Ein Rucksack, eine Isomatte und ein Schlafsack, umhüllt von einer blauen Mülltüte, so kennen ihn viele, den in Hamburg gestrandeten Wissenschaftsautor Bryan Leland, besser bekannt auch als Max Bryan.
(ddp-tp) Vor 16 Monaten die Wohnung verloren, verschlug es ihn nach Hamburg, hier konnte er seine Sachen unterstellen, in einem 30 Kubikmeter-Container einer Hamburger Einlagerungsfirma, für die er monatlich 160 EUR bezahlt, die Hälfte seines Einkommens, Bryan lebt von nur 350 EUR im Monat und am Ende reicht sein Geld nie.
Betteln kommt für den 35-Jährigen dennoch nicht in Frage. „Ich habe nie geschnorrt, viele sammeln auch Flaschen, aber das ist nichts für mich, da müsste ich in Mülleimern wühlen“, erklärt der Wahl-Hamburger im Interview..
Max leidet an Pathophobie, einer gesteigerten Angst vor Bakterien, Ansteckung und Krankheiten. Fahren in der U-Bahn oder der tägliche Gang zur öffentlichen Toilette wirken für ihn wie Folter. Max hat große Probleme mit der Nähe zu anderen Menschen, ein Besuch im Schwimmbad oder das Erleben eines Musikkonzerts, für ihn ist das alles unvorstellbar.
Wie überlebt ein obdachloser Hypochonder auf Hamburgs Straßen ?
Bryan achtet auf seine Sachen, stellt nichts auf den Boden, schläft nicht im Dreck. Sein all abendlicher Gang zur Trinkwassersäule am „Hafentor“ (Brücke 1 an den Hamburger Landungsbrücken) ist ein Ritual. Ein Begrenzungsposten aus Stahl wird zum Kleiderständer, die Kuppel eines abgebrochenen Wasserrohrs sein Stellplatz für den Rucksack und die Europalette direkt gegenüber nimmt Plastiktüte und Isomatte auf, so steht nichts auf dem Boden, „Gefahr“ gebannt (für ihn).
Bryan: „Ich habe mich arrangiert, ich lebe seit 16 Monaten mit dieser Behinderung und ich habe überlebt, auch das geht“.
– Tagebuch und Internet –
Bryan ist vermutlich der einzige Hamburger Obdachlose mit Laptop und Facebook, „vielen ist das unheimlich“, sagt der Freizeit-Blogger. Unzählige Fotos und Geschichten über sein Leben kursieren im Internet, zahlreiche Bilder hat er selbst auch hochgeladen, Bryan führt Internettagebuch. Es hilft ihm sein Leben zu reflektieren, wer er ist und wer er früher einmal war, und seine Geschichte ist komplex. Da gibt es Max, der verhinderte Sänger, er sei gerade mal 20 Jahre alt und es gebe Bryan, den Autor, der ihn jahrelang unterdrückt hat. „Der eine der singen w-o-l-l-t-e und nicht d-u-r-f-t-e, weil der andere schreiben m-u-s-s-t-e, das war stets ein innerer Kampf, nicht tun zu dürfen, was ich eigentlich tun will“, schreibt Bryan in seiner aktuellen Notiz „The Early Years“, in der er erstmals auch Einblick in die Zeit seiner Jugend gibt.
http://www.facebook.com/note.php?note_id=243653848985871
– Von der Mutter verlassen –
Von der Mutter allein gelassen, kümmert sich die gerade mal volljährig gewordene Schwester um den damals noch minderjährigen Max, der die Absenz seiner Mutter bis heute nicht verkraftet hat. Ein „Trauma“ frühester Jugend, wie er selbst sagt und es zwang ihn früh schon auf eigenen Beinen zu stehen.
Seine Ausbildung zum Reisekaufmann finanziert er sich durch harte Arbeit nach Feierabend und er schafft seinen Abschluss vor der Industrie und Handelskammer in Frankfurt am Main. Nur wenige Wochen danach bieten Investoren ihm ein eigenes Reisebüro an und Max nimmt dankend an. Was er nicht weiß, die Investoren sind auf schnelles Geld aus und verkaufen das gut laufende Geschäft nach nur 6 Monaten mit erheblichen Gewinn. Max, der alles besorgt und aufgebaut hatte, ging leer aus. Enttäuscht zieht der damals 20-Jährige sich zurück in eine kleine Einliegerwohnung im Norden Deutschlands, wo er sich mit einem Flugtickethandel selbstständig machen will. Was danach begann ist so unglaublich wie einzigartig. Bryan, der mit Wissenschaft nie etwas zu tun hatte, schreibt tausende Seiten zur Metaphysik, ein Teilbereich der Philosophie. Es geht um Sein und um Nichtsein und um die globale Ordnung des Seins. Beobachter sprechen gar vom einsamen Eremiten, der irgendwo im stillen Kämmerlein vor sich hin brütet und dabei Jahr für Jahr hofft das Angefangene zu Ende zu bringen. Doch bevor es dazu kam, verlor er seine Wohnung, 16 Monate ist das jetzt her.
„Der Wille war nicht frei“, sagt er selbst und nimmt auch seine Mutter in Schutz, die trotz der schlimmen Vergangenheit sehr liebt. „Ihr Wille war auch nicht frei“, schreibt er in seinem aktuellen Tagebuch-Eintrag.
http://www.maxbryan.com
– Schwester und Familie –
Ende Juli traf er dann erstmals nach 20 Monaten seine Schwester wieder. Es gab Streit – vor seinem Auszug aus der alten Wohnung – weil niemand verstehen konnte, warum er jeden Monat so viel Geld für die Einlagerung bezahlt. Man könnte die Sachen doch einfach wegwerfen, soll die Familie ihn bedrängt haben und niemand hätte geahnt, was danach geschah. Erst Monate später erfährt die Familie dann aus der Zeitung, dass Max auf der Straße lebt („Klitschko und der Obdachlose“), das war im Herbst des vergangenen Jahres. Die BILD-Zeitung machte eine große Geschichte daraus und der Wohnungslose Max wurde über Nacht bekannt. Genützt hat es ihm dennoch nichts, wie auch sein Auftritt bei der RTL-Show „Das Supertalent“, die ihn erst so richtig abstürzen ließ. „Es hat Monate gedauert, diese Enttäuschung loszulassen und ich habe gelernt, dass niemand mich retten wird, dass nur ich selbst mich retten kann“, schreibt der 35-Jährige rückblickend auf die Zeit seines öffentlichen Lebens.
– Armut fliesst durchs ganze Land –
Seit letzten Freitag ist Bryan zurück in Hamburg. Tagelang war er unterwegs mit dem Rad um sich einer Gruppe von Radfahrern anzuschließen. „Von Wasser zu Wasser – Vom Bodensee nach Hamburg – Armut fliesst durchs ganze Land“, eine Aktion gegen Armut und Ausgrenzung. Zusammen mit anderen Mitfahrern begleitete Bryan die Gruppe etappenweise. Ein „Muss“, wie er selbst sagt. „Ich wollte beweisen, dass ich trotz meiner Behinderung etwas leisten kann, dass ich weder dumm noch faul bin und ich im Stande bin mein Leben zu ändern, wenn man mich nur lässt und mir auch die Chance dazu gibt.“
Gepostet von Max Bryan am Freitag, 12. August 2011
Eine wunderbare Geschichte. Ein Obdachloser, der aus der Niederlage Kraft schöpft und über sich selbst hinaus wächst. Ein großartiges Beispiel für Mut, Kraft, Stärke und Selbstachtung.
Beverly Hoffmann für ddp-Themenportal
http://www.themenportal.de/leute/max-bryan-ich-liebe-mein-leben-und-ich-hole-es-mir-zurueck-23707
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