Suchmaschinen mit intelligenter Autocompletefunktion – für wen?

Autocomplete-Funktion von Google – Haftung des Suchmaschinenbetreibers für persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen

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Seminarveranstaltung „Reputationsmanagement by Law“, Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte

Um Entscheidungen zu treffen, benötigt fast ein jeder von uns täglich privat und beruflich das Internet. Es wird gegoogelt, durch die gefundenen Suchergebnisse Entscheidungen schnellstens getroffen und Meinungen gebildet. Fragen nach freier Meinungsbildung, Suchmaschinenunabhängigkeit oder doch gezielte Steuerung der Nutzer kommt einem nicht wirklich in den Sinn, außer es liegt eine Störung vor, die persönlich betrifft oder weitere private oder berufliche Auswirkungen hat. So auch wenn es um die Autocompletefunktion geht. Wird ein Internetsuchmaschinenbetreiber wegen einer Suchwortergänzungsfunktion (Autocomplete) wegen persönlichkeitsrechtsverletzender Ergänzung von Suchbegriffen in Anspruch genommen, haftet der Betreiber, wenn er zumutbare Prüfpflichten verletzt hat. Der Bundesgerichtshof hat dazu geurteilt, dass der Suchmaschinenbetreiber bei Kenntnis von der rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung verantwortlich ist. In der Praxis bedeutet das: Wird der Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts hingewiesen, hat er zukünftig derartige Verletzungen durch Unterbindung der Autocomplete-Funktion zu verhindern.

Die Entscheidung:

Mit Urteil vom 14.05.2013, Aktenzeichen VI ZR 269/12, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die ergänzenden Suchvorschläge (Autocomplete-Funktion) des Suchmaschinenbetreibers Google dann angreifbar sind, wenn sie Persönlichkeitsrechte verletzen. Im entschiedenen Fall hatte die Google Suchmaschine über die Autocomplete-Funktion den Namen des Klägers mit den Begriffen „Betrug“ und „Scientology“ in Verbindung gebracht. Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Gründungspartner der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte und Experte im Reputationsmanagement weist auf die Zusammenhänge im Einzelnen hin:

Wie funktioniert die Autocomplete-Funktion?

„Die Autocomplete-Funktion baut auf eine Berechnungsmethode, mit der Suchmaschinen Internetnutzern Suchvorschläge machen, die andere bereits gewählt haben. Im aktuellen Fall hatte Google bei Eingabe des Namens des Klägers ins Suchfeld diesen durch die Begriffe „Betrug“ und „Scientology“ ergänzt ohne dass der Nutzer Einfluss darauf hatte. Gleichzeitig werden am unteren Bildrand der Seite diese und weitere Suchergänzungen aufgelistet, die andere Nutzer getätigt haben. Diese Darstellung von häufigen Suchanfragen hat einen Verstärkungseffekt zur Folge. Es ist zutiefst menschlich, den Suchanfragen anderer Nutzer nachzugehen und die dann angezeigten Suchergebnisse ebenfalls ansehen zu wollen. Dadurch erfahren aber die angezeigten Suchvorschläge wieder eine Verstärkung, ohne dass eine Relevanz existiert – eingelaufene Wege werden benutzt, weil sie ganz einfach da sind.“

In diesem Fall konnte der Kläger unwidersprochen darlegen, dass er keinerlei Verbindung zur umstrittenen Organisation Scientology habe und ihm weder ein Betrug vorzuwerfen oder ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Auch brachten die Suchergebnisse selbst keinerlei Verbindung des Klägers zu den Begriffen „Betrug“ und „Scientology“ hervor. Google verteidigt die Wirkungsweise seiner Autocompletefunktion damit, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben haben. Oder das sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinkten Drittinhalten auffinden lassen. Der Bundesgerichtshof geht in seiner aktuellen Entscheidung jedoch einen Schritt weiter. Er sieht nämlich in den ergänzten Suchvorschlägen einen weiteren persönlichkeitsrechtsverletzenden Aussagegehalt:

Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass Suchmaschinennutzer erwarten oder es zumindest für möglich halten, dass die mit der Autocompletefunktion vorgeschlagenen Begriffe einen inhaltlichen Bezug zu dem vom Nutzer verwendeten Suchbegriff haben. Als Begründung führt der Bundesgerichtshof dafür an, dass eine Suchmaschine darauf angelegt sei, nicht nur zufällige, sondern inhaltlich weiterführende ergänzende Suchvorschläge zu liefern. Das mache ihre Attraktivität für den Nutzer und im Interesse des Suchmaschinenbetreibers selbst, auch für Werbekunden aus.

Keine Privilegierung des Suchmaschinenbetreibers

Der Bundesgerichtshof bewertet jetzt die ergänzenden Suchvorschläge der Autocomplete-Funktion als „eigene Inhalte“ des Suchmaschinenbetreibers gemäß § 7 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG). Damit scheidet eine Haftungsprivilegierung nach den §§ 8-10 TMG aus. Dadurch, dass das Gericht die bisherige Auslegung von Suchvorschlägen als bloße Aneinanderreihung von Wörtern als Ergebnis eines technischen Vorganges ändert und als eigenen Aussagegehalt von Google wertet, begründet er die Haftung des Suchmaschinenbetreibers. Den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit sieht der BGH dabei aber nicht in einem aktiven Handeln, sondern in der Unterlassung von Google, hinreichende Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.

Prüfungspflichten des Suchmaschinenbetreibers

Der BGH kehrt dann wieder in das Fahrwasser seiner bekannten Rechtsprechung zurück. Weil der Suchmaschinenbetreiber durch die Ergänzung der Suchworte dennoch nicht Täter oder Teilnehmer der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist, kann er nur als Störer in Anspruch genommen werden. Störer ist, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes beiträgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.

Rechtsanwalt Ralf Hornemann, Medienrecht- und Internetexperte bei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte, ergänzt:

„Google wird nicht vorgeworfen, dass eine Suchvorschläge erarbeitende Software entwickelt und verwendet wird, sondern nur, dass keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen wurden, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen. Durch diesen Kunstgriff grenzt der BGH die Haftung der Suchmaschinenbetreiber ein. Sie haften erst ab Kenntnis. Auch wenn das nicht ganz stringent ist – einerseits rechnet der BGH dem Suchmaschinenbetreiber die Suchvorschläge als eigene Inhalte zu, andererseits gesteht er eine Verantwortlichkeit erst ab Kenntnis wie bei einem Hostprovider zu – wird sich die Praxis daran orientieren müssen.“

Ausblick-weitere Entscheidungen müssen getroffen werden

Im September 2013 will das Landgericht Berlin über die Klage der ehemaligen First Lady Bettina Wulff entscheiden. In diesem Fall geht es ebenso um ergänzende Suchvorschläge, die bei Eingabe des Namens sittlich zweifelhafte Ergänzungen aus dem Rotlichtmilieu anbieten.

Praxitipp – Rechtsschutz für Internetuser

Rechtsanwalt Ralf Hornemann hierzu: „Wer von einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch ergänzende Suchvorschläge betroffen ist, sollte sich zunächst an den Suchmaschinenbetreiber wenden. Das Internet vergisst niemals, Verbotenes und Negatives bleibt durch digitale Archive, Suchmaschinen und vernetzten Bloggern präsent. Somit ist zu überlegen, die Hilfe eines Experten in Anspruch zu nehmen, damit sich möglicherweise dadurch sehr schnell die Rechtsverletzung beseitigen lässt. Erst nach erfolglosem Hinweis an den Suchmaschinenbetreiber sollte gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Da in diesem Fall in aller Regel bereits erhebliche Nachteile für den Betroffenen entstanden sind, ist die Hinzuziehung einer Reputationshilfe für das Internet neben dem „Reputationsmanagement by Law“ schon beinahe unerlässlich, um dauerhafte Schäden für das digitale Image zu verhindern.“

V.i.S.d.P.:

Ralf Hornemann
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