen Differenzen,
* Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit angekündigt.
Solche Auffälligkeiten können den Arbeitgeber zunächst dazu veranlassen, die Krankenkasse um eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst zu bitten. Kommt diese zu einem negativen Ergebnis hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens an der Krankheit, ist der Beweiswert der Krankschreibung erschüttert. Der Arbeitgeber ist von seiner Entgeltfortzahlungspflicht entbunden und der Arbeitnehmer müsste in einem gerichtlichen Verfahren beweisen, dass er doch krank war.
„Die Erfahrung zeigt aber leider, dass diese Überprüfung durch die Krankenkassen oft ein relativ stumpfes Schwert ist. Dies mag darin begründet sein, dass das Interesse der Krankenkasse an einer entsprechend negativen Feststellung jedenfalls während der 6-wöchigen Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers mangels eigenem finanziellen Interesse gegen Null geht“, erklärt Rechtanwalt de La Riva.
Denkbar ist auch die Observation durch einen Privatdetektiv, wenn erhebliche Verdachtsmomente gegen das Vorliegen einer Krankheit sprechen. Selbstverständlich ist dabei die Privatsphäre zu wahren. Wird der Arbeitnehmer allerdings bei dieser Observation z.B. dabei gesehen, wie er trotz bestehender Bronchitis auf einer öffentlichen Party äußerst gesund feiert, ist nicht nur der Beweiswert der Krankschreibung erschüttert, der Arbeitgeber kann dies mit einer fristlosen Kündigung und einer Auferlegung der Kosten für den Privatdetektiv ahnden.
Besonderheiten gelten allerdings dann, wenn die Krankschreibung während des Urlaubs nicht von einem deutschen Arzt unterschrieben wurde. Die Rechtsprechung argumentiert, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die von einem Arzt im Ausland ausgestellt wird, prinzipiell den gleichen Beweiswert genießt wie eine im Inland ausgestellte. Allerdings muss diese erkennen lassen, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterscheidet.
Der Arbeitnehmer hat aber auch noch weitere Pflichten zu erfüllen, die das Gesetz in § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz vorgibt. Danach ist er verpflichtet
* dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. (Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen)
* seiner gesetzlichen Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen, ebenso eine etwaige Verlängerung über den zunächst angezeigten Zeitraum hinaus.
* dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr in das Inland unverzüglich anzuzeigen.
Befolgt der Arbeitnehmer diese Vorgaben nicht, können sich Arbeitgeber und Krankenkasse auf den Standpunkt stellen, dass keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Dann wird die Abwesenheit vom Betrieb nach wie vor als Urlaub behandelt. Stellt sich sogar ein Täuschungsversuch heraus, droht die fristlose Kündigung. Dem Arbeitnehmer bleibt dann nur noch der mühselige und in der Regel äußerst problematische Weg, seine Erkrankung auf anderem Wege zu beweisen.
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