Bewegungsprogramme gegen Arthrose-Schmerz

EFORT 2013: Europäischer Orthopädiekongress mit 7.500 Teilnehmern/-innen in Istanbul

Aktuelle Behandlungs-Leitlinien definieren Bewegungsprogramme als wesentlichen Bestandteil der Therapie von Knie- und Hüftarthrosen. Auf dem EFORT Kongress in Istanbul vorgestellte neue Ansätze unterstreichen die Schlüsselrolle von Training auch im Zusammenhang mit orthopädischen Eingriffen. Bewegungsangebote müssen individuell auf die Patienten/-innen zugeschnitten sein, die Motivation Betroffener ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg. Neuromuskuläres Training gilt als Therapie der Wahl.

Istanbul, 7. Juni 2013 – Neben Gewichtsreduktion, wenn nötig, und umfassender Patientenaufklärung gehören in Europa und den USA Trainingsprogramme mit zur Standardbehandlung von Arthrose. Bewegung kann zusätzlich eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit orthopädischen Operationen bei Arthrose-Patienten/-innen spielen, sagte Prof. Ewa Roos (Institut für Sportwissenschaften und Klinische Biomechanik, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Odense, Dänemark). Ein individuell angepasstes Bewegungsprogramm vor einem potenziellen orthopädischen Eingriff könne zu einer gezielteren Auswahl von Patienten/-innen beitragen, die von einem Eingriff profitieren – und damit nicht zuletzt zu kürzeren Wartelisten für Hüft- oder Knieersatz.

Bewegungsprogramme müssten auf die individuellen Bedürfnisse der Arthrosepatienten/-innen zugeschnitten sein, erläuterte Prof. Roos auf dem 14. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (EFORT) in Istanbul. „Ein 50-jähriger Mann mit vorangegangener Knieverletzung und eine 75-jährige übergewichtige Frau benötigen sehr unterschiedliche Bewegungsprogramme, und je nach Krankheitsentwicklung müssen die Trainingsvorgaben auch immer wieder angepasst werden.“

Prof. Roos unterstrich den schmerzlindernden Effekt von gezieltem Training. Dieser könne häufig dazu beitragen, eine Gelenksersatz-Operation hinauszuzögern. Gerade dieser Aspekt von Bewegungsprogrammen bei der Behandlung von Arthrose ist derzeit ein wichtiger Forschungsschwerpunkt in skandinavischen Ländern, eine Reihe von großen randomisierten Studien laufen gerade. „Wenn man über einen Zeitraum von sechs Wochen zwei Mal wöchentlich gezielt trainiert, erzielt man eine zwei- bis dreimal bessere schmerzlindernde Wirkung als mit der üblichen Dosis von Analgetika“, erklärte Prof. Roos. „Dabei ist auch zu bedenken, dass Schmerzmittel problematische Nebenwirkungen für Magen und Herz haben können, während die Nebenwirkungen von Sport mit einer verbesserten Leistungsfähigkeit und Stimmungsaufhellung ausschließlich positiv sind.“

Motivierte Patienten/-innen

Wesentlich ist, dass Patienten/-innen ausreichend motiviert sind, einen Trainingsplan auch konsequent zu befolgen, wobei ihre Behandler/-innen eine wesentliche Rolle spielen können, so Prof. Roos: „Orthopädische Chirurgen/-innen sind für Arthrose-Patienten/-innen wichtige Ansprechpartner/-innen. Sie sollten dafür sensibilisiert werden, ihren Patienten/-innen die

wesentliche Rolle von Sport für die Schmerzlinderung, für eine bessere Leistungsfähigkeit und für eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustands nahezubringen.“ Das sei schon deshalb wichtig, weil Arthrose vor allem dann zu einer verringerten Lebenserwartung beitragen kann, wenn die allgemeine Mobilität eingeschränkt ist. Es müsse allerdings auch berücksichtigt werden, dass körperliche Betätigung für manche Patienten/-innen eine wesentliche Umstellung ihres Alltags bedeuten kann. „Für einen Langzeiterfolg müssen Aktivitäten und Trainingsangebote gefunden werden, die den Patienten/-innen Spaß machen und bei denen sie sich wohlfühlen“, sagte Prof. Roos. „Lebensstiländerungen sind nie einfach, aber sie können noch schwerer fallen, wenn man unter Gelenkschmerzen leidet und Sport treiben soll.“ Fortschritte der Patienten/-innen sollten regelmäßig überwacht werden, eine Aufgabe, die üblicherweise Physiotherapeuten/-innen übernehmen.

Als besonders vielversprechender Ansatz für Arthrose-Patienten/-innen habe sich neuromuskuläres Training erwiesen, sagte Prof. Roos. „Neuromuskuläres Training baut auf biomechanischen Grundsätzen auf und wurde speziell für Patienten/-innen mit Knie- oder Hüftarthrosen entwickelt.“ Um die Übungen dem individuellen Status der Betroffenen anpassen zu können, empfiehlt Prof. Roos auch regelmäßige Schmerzmessungen, um besser einschätzen zu können, wann ein/e Patient/-in bereit für die nächste Steigerung bei der Trainingsintensität ist.

Kontrolliertes 6-wöchiges individuelles Trainingsprogramm

Arthrose-Patienten/-innen sprechen auf Bewegungsprogramme sehr gut an, auch bei schwerer Erkrankung, berichtete Prof. Roos. „Nach derzeitigen Erkenntnissen ist gezieltes Training eine sichere und effektive Behandlungsmethode bei Arthrose. Auf der Grundlage der bestehenden Evidenz und meiner klinischen Erfahrung würde meine Empfehlung für alle Patienten/-innen mit Knie- und Hüftarthrose lauten: ein 6-wöchiges überwachtes, individuell zugeschnittenes Bewegungsprogramm, Aufklärung zum Krankheitsbild und gegebenenfalls eine Gewichtsabnahme.“ Sowohl vor als auch nach einer Gelenkersatz-Operation sollte Training als Therapie zum Einsatz kommen, in manchen Fällen ließen sich Eingriffe sogar vermeiden. Aufgrund der rasch steigenden Zahl von Arthrose-Patienten/-innen könne die positive Auswirkung geeigneter Bewegungsprogramme nicht genügend betont werden, so Prof. Roos. „Orthopädische Chirurgen/-innen und Physiotherapeuten/-innen sollten gemeinsam um eine optimale Behandlung von Osteoarthrose-Patienten/-innen bemüht sein und die große Mehrheit der Patienten/-innen sollte in der Primärversorgung behandelt werden.“

Hintergrund EFORT

Die European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) ist die Dachorganisation orthopädischer Fachgesellschaften in Europa. EFORT wurde 1991 im italienischen Marentino gegründet. Heute gehören ihr 42 nationale Mitgliedsgesellschaften aus 43 Ländern und sechs assoziierte wissenschaftliche Organisationen an.

EFORT ist eine Non-Profit Organisation. Das Ziel der Mitgliedsgesellschaften ist es, den Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und von Erfahrungen in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems zu fördern. EFORT organisiert europäische Konferenzen, Schulungen, Kurse, Foren und Kongresse. Ferner werden von EFORT Grundlagenforschung und klinische Forschung initiiert und unterstützt.

Quelle: EFORT Instructional Lecture: Training as non-operative treatment of patients with osteoarthritis of the hip or knee